Christine Jörg

Xari, das andere Nachtgespenst


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dreht sie sich um und schwebt davon. Die Eltern werfen sich einen fragenden Blick zu. Fritz zieht die Augenbrauen hoch. Mama Toni zuckt mit den Schultern. Was sollen sie machen, fragen sich die Eltern und blicken sich an.

      „Ich gehe auch runter“, meldet sich Bruno wieder zu Wort. Jetzt da seine Schwester in den ersten Stock gewandelt ist, um dort zu schlafen, können die Eltern ihm das schwerlich verbieten.

      „Was macht ihr?“ Fritz blickt fragend auf Toni und Xari.

      „Wir bleiben hier“, sagt Toni schnell, „nicht wahr, Xari.“

      „Ja, Mama.“

      „Also gut“, sagt Vater Fritz nun, „wenn du uns suchst, wir sind unten.“

      „Passt ja gut auf und verschlaft nicht“, gibt ihnen Mama Toni noch mahnend mit auf den Weg.

      Sie legt sich mit Xari auf das alte, verstaubte Sofa.

      4

      Zu Beginn der Nacht schläft Xari unruhig. Er dreht und wendet sich und plappert ab und zu im Schlaf. Toni kann deshalb nicht gleich einschlafen. Zudem ist sie in Sorge um die anderen Familienmitglieder, die unten in den Menschenbetten schlafen. Wenn das nur gut geht, sagt sie sich immer wieder.

      Dann morgens, es ist schon hell, fühlt sie einen Windstoß, wie er nur durch das eilige Schweben von Geistern hervorgerufen wird. Sie öffnet die Augen. Aber richtig wach ist sie noch nicht.

      „Uff!“, stößt Bruno aus, „noch mal gut gegangen.“

      „Mensch war das knapp!“, ruft Klärchen kichernd aus.

      „Darf man wissen was los ist?“ Langsam aber sicher wird Mama Toni wach.

      „Wir haben verschlafen“, gibt Fritz zu. „Erst im letzten Augenblick haben wir die Menschen zurückkommen gehört.“

      „Hab ich’s doch gewusst!“, schimpft die Mutter. „Immer müsst ihr Extra-Würste braten.“

      „Mama.“ Klärchen hat sich vor das Sofa neben die Mutter gekniet. „Ist doch nichts passiert.“

      „Trotzdem.“ Toni schüttelt den Kopf. „Fritz, ich versteh dich wirklich nicht. Dass du so etwas zulässt?“

      Papa Fritz geht auf seine Frau zu. Die hat sich inzwischen auf dem Sofa aufgesetzt. „Ach Schatz, wenn du wüsstest, wie bequem das war.“

      „Ist schon Aufstehen?“, mischt sich Xaris Stimme ein.

      „Nein, du Faulpelz“, lacht Bruno, „schlaf du ruhig weiter. Du blickst es ja doch nicht.“

      „Bruno“, ermahnt ihn der Vater.

      „Ach ist doch wahr“, vermeldet Bruno noch schnell.

      „Und was machen die Menschen unten?“, erkundigt sich Mutter Toni.

      „Sie räumen schon wieder“, gibt Klärchen Auskunft. „Sieht so aus, als wollten sie wirklich hier einziehen.“

      „Was sind das für Leute?“, will Xari plötzlich wissen. Er ist neugierig geworden.

      „Das kann dir doch egal sein“, fährt ihn Bruno an. „Du bekommst sie ja doch nie zu Gesicht.“

      „Bruno, wenn du keine Auskunft geben willst“, sagt die Mutter streng, „dann halte doch bitte einfach den Mund.“

      „Ach, lass mich doch in Ruhe“, ruft Bruno erbost. „Immer dieser Angsthase.“

      Jetzt meldet sich Papa Fritz zu Wort. Er weiß, dass auch seine Frau daran interessiert ist, wer hier einzieht. „Nun ja, da sind die Eltern und zwei Kinder. Ein Mädchen und ein Junge. Außerdem haben wir einen Hund, eine Katze und Vögel gesehen.“

      „Oh, je“, stöhnt Toni, „einen Hund. Hoffentlich beißt der nicht.“

      „Aber Toni“, erwidert Fritz beruhigend, „der kann dich doch gar nicht beißen. Du bist ein Nachtgespenst.“

      5

      Ja, Mama Toni hat schreckliche Angst vor Hunden. Ihr müsst wissen, im früheren Menschenleben ist sie einmal von einem Hund gebissen worden.

      Die fünf Nachtgespenster waren natürlich alle einmal ganz normale Menschen. Das ist aber schon sehr lange her.

      Als Familie haben sie sogar in diesem alten Bauernhaus am Ortsrand eines kleinen Dorfes in der Nähe der Alpen in Süddeutschland gewohnt.

      Sie hatten zwei Kühe und drei Ziegen für Milch und Käse. Dazu ein paar Hühner, die die Familie mit Eiern versorgten. Als Transportmittel hatten sie einen Wagen vor den sie einen Ochsen spannten. Ansonsten waren es arme Leute, die sich mehr schlecht als recht durchs Leben schlagen konnten.

      Irgendwann, die Kinder waren noch klein, musste die Familie den Hof verlassen. Fritz und Toni hatten zu viele Schulden, die sie nicht mehr abbezahlen konnten.

      Genau an dem Tag, einem Freitag, als Fritz, Toni und die Kinder den Bauernhof verlassen mussten, wurde Toni vom Hund des neuen Herrn gebissen. Daher also hat Toni diese panische Angst vor Hunden.

      Und wie es im Leben manchmal so passiert, am Freitag auf der Fahrt in die nächste größere Stadt stürzte der Wagen mit der ganzen Familie und den Habseligkeiten in einen Abgrund. Alle Menschen starben bei dem Unfall.

      Noch in derselben Nacht wurden sie zu Gespenstern. Natürlich kehrten sie in ihr Haus zurück.

      So haben also Fritz, Toni, Bruno, Klärchen und Xari gemeinsam das alte Bauerhaus am Ortsrand eines kleinen Dorfes in der Nähe der Alpen in Süddeutschland zwar verlassen, doch sie sind in derselben Nacht wieder als Nachtgespenster dorthin zurückgekehrt.

      Seit ziemlich genau hundert Jahren leben sie nun im Bauerhaus als Gespenster.

      In all den Jahren gab es immer wieder einen Wechsel der Eigentümer.

      Wie Fritz, Toni, Bruno, Klärchen und Xari feststellen durften, ereilte auch andere das Schicksal, dass sie den Bauernhof aus finanziellen Gründen nicht halten konnten.

      Zuletzt jedoch stand der Hof einige Jahre lang leer. Die fünf Nachtgespenster hatten schon Angst, dass das Bauernhaus vielleicht abgerissen wird, als eben die neue Familie sich anschickt hier einzuziehen.

      Deshalb also freuen sich die Geister so, als sie sicher sind, dass endlich wieder Leben ins Haus einkehrt.

      Aber Toni vergisst manchmal, dass sie überhaupt kein Mensch mehr ist, sondern ein Geist. Regelmäßig passiert ihr das, wenn sie auch nur das Wort Hund hört.

      Dann muss Fritz seine Frau daran erinnern, dass ihr überhaupt nichts passieren kann.

      „Du hast ja Recht.“ Mama Toni lächelt ihren Mann jetzt an. „Ich bin ja ein Geist.“

      6

      An diesem Morgen ist die Familie endgültig ins Haus eingezogen. Sie sind schon so früh angereist, dass die Nachtgespensterfamilie noch in den Betten gelegen hat, als die Geräusche im Bauernhaus begonnen haben.

      Daher anschließend die Hektik, die gemütlichen Betten augenblicklich zu räumen und auf den Dachboden zu flüchten.

      Jetzt sind die Gespenster ruhiger geworden. Außerdem sind sie neugierig. Vorsichtig schleichen sie schwebend durch die Räume.

      Nach Tonis Geschmack sind die Möbel etwas komisch und zu modern, aber insgesamt vermitteln die Zimmer einen gemütlichen Eindruck. Hier würde sie auch gerne wohnen.

      Xari begleitet seine Familie beim Erkundungsschweben durch das Haus. Zur Sicherheit hält er die Hand seiner Mutter fest umklammert.

      Sie beginnen im Erdgeschoss. Im Augenblick verweilt die Familie in der Küche.

      Schnell