Wolfgang Metz

Notwendige Unruhe: Über Kirche, Sexualität und Freiheit


Скачать книгу

Über das Bleiben

       Nähe und Distanz

       Es geht nicht einfach alles weg …

       Über das zweite Mal …

       Es ist ein Anfang: Die Sache mit der Veränderung und der Wandelung

       IV. Unterwegs bleiben

       pilgerweg

       Mary, did you know …

       Wachgeküsst werden

       Es geht abwärts

       Über den Petersplatz und pfingstliche Vielfalt

       Die Kirche und das manchmal leidige Thema, Priester zu sein (Teil II)

       Heimkommen

       WochenendSenfkornmomenteTagebuch (Mk 4,26–34)

       Und fast zum Schluss: Über die Freiheit

       Worte nach den Worten

       Früher war alles besser … (Teil II)

       Und zu guter Letzt: DANKE

       Das wirklich letzte Wort

       Frühstücksszenen eines Bildungshauses oder: Nicht das Vielwissen sättigt die Seele

      Eine Frau sieht mich mit Priesterkragen.

      So, wie sie mich anspricht, weiß sie ganz genau, was meine kirchenpolitischen Spielwiesen sind und wie ich ticke.

      Ein Mann am Tisch erzählt, dass er nicht gegen Corona geimpft ist. Jemand legt daraufhin sofort los, weil er genau weiß, warum das Gegenüber es nicht ist, und erklärt, wie asozial doch solche Impfgegner sind.

      Dann kommt noch das Thema Afghanistan auf den Tisch und alle wissen, warum es dort gerade so ist, wie es ist, und dass nichts davon irgendjemand überrascht.

      Wir kennen uns aus.

      Wir wissen vieles.

      Wissen ist etwas Gutes und Wertvolles.

      Aber leider wissen wir nicht alles.

      Ich denke, ich weiß einiges …

      … und jede:r andere auch.

      Jede:r für sich. Jede:r für sich weiß, wie Kirche und Gott und Welt sein sollten.

      Jede:r weiß, was aktuell die Kirche wirklich

      weiterbringen würde.

      Jede:r weiß vor der Wahl, wer am besten nicht

      Bundeskanzler:in werden soll.

      Jede:r hat sich, wenn es in Afghanistan rumort hat, quasi gestern locker-flockig mit nem Taliban auf einen Kaffee getroffen und könnte den Konflikt heute beenden.

      Wenn wir nur auf all diese Menschen hören würden!

      Wenn nur irgendjemand endlich mich fragen würde!

      Denn ich weiß sehr gut, was richtig und was falsch ist!

      Nur leider fragt mich niemand …

      Mir gefallen in diesem Zusammenhang die Evangelien, wo

      Jesus Menschen zur Seite nimmt und heilt (z.B. Mk 7,31–37).

      Dort geht es nämlich nicht um richtig und falsch,

      um Wissen und Nichtwissen,

      sondern erst einmal um Wahrnehmung.

      Die beschriebenen Menschen sind nämlich meist genau darin eingeschränkt.

      Eines glaube ich zu wissen:

      Viele sollten sich in ihrer schrägen und eingeschränkten

      Wahrnehmung auch mal zur Seite nehmen lassen.

      Und eines weiß ich ganz sicher:

      Erst einmal muss ich mich selbst zur Seite nehmen lassen,

      um dadurch mehr zu hören,

      wahrscheinlich auch mehr zu sehen,

      und um im Umgang mit meinen Mitmenschen

      weiter, weiser und hoffentlich liebevoller zu werden.

       Worte vor den Worten

      »Ich bin es so leid, mir im Beichtstuhl private Dinge aus dem Bereich der Sexualität anzuhören und gleichzeitig miterleben zu müssen, wie sich Menschen dabei kasteien und schämen, und ich mir allzu oft dabei denke, nein, davon überzeugt bin, dass Gott nichts Falsches daran sieht und sich diese Menschen ihr Leben nur schwermachen, weil wir (die Kirche) ihnen diesen Mist eingetrichtert haben, dass Sex vor der Ehe, Masturbation oder alles außer Heterosexualität böse ist.«

      Mit diesen Worten in den sozialen Netzwerken hat für mich einiges begonnen. Ich habe angefangen, regelmäßig, öffentlich und offen über meinen Glauben, tagtägliche Erfahrungen, Kirche und auch über meinen Dienst und mein Leben als katholischer Priester nachzudenken, darüber zu schreiben und auch dazu Fragen zu stellen.

      Nicht, weil ich mehr wüsste als andere.

      Auch nicht, weil ich glaube, fertige Antworten zu haben.

      Und ich schrieb und schreibe solche Worte erst recht nicht,

      weil ich frustriert bin,

      sondern ganz im Gegenteil,

      weil ich wahnsinnig gerne in dieser katholischen Kirche arbeite und weil ich immer noch wahnsinnig gerne Priester bin,

      weil ich in den vergangenen Jahrzehnten genau in dieser Kirche verschiedenste Menschen erleben durfte, die mir Freiräume aufgezeigt und gelassen haben, Gott und mich zu entdecken. Deswegen bin ich auch Priester geworden, um andere Menschen genau in dieser Freiheit begleiten zu dürfen, diese feiern zu dürfen und manchmal auch aushalten zu müssen.

      Und das gilt rigoros für alle Lebensbereiche,

      für das Morgengebet und das Abendessen,

      für die Alltagsarbeit und die Sexualität,

      für das Alleinsein und das Rockkonzert.

      Ich bin es leid, dass Kirche und Glaube für viele Menschen mehr Regel und Gefängnis bedeutet als Freiheit und Frohbotschaft, denn Letzteres durfte und darf ich selbst erfahren und möchte genau das auch weitergeben.