Silke May

Diara und der weiße Vogel


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aufwärts. Sie hatte wegen ihres besonders leichten Körpergewichts, kaum Probleme. Am meisten erwischte es Seth, der von allen dreien, der gewichtigste war. Mehrere Male mussten Golo und Diara ihn aus einer misslichen Situation befreien, welche für sie beide auch nicht ungefährlich war.

      Einmal wären sie beinahe alle drei in die Tiefe gestürzt, wenn Golo nicht so schnell reagiert hätte und das Schlimmste mit seinen immensen Kräften verhindert hätte.

      Endlich hatte die Kletterpartie ein Ende und sie konnten durch ein Waldgebiet bergauf weiter gehen.

      Die Sonne bewegte sich bereits dem westlichen Horizont zu.

      »Wir müssen uns jetzt noch, um Holz für das Feuer umsehen, während wir aufwärtsgehen«, forderte Seth seine Freunde auf.

      »Ja, das müssen wir, dafür können wir uns aber nicht viel Zeit lassen. Wir müssen so weit wie möglich zum Gipfel hochkommen.«

      »Unbedingt, sonst laden wir mit dem Fleischgeruch womöglich noch andere Tiere zum Essen ein«, bestätigte Golo.

      Während sie aufwärts gingen, sammelten sie reichlich Holz für das bevorstehende Feuer.

      »Das gibt ein herrliches Feuer. Ich freue mich schon auf einen guten Braten«, begeisterte sich Golo. Sein Blick fiel auf Diara, die soeben am Boden kniete und kleine knallrote Blumen pflügte.

      »Diara, bevor du deine Zeit mit Blumenpflücken verbringst, solltest du dich lieber nach Brennholz umsehen. Mit Blumen können wir kein Feuer machen.«, brummte Golo.

      »Feuer machen nicht, aber damit können wir das Fleisch würzen und etwas schmackhafter machen.«

      »Mit diesen roten Dingern, wirst du unser Fleisch nur ungenießbar machen – sonst nichts.«

      »Wirf sie weg, das Fleisch wird damit nicht gewürzt! Das würde uns noch abgehen, dass wir uns womöglich noch mit Übelkeit plagen müssen.« Diara warf leise vor sich hin murrend die gepflügten Blumen weg. Seth zwinkerte ihr zu und legte seinen Arm über ihre Schulter. »Er hat recht, wir können kein Risiko eingehen, auch wenn es von dir nur gut gemeint war.«

      Schweigend erreichten sie unterhalb des Gipfels, einen geeigneten Rastplatz, um Feuer zu machen und zum Übernachten.

      »Geschafft …, ich hoffe nur, dass es der schwierigste Aufstieg war und die anderen Gipfel leichter zu bezwingen sind«, gab Golo von sich.

      Sie bereiteten ihr Abendlager für die Nacht auf den Boden in einer großen Bergmulde und legten das Holz für das Feuer in die freie Mitte ihres Lagers.

      »Glaubt ihr wirklich, dass Zee sich auf einen der Berggipfel aufhält?«, fragte Diara.

      »Ich denke schon, denn wo sollte sie denn sonst sein?«, stellte Golo fest. »Vielleicht wurde sie von den Cors getötet«, antwortete Diara.

      »Nie …, dazu ist Zee viel zu wertvoll – auch für die Cors«, warf Seth ein und zündete den kleinen Holzhaufen an.

      Diara hatte sich auf ihren ausgebreiteten Umhang, der zwischen den Umhängen Golo‘s und Seth‘s lag, gesetzt. Sie beobachtete Seth, der geschickt das Fleisch auf einen von ihm spitz zugeschnittenen Ast aufgespießt hatte und jetzt auf zwei großen Steinen über das Feuer legte. Diara musterte Seth eine Weile.

      Im Schein des Feuers wirkte sein Gesicht bereits sehr männlich und sein langes weißes Haar, das er im Nacken zusammengebunden hatte, fiel ihm über die rechte Schulter. Er und sein Vater - Odo der Weise, waren die einzigen mit weißen Haaren, alle anderen hatten schwarzes Haar. Zu ihrer braunen Haut, welche einen leicht grünen Schimmer hatte, war es ein starker Kontrast, der sie sofort von den anderen hervorhob. Ihr Blick blieb an seinen schönen grünen Augen hängen.

      Wie schön und klar seine Augen sind, dachte sie.

      Seth sah Diara verwundert an.

      Gefallen sie dir? Hörte sie ihn in Gedanken fragen. Diara sah ihn überrascht an. Diara war überrascht, sie hatte zum ersten Mal einen Gedankenaustausch mit Seth. Ich habe nicht mit dir gesprochen, antwortete sie gedanklich. Seth grinste und sagte laut zu Diara: »Gesprochen nicht … aber gedacht und ich hab dir darauf geantwortet.«

      »Kannst du meine Gedanken hören?«

      »Ja … und seit wann kannst du es?«, fragte Seth.

      »Es war jetzt das erste Mal«, antwortete Diara.

      »Also Diara, ab jetzt kannst du nichts mehr vor mir verbergen. Denke jetzt nur noch gut über mich, sonst werde ich es dich büßen lassen.« »Konntest du immer schon meine Gedanken lesen?«, fragte Diara.

      »Nein, das war jetzt auch das erste Mal. Vielleicht, weil du jetzt auch meine Gedanken lesen kannst, oder das bringt die fortgeschrittene männliche Reife mit sich. Anscheinend bin ich in den letzten Stunden gereift.«

      Komisch, davon habe ich nichts bemerkt, dachte sie.

      Werde ja nicht frech, dachte Seth. Diara spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.

      »Sagt mal ihr Beiden, soll eure gemeinsame Geheimniskrämerei den ganzen Abend so weiter gehen?«, gab Golo verschnupft von sich.

      »Wir haben kein Geheimnis. Diara dachte sich, dass meine Augen schön sind und ich antwortete darauf.«

      »Wenn ihr nichts anderes im Kopf habt, als solch unwichtige Dinge, dann war der Aufstieg anscheinend nicht anstrengend genug«, gab Golo wütend darüber, dass er nie Gedankenlesen wird können – von sich.

      »Jetzt sei doch nicht so empfindlich, es war doch nichts weiter, als unser erster gemeinsamer Gedankenaustausch«, gab Diara beruhigend von sich. »Gut, dann lasst uns jetzt über den morgigen Tag reden. Ich denke, dass wir gleich nach Sonnenaufgang aufbrechen, damit wir noch bei Tageslicht den Gipfel erreichen.«

      »Golo welchen der gegenüberliegenden Gipfel müssen wir überqueren? Den vom rechten Berg oder den vom Linken?«, fragte Seth.

      »Den Linken.« Seth strengte seine Augen an, um den schemenhaft erkennbaren Gipfel einzuschätzen.

      »Der Aufstieg scheint mir sehr steil zu sein?«

      »Nun ja, leicht wird es nicht werden und wir müssen all unsere Kräfte voll einsetzen. Das gleiche gilt für unsere Konzentration!«

      Seth sah Diara an und seine Gedanken sprachen zu ihr: Er kann's nicht lassen! Golo ist wohl eifersüchtig auf mich?

      Diara schmunzelte vor sich hin: Das glaube ich nicht, es ärgert ihn nur, dass er nie mit uns gedanklich kommunizieren kann.

      Golo schnitt ein Stück Fleisch ab und reichte es Diara.

      »Hier … damit dein Hirn endlich wieder einmal an etwas anderes denkt, nämlich ans Essen.«

      Und er ist doch eifersüchtig, dachte Seth.

      Langsam glaub ich dir. Lass uns jetzt nicht mehr miteinander die Gedanken austauschen, sonst dreht er vollends durch, antwortete Diara in Gedanken.

      Golo reichte Seth ein großes Stück Fleisch und sah ihn dabei grimmig an. »Nach dem Essen werden wir gleich schlafen. Ich hoffe, du schaffst das auch, ohne mit Diara zu kommunizieren?«

      »Natürlich, ich war nur überrascht, dass Diara auch Gedankenlesen kann. Ich dachte, dass es nur die Kinder des Weisen können.«

      »Jetzt weißt du es und lass es gut sein.«

      Golo nahm einen herzhaften Biss vom Fleisch und sah Gedankenverloren in das flackernde Feuer. Nachdem sie alle drei gesättigt waren, stellte sich bei ihnen auch die Müdigkeit ein und sie schliefen tief, bis zum Morgengrauen.

      Kapitel 3

      Diara erwachte als Erste und setzte sich auf. Sie sah links und rechts neben sich, beide jungen Männer waren noch im Tiefschlaf. Sie schaute über die Berge und blieb bei dem Gipfel gegenüber stehen. Der Himmel hinter den