Jürgen Ruhr

Final - Tanz


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gegen einen Aufpreis natürlich - zu einem Schrotthändler fahren würde. Ich musste nur die notwendigen Papiere unterschreiben.

      Kurze Zeit später blickte ich dem davonfahrenden Abschleppwagen, mit meinem treuen Ford auf der Ladefläche, hinterher. Leider konnte der Mann mich nicht mitnehmen, das war streng verboten. Ich müsste mir halt ein Taxi rufen.

      Eine Schande war das!

      Jetzt strich ich über das glatte Blech des Ferraris. In meiner Jackentasche befand sich ein kleines weißes Äffchen, das ich an den Rückspiegel hängen wollte. Für alle Fälle.

      „Herr Lärpers?“, hörte ich den Verkäufer neben mir sagen. „Ihr Wagen ist dann soweit. Würden sie bitte mit mir kommen?“

      Ich nickte. Schweren Herzens trennte ich mich von dem Ferrari, der - wie ein großes Schild aussagte - die Leihgabe eines anderen Autohauses war und nur zu Ausstellungszwecken hier abgestellt wurde. Wir verließen den Ausstellungsraum und traten auf einen kleinen Parkplatz.

      „Ich wünsche ihnen viel Spaß mit ihrem neuen Fahrzeug“, säuselte der Verkäufer und hielt mir den Schlüssel hin. Mein neuer Wagen, ein postgelber Kia Venga, den der Vorbesitzer aus irgendwelchen nostalgischen Gründen so hatte lackieren lassen, erwartete mich.

      Jennifer, unsere blonde Fee für alles, begrüßte mich lächelnd. Sie stand hinter dem Tresen des Krav Maga Studios, in dem sich auch Bernds Büro, sowie im Erdgeschoss der Trainingsraum, das sogenannte Dojo, die Umkleideräume, Duschen und ein Gemeinschaftsraum, den wir Bibliothek nannten, befanden. Ein Atrium lud zum Ausruhen und Verweilen ein und neben zahlreichen Bänken gab es dort viele bunte Blumen, einen kleinen Springbrunnen und sogar einen Platz zum Grillen. Das Atrium war nach oben hin offen und damit natürlich wetterabhängig. Im Kellergeschoss lagen das Schwimmbecken, der Schießstand, ein Labor, das so sicher gebaut war, dass eine kleine Bombe, die in ihm explodieren würde, keinen Schaden anrichten konnte, sowie ein Raum, in dem sich diverse Gäste unterbringen ließen.

      Und noch eine Etage tiefer befand sich eine große Garage mit einer geheimen Zufahrt, in der Bernds Firmenfahrzeuge standen. Die Auswahl der Wagen war breit gestreut und wir durften sie während unserer Einsätze nutzen.

      „Hallo Jenny“, lächelte ich zurück. Jennifer blickte auf mehrere Monitore, die hinter dem Tresen standen und konnte so den Parkplatz, den Eingangsbereich und wichtige Gebäudeteile überwachen. Sie zeigte jetzt auf einem Monitor, den ich aber nicht sehen konnte.

      „Dein neuer Wagen?“

      Ich nickte stolz. „Neu, na ja. Gebraucht neu, hat aber nur wenige Kilometer auf dem Buckel.“

      „Nette Farbe. Du solltest allerdings nie die Fenster auch nur einen Spalt offenstehen lassen.“

      Jennys Fürsorge trieb mir fast die Tränen in die Augen. Sie hatte ja Recht, wie leicht konnte in den Wagen eingebrochen werden, insbesondere, wenn ich vergaß, die Fenster zu schließen. „Ja, da hast du vollkommen Recht“, bemerkte ich.

      Jennifer lachte: „Denn ansonsten könnte es passieren, dass jemand seine Briefe dort einwirft!“

      Ich hörte ihr Lachen noch, als ich an Bernds Bürotür klopfte und nach einem kurzen ‚Herein‘ eintrat.

      „Na, den neuen Wagen abgeholt?“ Bernd hatte mir extra den Vormittag freigegeben, damit ich zum Autohaus gehen konnte.

      „Ja, der steht draußen auf dem Parkplatz. Jetzt bin ich wenigstens wieder mobil. Willst du dir den Wagen einmal anschauen? Wir können auch eine Probefahrt machen.“

      Bernd lachte: „Später vielleicht, Jonathan. Im Moment habe ich andere Sorgen. Dozer fällt ein paar Tage aus und ich brauche Ersatz für ihn.“

      Dozer, mit richtigem Namen Thomas Friedlich, war ein Muskelmann von gut und gerne hundertfünfzig Kilo Lebendgewicht bei einem Meter achtzig Körpergröße. Bernd hatte ihn vor ein paar Jahren einer Personenschutzschule, in der Dozer Kampfsport unterrichtete, abgeworben. Dozer war definitiv der beste Kampfsportlehrer innerhalb Deutschlands und er unterrichtete hier sämtliche Kampfsportarten, die das Krav Maga Studio anbot.

      „Ist er krank?“, fragte ich verwundert, denn der Mann war noch nie krank gewesen. So etwas konnte man sich bei ihm einfach nicht vorstellen.

      „Nein, nein“, lachte Bernd. „Dozer ist zu einer Kampfsporttagung nach Israel eingeladen worden. Sein Ruf reicht bis in den hintersten Winkel der Welt. Ich hoffe nur, man wird nicht versuchen, ihn uns abspenstig zu machen.“

      Da machte ich mir eigentlich keine Sorgen, denn Dozer und meine Kollegin Christine verband seit einem Lehrgang in Rendsburg eine innige Freundschaft. Vermutlich war sie auch der Hauptgrund gewesen, dass Dozer überhaupt zu uns nach Mönchengladbach gekommen war.

      Bernd sah mich an und ich wusste, was jetzt kam. „Ich dachte daran, dass du einen Teil seiner Jobs übernimmst. Ein paar Lehrgänge wird Christine abhalten, insbesondere die mit den Kindern. Dir bleiben Erwachsenenkurse an den Abenden und vormittags die Polizisten.“

      Wir unterrichteten auch Polizisten und Polizistinnen im Kampfsport, doch die schwierigsten Lehrgänge waren immer noch die mit erwachsenen Privatpersonen. Die eine Hälfte meinte zur Kampfmaschine mutieren zu müssen und die andere Hälfte war aus Büchern und Videos so vorgebildet, dass es eine Qual war, ihnen den ganzen Quatsch, den sie da lasen und sahen, wieder auszureden. Dozer war der ideale Mann dafür, die Leute in die richtige Spur zu bringen. Mancher kampfwütige Möchtegern Bruce Lee hatte den Lehrgang schon geschmissen, als er merkte, dass ihm hier eher Demut, Selbstverteidigung und aggressionsloses Verhalten gelehrt wurden, als der Angriffskampf, den sie sich wünschten. Dozer machte den Leuten rasch klar, dass sie in unserem Krav Maga Studio an der falschen Adresse waren.

      „Okay, kein Problem“, nickte ich. Die Auftragslage war momentan eher schwach und ich wollte ohnehin wieder etwas mehr trainieren. „Vielleicht kann Birgit mir ja assistieren.“ Der Kleinen täte ein wenig Training auch ganz gut.

      „Das wollte ich gerade vorschlagen“, nickte Bernd. „Auch wenn ich das Wort ‚assistieren‘ nicht gebraucht hätte. Aber da ist noch etwas: Ich habe heute Vormittag einen neuen Auftrag für euch beide hereinbekommen. Es geht um den Personenschutz eines Balletttänzers. Wir treffen uns heute um vierzehn Uhr drüben im Planungsraum der Detektei. Bis dahin habe ich alle Unterlagen zusammen und kann euch mehr erzählen. Sei also bitte pünktlich, Jonathan!“

      Ich wusste, wie ich die Zeit bis zum Meeting nutzen konnte. „Jennifer“, sprach ich die blonde Maus hinter dem Tresen an. „Wie wär’s mit einer Rundfahrt in meinem neuen Wagen und einem Essen bei Curry-Erwin? Wir haben doch gleich Mittagspause.“

      Jennifer schüttelte den Kopf: „Sorry, Jonathan. Aber ich kann hier nicht weg. Und eine Vertretung habe ich auch nicht.“

      „Birgit könnte dich doch vertreten“, schlug ich vor. So einfach würde sie mich nicht abwimmeln können.

      „Birgit ist nicht da. Die ist mit Christine unterwegs. Außerdem habe ich dir doch schon des Öfteren gesagt, dass du mich nicht in Curry-Erwins Schmuddelbude hineinbekommst. Aber selbst, wenn du mich in dein Steakhaus ‚Chez Duedo‘ einladen würdest: Ich kann nicht. Tut mir leid.“

      Wenn weder Christine noch Birgit zur Verfügung standen, musste ich also alleine zu meinem Freund. Und ich wusste ja, dass keine von beiden sich von mir zu Curry-Erwin einladen lassen würde. Was blieb mir somit übrig, als alleine zu meinem Freund zu gehen?

      Ich parkte meinen neuen Wagen genau vor der kleinen Frittenbude in Rheydt im Halteverbot. Da ich nicht lange hier stehenbleiben wollte, dürfte es kaum Probleme geben. So schnell arbeiteten die Politessen in Mönchengladbach ja doch nicht. Schon gar nicht zur Mittagszeit. Da saßen die selbst in einem Imbiss, einem Restaurant oder einem Café und ließen den lieben Gott einen lieben Gott sein.

      „Jonathan Lärpers“, begrüßte mich Curry-Erwin. „Mein Lieblingsdetektiv, Lieblingspersonenschützer und Lieblingsbodyguard. Schön dich wieder einmal in meinem bescheidenen Lokal zu sehen“

      „Einen schönen guten Tag, Erwin. Aber