Birgid Windisch

Kurschattenwalzer


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Wortlaut des Schildes sogar.“

      Magda schauderte. „Nicht gut.“ Ben sah sie an. „Anne vermutete, dass der Mörder selbst bei der Zeitung angerufen haben könnte und sich dort als Zeuge ausgegeben hat.“ „Könnte tatsächlich sein“, meinte Magda langsam. „Wir suchen also einen größenwahnsinnigen Mörder, der mit seinen Taten protzen will und wahrscheinlich ein aufgeblasenes Ego hat.“ Ben nickte zustimmend, als Herbert mit dem Kaffee eintrat Er hatte auch eine Tasse für Ben mitgebracht und den Rest in eine Kanne gefüllt. „Für Eddie und Anne“, erklärte er Magda bereitwillig, als diese die Kanne fixierte.

      „Anne ist bei Susi“, klärte ihn Magda auf und Eddie und Freddy, weiß ich selber nicht. weißt du etwas Ben?“ Fragend sah sie ihren Kollegen an, der umgehend den Kopf schüttelte. „Ich glaube, sie wollten noch einmal den Tatort inspizieren“, murmelte Ben leise. „Irgendetwas störte Freddy auf einem seiner Bilder und Eddie fluchte nur und schon waren die beiden verschwunden. „Aha“, meinte Magda trocken. „Dann sei so gut und ruf bitte beim Odenwälder Journal an. Die sind dort sehr nett und können dir vielleicht etwas über den Anrufer sagen.“ „Gut, Chefin“, rief Ben laut und Magda begab sich an die Tafel, um noch einmal das gesamte Material zu sichten.

      N E U N

      Der schmächtige Mann, verließ aufgeregt seine karge Wohnung in Momart. Damals, vor vielen Jahren, war er, als sein Erfolg bei den Frauen allmählich nachgelassen hatte, bei seiner Schwester untergekommen. Diese hatte ihm zähneknirschend eine Souterrain-Wohnung im ehemaligen Elternhaus angeboten und er hatte gerne zugegriffen, weil er keine andere Möglichkeit hatte. Hier wohnte er umsonst, in den uralten Möbeln ihre beider Eltern und hatte zwar eine verwohnte Bude, aber wenigstens immer ein Dach über dem Kopf, was, seiner Ansicht nach, nicht zu unterschätzen war. Besonders bei solchem Wetter wie heute, wo der Regen wie Bindfäden vom Himmel fiel. Missmutig zog er seine alte, schwarze Regenjacke über seine Tanzmontur, um die seine Internetbekanntschaft ihn unbedingt gebeten hatte. Sogar ein aktuelles Bild in Tanzkleidung hatte sie haben wollen. Sein alter Kumpel Diethelm hatte ihm gern den Gefallen getan und ein Bild mit seinem Smartphone gemacht, für ein Bier und einen Schnaps. Er sah hinaus. Es war noch zu hell. Auch darum hatte die Dame gebeten. Er solle doch bitte bis nach der Dämmerung warten, bevor er in Momart losfuhr, damit es in Bad König auch ganz sicher dunkel war. Ein beklommenes Gefühl befiel ihn. Er schüttelte sich und betrachtete die Gänsehaut auf seinen Armen. Dann lachte er laut und steckte sein altes Smartphone ein. Damit konnte er sofort Hilfe rufen, wenn es nötig war. Er zuckte die Achseln, trat vor die Tür – so viel Dämmerung musste reichen – und ging zu seinem betagten Ford Escort, ohne daran zu denken, dass die Dame mit der tiefen Stimme ebenfalls gebeten hatte, niemandem zu sagen, wo er hinfuhr -auch nicht seiner Schwester - und dass ihm womöglich am Telefon gar nicht mehr genug Zeit bleiben würde, seinen Aufenthaltsort zu benennen.

      Auf dem Parkplatz unterhalb der Therme wollten sie sich treffen. Um diese Zeit würde er sicher menschenleer sein und niemand sie stören. Er redete sich ein, dass ihm das überhaupt nichts ausmachen würde und fuhr langsam los.

      Z E H N

      Das Geschöpf rieb sich voller Vorfreude die Hände. Es begutachtete sein Werkzeug und testete es an einen Blatt Papier, das es durchschnitt wie Butter. Bewundernd polierte es sein Arbeitsgerät, bis es sich darin spiegeln konnte, dann wickelte es das Messer in ein sauberes Geschirrhandtuch und packte seinen Picknickkorb mit einer Flasche Wein und gefüllten Eiern, in wasserdichter Plastikdose und Salzcrackern, ebenfalls in wasserdichter Dose verpackt. Dann fuhr es los, zum Treffpunkt, um sich mit seinem zweiten Tänzer zu treffen, dem schmalen Gottfried. Es warf einen Blick nach hinten, wo es ein Paar funkelnagelneue Tanzschuhe in einer Tüte verstaut hatte. Die würde es nachher auch mitnehmen. Das Geschöpf kicherte leise. Gottfried war etwas erstaunt gewesen, als es ihn gebeten hatte, seine alte Tanzkluft anzuziehen, hatte es aber dann geschluckt und sich bereit erklärt, darin zu erscheinen. Als es ihm vorgeschwärmt hatte, wie wunderschön er damals darin auf den alten Bildern ausgesehen hatte und dass sämtliche Damen in ihn verliebt gewesen seien, wie es sich hatte sagen lassen. „Diese Tanzkleidung macht einen ganz anderen Menschen aus dir, Gottfried“, hatte es gesagt und Gottfried hatte sich gnädig dazu herabgelassen, die Tanzkleidung zu tragen, die er zum Glück aufgehoben hatte. Nur Schuhe hatte er leider keine mehr gehabt, aber da hatte das Geschöpf sich zu helfen gewusst und ein neues Paar zuhause gefunden. Es musste ja nicht ganz genau passen, es würde die Füße von Gottfried schon hineinzubringen wissen. Ein böses Lächeln verzerrte seine Züge, dann war es auch schon am Parkplatz angekommen. Ein einziges Auto stand dort und es identifizierte es mühelos als die alte Schüssel von Gottfried. Das Geschöpf hielt gleich daneben an, stieg anmutig aus und winkte dem Schemen, den es hinter den angelaufenen Scheiben erkennen konnte, zierlich zu. Dann öffnete es den Kofferraum und nahm den schweren Korb heraus, mit den Picknicksachen und allem, was es sonst noch so benötigte, um den Abend abzurunden nach seinem Geschmack. Endlich stieg Gottfried aus und bemächtigte sich des Korbes. Unter seinem Gewicht ging er schier in die Knie und das Geschöpf sagte freundlich: „Komm lass uns den schweren Korb gemeinsam tragen, dann tut sich keiner weh!“ Der andere nickte mit verkniffenem Gesicht und versuchte das Geschöpf genauer ins Auge zu fassen, konnte es, obwohl es ihm irgendwie bekannt vorkam, jedoch sichtlich nicht einordnen. Sie liefen gemeinsam mit ihrer Last auf die Rückseite der Therme, wo sich das Außenbecken befand. Dort stiegen sie nacheinander über den Zaun, wobei es den armen Gottfried erst tüchtig ermutigen musste. Dann zog sich das Geschöpf aus bis auf ein Badekleidchen, streckte sich anmutig, um Gottfried ein wenig den Mund wässrig zu machen und zeigte seinen Trick, indem es den Rollladen über dem Außenbecken ein Stück vorschob und setzte sich auf den Beckenrand. Sanft glitt es ins Wasser, ließ sich von Gottfried den Korb zureichen und winkte ihm, er solle ihm folgen. Unschlüssig stand Gottfried eine Weile da, dann zog er seine Tanzkleidung aus, bis er in der Unterwäsche dastand. Wieso habe ich denn dann unbedingt die Tanzkleidung anziehen müssen?“, schoss es ihm unwirsch durch den Kopf. Das Geschöpf nahm sie ihm aus der Hand, tat sie in die Plastiktüte zu den Schuhen und bedeutete Gottfried, ihm ins Wasser zu folgen. Wiederum zögerte dieser und folgte schließlich doch noch, sichtlich widerwillig, nach. Mannomann, dachte das Geschöpf bei sich, ist der Gottfried ein erbärmliches Würstchen geworden!

      Als der andere ebenfalls im Wasser war, erklärte es ihm leise, dass sie jetzt unter der Folie, die das Wasser vor dem Auskühlen schützte, darunter durchtauchen müssten – dann nahm es den Korb vor sich und tauchte mit seiner Last, die es mit einer festen Plastiktüte wasserdicht verpackt hatte, unter der Folie durch, bis es sich im Innenbereich der Therme befand. Jetzt musste nur noch sein Opfer nachkommen, dann konnte das Spiel beginnen! Lächelnd sah es die Luftblasen aufsteigen und gleich darauf tauchte Gottfried hustend und spuckend vor ihm auf. Das Geschöpf lächelte. Wie schön! „Komm Gottfried“, sagte es sanft, „jetzt wollen wir einmal ein rechtes Abenteuer erleben und es uns erst einmal so richtig gut gehen lassen! Komm, wir stärken uns erst einmal mit Rotwein und Häppchen!“ Gottfried nickte mit schneeweißem Gesicht und ließ sich von ihm zu einem Tisch im Außenbereich der Cafeteria führen. „Jetzt kann der Tanz beginnen!“ Das Geschöpf lächelte, es konnte gar nicht wieder aufhören damit und wandte sich dem armen Gottfried zu. Wie arm er war, wusste dieser noch gar nicht, aber es würde nicht mehr lange dauern, bis er nicht mehr ganz so ahnungslos war. Auf diesen Moment freute sich das Geschöpf am allermeisten!

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