verstanden."
"Gut, dann solltest du die Chance nutzen und dich endlich mal wieder verlieben."
Ich merke durch das Handy, dass er die Augen verdreht. "Ist ja gut, ich überlege es mir."
Dad hat nach meiner Mutter keine Frau mehr an seine Seite herangelassen. Als ich noch klein war, habe ich ihn immer gefragt, wieso er sich keine Frau sucht und er meinte, dass er seine 'Prinzessin' noch nicht gefunden hat. Mit den Jahren merkte ich immer wieder, dass er einzig und allein Angst hat, noch einmal so verletzt zu werden, wie damals von Mum. Ich meine, er ist wirklich - für sein Alter - noch ein gutaussehender Mann und ich kenne auch viele Frauen, die sich oft verzweifelt an ihn rangemacht haben. Sogar meine Mathelehrerin aus der Grundschule hat sich damals Hals über Kopf in ihn verliebt, aber er hat ihnen jedes Mal nach ein paar Wochen gesagt, dass er für Beziehungen nicht bereit sei und blieb am Ende jedes Mal wieder allein.
"Ich weiß, dass du es nicht tust, aber das solltest du wirklich machen", sage ich.
"Schatz, ich muss jetzt wieder auflegen. Oma und Opa kommen gleich zu Besuch und mir verbrennt sonst die Lasagne im Ofen. Aber es freut mich, dass du Freunde gefunden hast."
"Ist gut, Dad. Grüß die beiden von mir. Ich hab dich lieb!"
"Dito."
Kapitel 10
Sofort muss ich an Aiden denken und wie aufregend die letzte Nacht war. Ich frage mich, was er heute macht. Ich würde ihn unheimlich gerne wieder sehen, aber wahrscheinlich wäre das viel zu aufdringlich und er würde mich als nervig abstempeln.
Ich schaue nach links und wundere mich schon gar nicht mehr, dass Aby nicht da ist. Mir fällt erst jetzt auf, dass ich gar nicht ihre Handynummer habe, um sie mal anzurufen und zu fragen, ob alles in Ordnung ist. Ich muss sie auf jeden Fall danach fragen, wenn sie wieder da ist.
Verloren scrolle ich durch all meine Kontakte, die größtenteils aus Familienmitgliedern bestehen. Und jetzt auch aus Aiden. Sofort wird mein Grinsen breiter. Was macht er nur mit mir?
Ich beschließe, mir Als wir unendlich waren zu schnappen und August noch einmal beim Lieben zuzusehen. Ich komme bei jedem Kapitel nicht drum herum, August mit Aiden zu vergleichen, denn in gewisser Art und Weise sind sie sich manchmal ähnlich. Sie haben den gleichen Humor und ich muss mir jedes Mal vorstellen, wie Aiden diese Dinge sagt, die August im Buch sagt.
Als ich bei Seite 189 angekommen bin, öffnet sich die Zimmertür und Aby kommt herein getrottet. Sie sieht heute gar nicht aus wie immer. Sie sieht irgendwie traurig aus.
"Aby, alles okay?", frage ich sie und lege das Buch beiseite.
Aby lässt sich auf ihr Bett fallen, starrt auf den Boden und schüttelt nur mit dem Kopf.
Sofort setze ich mich neben sie. "Was ist passiert?"
Dann verzieht sie ihr Gesicht und sie fängt an, laut zu schluchzen und sich an mir festzuhalten. Ich bin ein wenig überrumpelt und weiß nicht, was ich tun soll, streiche ihr dann aber langsam mit der Hand über den Rücken. Aby heult so laut, dass ich Angst habe, dass es jemand auf dem Flur hören könnte und vermuten könnte, dass ich sie gerade umbringen will. "Er hat Schl-uss ge-gemacht", heult sie.
Jetzt erinnert mich diese Szene an Scar. Sie hat auch oft geweint, wenn ihre Freunde Schluss gemacht oder sogar sie selber Schluss gemacht hat. Bis heute weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll.
"Wieso?", frage ich und streiche ihr immer noch über den Rücken.
"Er meinte", schluchzt Aby, richtet sich auf und wischt sich nicht gerade mädchenhaft mit ihrem Handrücken über die Nase. "Dass er es sich n-nicht leisten kann, seinen J-Job zu verlieren."
"O." Mehr kann ich dazu nicht sagen. Eigentlich hat er doch Recht. Es ist wirklich extrem gefährlich, als Lehrer eine Affäre mit einer Schülerin einzugehen. Das war schon immer so und wird es wahrscheinlich auch immer bleiben.
"Aber er sagte doch, dass er mich liebt!", schreit Aby jetzt und steht aufgebracht auf. "Er hat es ständig gesagt und ich habe es auch ständig gesagt! So etwas tut man doch eigentlich nur, wenn man es komplett ernst mit einer Beziehung meint!" Sie fährt sich aufgebracht durch die blonden Haare.
Sie haben sich schon nach nicht einmal einer Woche gesagt, dass sie sich lieben? Aus Erfahrung mit Scar weiß ich, dass ich nun lieber still sein sollte, denn ich habe es nur noch schlimmer gemacht, wenn ich ihr meine Meinung präsentiert habe.
Ich nicke nur und höre Aby weiter zu.
"Rave, jetzt mal ernsthaft, so etwas tut man doch nicht!" Aufgebracht geht sie von links nach rechts. Wow, anscheinend gibt es diese Stadien der Trauer wirklich. Wir sind jetzt in nicht einmal zwei Minuten von Verzweiflung zu Wut gewechselt. "Ernsthaft, Cam ist so ein Arschloch! Ich sollte ihn anrufen und ihm die Meinung geigen!" Sie zieht ihr Handy aus ihrer Hosentasche und tippt darauf herum.
Ich handle sofort und ziehe es ihr aus der Hand. „Wow, wow, wow, ganz ruhig, Aby. Das ist keine gute Idee."
"Doch ist es!" Sie will wieder nach ihrem Handy greifen, doch ich bin schneller. "Rave, gib es mir wieder her!" Ihr kommen die Tränen und sie lässt sich erschöpft aufs Bett fallen. "Er ist einfach so ein Arschloch! Ein Hurenbock, ein Wichser, ein Schlappschwanz, ein -"
"Okay, Aby, ich hab verstanden, dass du sehr, sehr wütend auf ihn bist. Aber ihn jetzt anzurufen und anzubrüllen ist wahrscheinlich das schlechteste, das du gerade tun kannst. Du darfst nicht vergessen, dass er immer noch dein Lehrer ist."
"Ach ja? Als er mit mir geschlafen hat, hat ihn das auch nicht interessiert!"
Ich schnappe erschrocken nach Luft. An diese Offenheit muss ich mich erst gewöhnen. Ich sehe sie nur sprachlos an.
"Rave, ich hab eine Idee." Entschlossen wischt sie sich eine Krokodils Träne von der Wange. "Wir rufen die anderen zusammen und unternehmen etwas. Ich brauche unbedingt Ablenkung."
"Ähm, klar, von mir aus. Wen meinst du denn alles?"
"Noah, Leon, Lucas, Aiden und noch jemand, den du noch nicht kennst. Joe", erklärt sie und ich reiche ihr ihr Handy.
Innerlich macht mein Herz Luftsprünge, weil ich weiß, dass ich Aiden heute vielleicht nochmal sehen werde. Nur bei Noah bin ich mir noch nicht ganz sicher, ob ich mich freuen soll. Er sah beim letzten Mal echt sauer aus, als er mich mit Aiden gesehen hat.
Aber eigentlich hat er keinen Grund eifersüchtig zu sein und ich habe keinen Grund ihn nicht leiden zu können. Bis auf die Tatsache, dass er kifft, sprechen alle seine Charaktereigenschaften für ihn.
"Kannst du Aiden vielleicht schon mal anrufen und ich rufe solange die anderen an?", fragt Aby mit gebrochener Miene.
Ich nicke und hole mein Handy. Es tutet zweimal und dann nimmt Aiden ab.
"Raven?", ruft er in die Leitung. Im Hintergrund sind laute Geräusche.
"Aiden?", rufe ich zurück und grinse. Aby sieht mich komisch an.
"Sekunde!" Es raschelt einmal kurz laut. "Besser?" Die Hintergrundgeräusche sind jetzt leiser und ich höre ihn besser.
"Ja, besser. Was war das?" Mein Grinsen ist viel zu breit dafür, dass ich nur mit einem Freund rede.
"Ich fahre gerade Auto und du warst auf Lautsprecher. Bin aber jetzt - dem Gesetz zu Liebe - links rangefahren."
"Vorbildlich."
Aby fängt jetzt auch an zu telefonieren und weint sich am Telefon gerade bei irgendwem aus.
"Erlegst du gerade ein Tier?" Aiden lacht.
Ich gebe Aby zu verstehen, dass ich auf den Flur gehen werde und verlasse das Zimmer.
“Aby weint", erkläre ich und schließe die Tür hinter mir.
"Lass mich raten. Ihr Mister Mathematiker hat sie verlassen."
"Du weißt es?", frage ich erschrocken. Wem hat