Ruth Broucq

Zweiter Sieger


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mein begeisterter Bericht. Erst nach einer Weile knurrte er: „Das heißt also du amüsierst dich am Wochenende in der Disco und ich hocke zu Hause und hüte die Kinder? Das ist aber kein Dauerzustand!“

      Ablehnend dementierte ich: „Wie bitte? Amüsieren? Ich arbeite, vergessen? Zu kellnern ist nicht amüsant, noch dazu wenn die Leute besoffen sind. Das dürftest du doch wohl wissen!“

      „Trotzdem scheiße! Ich eigne mich nicht zum Kindermädchen!“

      Mir schwoll der Kamm, ich zischte ärgerlich: „Erstens sind das auch deine Kinder und mich fragt auch niemand ob ich mich dazu eigene, aber ich bin das die ganze Woche. Zweitens bin ich jeden Abend alleine mit den Kindern wenn du mit deinen Kumpels in der Kellerbar feierst und an deinen Kegelabenden sowie –ausflügen bin ich auch Kindermädchen, du arbeitest aber nicht sondern amüsierst dich wirklich!“

      „Ach halt die Schnauze, blöde Kuh!“ schimpfte Robert und ging schlafen.

      Wo ist die Liebe geblieben? Diese Frage stellte ich mir des Öfteren.

      Rückendeckung

      Meine Schwiegermutter bestärkte mich in meiner Ansicht, sie meinte: „Der soll sich ja nicht wagen mich zu fragen ob ich nach den Kindern sehe, dem erzähle ich etwas anderes. Missverstehe mich bitte nicht, Ruth, aber der muss sich nicht amüsieren während du arbeitetest. Der Robert hat Vergnügen genug. Er soll froh sein, dass er eine so fleißige Frau hat, die versucht das Ganze geregelt zu kriegen und bei zwei Kindern noch mitarbeitet. Der Pappi ist sicher der gleichen Meinung und wird ihm das auch mal ganz deutlich sagen, da sorge ich für.“

      „Ist ja klar, hast dich mal wieder bei meiner Mutter ausgeheult und die hat mir den Alten auf den Hals gehetzt, danke! Blöde Pflaume, glaubst du das nützt dir was? Ich bin doch kein Kleinkind mehr, dass ich Angst vor dem Papa hab, nee!“ Musste ich mir zwei Tage später anhören, ausgerechnet kurz bevor ich meinen ersten Arbeitsbeginn antreten musste.

      Der Geschäftsführer stellte mich dem restlichen Personal vor.

      In der Disco Pferdestall gab es noch zwei weitere Kellner, ein junger Mann und eine junge Frau, und zwei Mädels hinter der Bar, von denen eine die Kellner-Ausgabe machte. Mit dem Rücken zur Theke hatte der DJ Frank seinen Platz etwas erhöht, er winkte mir von oben herab kurz zu. Im Gegensatz zu den Anderen schien Frank arrogant zu sein, denn die hatten mir die Hand gegeben und mich freundlich Willkommen geheißen. Ich hatte allerdings das Gefühl von meinen Kollegen etwas mitleidig angesehen zu werden, weil der Schlafwagen als Arbeitsbereich für Anfänger angesehen wurde. Das beste, also umsatzstärkste Revier bediente die Kollegin Andrea, die Freundin des Geschäftsführers. Klar, Protektion im Kleinen.

      Stefan, der männliche Kollege, erklärte mir kurz den Ablauf an der Getränkeausgabe und zeigte auf die Preisliste, die dort aushing.

      „Und einen guten Rat gebe ich dir, Ruth“, sagte er freundlich aber eindringlich, „immer direkt kassieren. Niemals warten, oder erst das zweite Getränk holen. Egal ob die meckern oder nicht, sonst sind die weg und du hast Manko in deiner Abrechnung. Du musst es dann bezahlen, und hast umsonst gearbeitet. Denn der Jäger zieht dir das gnadenlos ab!“

      Ich bedankte mich und wartete auf die ersten Gäste, neben der Ausgabe stehend.

      Allmählich füllte sich die Disco, aber die jungen Leute liefen alle an meinem Revier vorbei Richtung Tanzfläche.

      Ich musste wohl eine ziemlich enttäuschte Miene gemacht haben, denn Renate, die Barfrau, sprach mich an: „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Ruth, deine Gäste kommen noch, aber das sind die besseren Zahler. Sei froh, dass du nicht vorne an der Front arbeitest, die Kollegen rennen sich die Füße wund mit Cola und Bier. Du wirst heute noch genug zu schleppen kriegen, also genieße deine Pause vor dem Sturm.“

      Sie sollte Recht behalten. Weil sich das ältere Publikum in meinem Revier niederließ, machte ich einen mächtigen Umsatz, denn diese Gäste bestellten Longdrinks, Cocktails oder Sekt, also die teuren Getränke. Das jugendliche Publikum meiner Kollegen verzehrte Cola oder Bier, dementsprechend geringer war der Gewinn, sprich Umsatz, oder sie mussten sehr schnell richtig viel schleppen.

      Zu fortgeschrittener Stunde trafen die Besitzer ein. Horst Waldmann sah mich nachdenklich an, grunzte aber nur: „Aha, ne Neue? Schön! Freut mich!“ dann ging er zu dem reservierten Tisch gleich am Rande der Tanzfläche, ganz links, ziemlich abseits von den anderen Tischen. „Personal“ stand auf dem Messingschild welches die Reservierung auswies. Wie ich später erfuhr hätte darauf „Chef“ stehen müssen, denn niemand vom Haus durfte dort sitzen.

      Frau Waldmann hatte mich keines Blickes gewürdigt, dabei hatte sie mir, als wir uns Kennen lernten, mal einen Vortrag über freundlichen Umgang mit den Mitmenschen gehalten. Vermutlich waren Angestellte ausgeschlossen.

      Dumme Ziege, dachte ich nur.

      Leider musste ausgerechnet ich den Tisch der Besitzer sauber halten. Zwar brachte der Geschäftsführer den Herrschaften die Getränke und setzte sich dann dazu, aber Gläser bringen und abräumen, Aschenbecher leeren, wurde mir aufgetragen. Und die qualmten wie die Schornsteine.

      Erst kurz vor Feierabend schien der Chef meine Anwesenheit zu bemerken, denn er sprach mich plötzlich an: „Und wie gefällt es dir bei uns, junge Frau?“

      „Bis jetzt hab ich nichts auszusetzen!“ antwortete ich kess.

      „Dann gib mal deinen Einstand“, forderte Herr Waldmann. „Was ich trinke weißt du ja, Bourbon!“

      Ich stutzte kurz, war im ersten Moment verunsichert, dann reagierte ich schnoddrig: „Ein guter Witz, Chef. Du hast mehr Geld als ich, also solltest du mir mal zum Einstand einen Drink ausgeben!“

      Ohne auf eine Antwort zu warten, wendete ich mich ab und ging in Richtung Schlafwagen. Mit ab- und aufräumen meines Reviers reagierte ich meinen Ärger ab. So ein Affe, dachte ich. Was diese Leute sich denken, erst tun sie so als würden sie mich nicht kennen, und dann will der Kerl auch noch ein Getränk schnorren. Geld scheint den Charakter zu verderben.

      Als ich meinen Umsatz errechnete war ich freudig überrascht, denn mit dieser Höhe hatte ich nicht gerechnet, auch das Trinkgeld war recht üppig. Allerdings wurde meine Freude sofort wieder gedämpft, weil bei der Abrechnung von den verdienten fünfzehn Prozent ein Teil wieder abgezogen wurde. „Das stimmt doch nicht“, reklamierte ich direkt. „Das sind ja nur zehn Prozent. Wieso das denn?“

      Harald Jäger erklärte: „Aber du musst doch Sozialabgaben zahlen, ist dir das nicht klar? Deshalb halten wir einen Teil zur Sicherheit fest, wenn du deine Arbeitspapiere abgegeben hast, machen wir monatlich die richtige Abrechnung.“

      Dagegen hatte ich kein Argument. Immerhin hatte ich selbst mit der gekürzten Summe noch sehr gut verdient, denn das Trinkgeld trug dazu bei. Froh und glücklich fuhr ich mit dem ersten Bus nach Hause.

      „Na, schöne Nacht gehabt? Hast du dich gut amüsiert im Pferdestall?“ wurde ich von meinem Ehemann begrüßt als ich nach Hause kam.

      „Bist du bescheuert? Kellnern hat nichts mit amüsieren zu tun! Ich habe malocht wie ein Berserker. Hast du schlecht geschlafen oder wie?“ entgegnete ich verärgert.

      Nachdem ich den Kindern Frühstück gemacht hatte, wurde mir erst mein neues Problem bewusst. Wann sollte ich schlafen? Ich war todmüde, deshalb bat ich meinen Mann: „Kümmerst du dich bitte um die Kinder? Ich muss jetzt erst mal schlafen!“

      Aber Robert wollte auch aus dem Haus, er widersprach: „Nein, das kann ich nicht. Ich habe noch zu arbeiten. Um die Kinder musst du dich selbst kümmern, kannst dich ja heute Nachmittag hinlegen. Ich gehe gleich!“

      Ich protestierte energisch: „Nein, Robert, das schaffe ich nicht! Du wolltest unbedingt dass ich mir eine Arbeit suche, das habe ich nun. Nach so einer schweren Arbeit, noch dazu die ganze Nacht, kann ich nicht noch bis Mittag aufbleiben. Nimm die Kinder mit, aber jetzt bist du mit der Beaufsichtigung dran!“

      „Aber das geht nicht, ich muss noch Kundenbesuche machen.“