Yasmin Azgal

Die kleine Elfe Samra


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      Yasmin Azgal

      Die kleine Elfe Samra

      und die Welt der Menschen

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Teil 1

       Teil 2

       Teil 3

       Teil 4

       Impressum neobooks

      Teil 1

      Für meine Mama.

       Mir geht es gut. Ich habe zu essen und zu trinken, ein Dach über dem Kopf, einen Job. Alles, was ich habe, ist hart erarbeitet und steht mir deshalb zu. Ich kaufe, was ich mir leisten kann, und spende zu Weihnachten, wenn es mein Budget erlaubt. Ab und zu gönne ich mir auch einmal etwas: Teure Schokolade, eine neue Jacke oder ein Wochenende in Paris. Wenn möglich, fahre ich einmal oder zweimal im Jahr auf Urlaub, um mich vom Stress des Alltags und des Arbeitslebens zu erholen.

       Ich bin ein gebildeter Mensch: Ich habe einen Schulabschluss, lese regelmäßig Zeitung und schaue mir im Fernsehen die Nachrichten an. Da passieren natürlich furchtbare Dinge auf der Welt. Das macht mich manchmal sehr wütend oder traurig. Aber um ehrlich zu sein: Was soll ich da machen? Was kann der Einzelne schon gegen all das furchtbare Leid tun?

       Da blättere ich dann schnell weiter zu den Schnäppchen im Diskonter. Das ist real: Wie viel kostet diese Woche meine Lieblingswurst oder die Joghurt, die ich so gern esse? Mein Bankkonto ist real: Bin ich im Minus oder geht es sich diesen Monat aus?

       Ich muss mich um mich selbst und um meine Familie kümmern! Damit habe ich schon genug zu tun! Das Leben ist hart und kompliziert und der Einzelne muss schauen, wo er bleibt. Ich brauche jetzt meinen Kaffee und eine Zigarette...

      

       Samra entdeckt die Stadt

      Die kleine Elfe Samra war eine Baumelfe. Viele tausend Jahre ist es her, dass sie – kaum als Elfenbaby geboren – wie alle Elfen in einen tiefen Schlaf versetzt wurde. Das Zeitalter der zivilisierten Menschen hatte begonnen und die Elfen mussten sich gedulden.

      Nun erwachte Samra in einer alten Birke am Rande eines Trampelpfades, der sich in der Nähe einer Stadt befand. Kurz nach ihrer Geburt eingeschlafen, wusste sie weder von der alten, noch von der neuen Welt. Aber neugierig wie sie war, wollte sie diese sofort erkunden. „Nanu, wo bin ich denn hier gelandet? Welches Baumjahr schreiben wir?“ Keine Antwort. Die Sonne schien und aus der Ferne dröhnte der Lärm der Stadt. Samra machte sich mit ihren kleinen runden Flügelchen auf den Weg. „Ich werde schon herausfinden, wie die Welt jetzt aussieht!“

      Das Erste, was sie erblickte, war ein großes buntes Schild, auf dem etwas geschrieben stand, das sie aber nicht lesen konnte. Darunter waren zwei Öffnungen im dazugehörigen Gebäude und nebenan mehrere aneinander gereihte Drahtgestelle. Viele Menschen drängten sich vor dem Haus, nahmen sich ein Drahtgestell und fuhren damit in eine der Öffnungen. Samra folgte ihnen wissbegierig. Erstaunt erblickte sie riesige Regale und Metallkörbe mit tausenden von bunten Dingen, die den Raum förmlich von unten bis oben ausfüllten. Die Menschen bewegten sich durch die zwischen den Regalen liegenden Gänge, nahmen einige der bunten Gegenstände heraus und legten sie in ihr Drahtgestell. Irgendwann, als sich darin ein Haufen gebildet hatte, stellten sich die Menschen in einer Schlange an und warteten. Sie legten alle Gegenstände auf ein schwarzes Band. Dann händigten sie einem Menschen, der hinter dem Band saß, papierene Scheine und kleine metallene Scheiben aus und nahmen wieder alle Gegenstände, um sie erneut in das Drahtgestell zu legen. Dann packten sie alles in Taschen und schleppten sie aus dem Gebäude.

      Samra folgte einer Frau bis hinaus.

      „Was tust du da?“

      „Ich habe eingekauft.“

      „Was bedeutet das?“

      „Naja, ich muss doch etwas essen, um zu leben.“

      „Verstehe, und hier gibt es Essen.“

      „Ja, das ist ein Supermarkt. Hier gibt es alles, was ich brauche.“

      „Das ist ja fabelhaft! So einfach!“

      „Ja, perfekt, ich muss nichts weiter tun, als hierher zu kommen und zu kaufen.“

      „Und woher kommt das ganze Essen?“

      „Ich weiß nicht, das steht glaube ich auf der Packung.“

      „Aha, und du musst Papier und Metall hergeben, damit du das Essen bekommst?“

      „Ja, ich muss mit Geld bezahlen, deshalb nutze ich Rabattaktionen und kaufe dort ein, wo die Sachen billig sind, also wo ich nicht viel bezahlen muss.“

      „Es gibt andere Orte, wo du mehr Geld hergeben musst?“

      „Ja, aber da gehe ich nicht hin, das ist mir wirklich zu teuer und ich bin doch nicht dumm!“

      „Was sind Rabattaktionen?“

      „Das sind kurze Zeitspannen, in denen gewisse Produkte billiger sind.“

      „Kurze Zeitspannen? Warum sind denn diese Produkte nicht immer so billig?“

      Die Frau zuckte mit den Schultern. Samra nahm eine der Packungen aus der Einkaufstasche der Frau und betrachtete sie. Sie glänzte knallgrün und hatte einen großen goldenen Schriftzug vorne drauf. Auf der Rückseite war die Schrift allerdings ganz klein gedruckt, so klein, dass selbst Elfenaugen sich beim Auseinanderhalten der Zeichen schwer taten.

      „Was ist das zum Beispiel?“

      „Das sind Kartoffelchips.“

      „Aha, und die brauchst du zum Leben.“

      „Ja... Viel mehr zum Fernsehen, da habe ich gerne etwas zum Knabbern, sonst wird mir langweilig.“

      Die Elfe verstand nicht und fragte umso eifriger weiter. Es musste doch möglich sein, die Welt der

      Menschen zu begreifen.

      „Und was ist da alles drin?“

      „Das weiß ich nicht, mir ist die Schrift immer zu klein, deshalb lese ich schon gar nicht mehr. Aber es werden vermutlich Kartoffeln, Fett und Salz sein.“

      „Hm…“

      Die Elfe fragte sich, warum man denn etwas auf eine Packung schrieb, wenn es dann zu klein war, um gelesen zu werden. Sie strengte sich an, kniff ihre Augen zusammen, aber verstehen konnte sie die Zeichen ohnehin nicht. „Da stehen viel mehr als nur drei Zutaten drauf…“

      „Ja, es kann schon sein, dass noch was für den Geschmack oder so dabei ist.“

      „Aha. Du scheinst nicht viel von dem zu wissen, was du isst.“

      „Ich weiß, was mir schmeckt und wie viel es kostet, das reicht mir.“

      „Hm... Dann danke ich dir für deine Auskunft! Habe einen schönen Tag!“

      „Bitte gerne.“