«SOS» aufgemalt. Sie beobachtet die Sonne und lenkt das Boot so, dass es sich von der Küste Saudi-Arabiens entfernen sollte, denn das wäre das Schlimmste was ihr passieren könnte, wenn sie in Saudi-Arabien stranden würde, dann wäre alles aus!
Nun sitzt sie im Boot und betrachtet das Segel, mehr kann sie nicht tun. Natürlich sucht sie regelmässig den Horizont ab, ob ein Schiff zu erkennen ist, doch da sind keine Schiffe. Elin hat ihr erklärt, dass es sicher einige Tage braucht, bis sie in den Bereich von Schifffahrtsrouten kommt. Im Moment ist es besser, wenn keine Schiffe auftauchen, es währen mit grosser Sicherheit, arabische Fischer und denen müsste sie ausweichen, was allerdings schwierig würde.
Welches Schiff auf der internationalen Schiffsroute zum Suezkanal sie schlussendlich aufnimmt, spiel keine Rolle, da soll sie das erstbeste Schiff anhalten, wenn das überhaupt geht.
Sie sitzt schon stundenlang im Boot. Ab und zu döst sie ein, die restliche Zeit hängt sie ihren Gedanken nach. Sie durchlebt nochmals ihre Erinnerungen. Als kleines Mädchen hatte sie es noch gut. Sie hatten nicht viel und mussten ihrer Mutter zur Hand gehen. Doch das empfand sie nicht als Arbeit. Dazwischen konnte sie mit anderen Mädchen im kleinen Dorf spielen. Natürlich merkte sie, dass ihr Bruder Elin vom Vater mehr beachtet wurde, aber sie kannte nichts anderes.
Ab dem 12. Geburtstag war es vorbei. Die Eltern sperrten sie in ihr Zimmer ein. Als sie fragte warum, hiess es: «Das schreibt der Koran vor.»
Inzwischen weiss sie, dass es mit ihrem Wandel vom Kind zur Frau zu tun hat. Für sie war es ein gravierender Einschnitt in ihr Leben. Sie langeweilte sich zu Tode. Nur wenn die Familie zuhause war, durfte sie in den Wohnraum und in die Küche, wo sie Mutter beim Kochen helfen musste.
Nach zwei Monaten wagt sie den Computer von Elin einzuschalten. Zum Aufladen steckte der den Laptop in ihrem Zimmer ein. Keiner der Familie konnte sich vorstellen, dass Masa sich mit dem Ding beschäftigen könnte. Als sie bemerkte, dass der Laptop immer in ihrem Zimmer aufgeladen wird, achtet sie darauf, wie Elin es bediente. Es brauchte einige Zeit, doch dann konnte sie mit dem Gerät umgehen. Als Erstes lernte sie einige Worte englisch. Das Übersetzungsprogramm hatte sie schnell begriffen.
Sie wagt es nur, die Seiten anzuklicken, welche Elin aufrief. Doch bereits da öffnet sich für Masa eine völlig neue Welt. Nun konnte sie die Stunden, welche sie allein in ihrem Zimmer verbringen musste, gut nützen. Der Hund des Nachbars warnte sie rechtzeitig, so dass sie sich ausloggen konnte. Sie sieht, wie andere junge Frauen leben. Die haben keine Einschränkungen. Warum können die jungen Frauen in Europa und Amerika, das Leben geniessen und Frauen unter der Knute des Islam, werden eingesperrt, das ist einfach ungerecht.
Nachdem sie nach einem Nickerchen aufwacht, beschliesst sie, nur noch in englischer Sprache zu denken. Für sie kennt die Arabische Sprache, nebst dem alltäglichen Umgang, eh nur die endlosen Suren, welche sie immer wieder zitieren muss. Inzwischen weiss sie, dass das zur Kontrolle der Bevölkerung dient. Alle sollen gleichgeschaltet werden, so können sie leichter kontrolliert werden. Sie hasst alles was mit Saudi-Arabien zu tun hat.
Leider kann sie ihren Wortschatz in englischer Sprache momentan nicht erweitern, aber die wenigen Worte die sie kennt, will Masa beherrschen. Sie hat keinen Vergleich, wie ihr Englisch tönt, aber das spielt momentan keine Rolle. Ob ihr je wieder jemand zuhören wird, steht noch nicht fest. Weit und breit keine Schiffe in Sicht. Vielleicht muss sie auf dem Boot sterben, das ist durchaus möglich, aber immer noch besser als die Peitschenhiebe. Was wird dann? Wird sie zu einer der tausend Jungfrauen, welche den Märtyrer zustehen, welche für ihren Glauben sterben? Mit dieser Vorstellung hat sie ein Problem, was sollen die mit ihr anfangen? Zumindest die, welche sich mit einer Bombe in die Luft jagten. Die dürften ein Problem haben, sie zu benutzen.
Ihre Gedanken zum Tod sind überflüssig. Es kommt, wie es kommt. Sie kann es nicht mehr beeinflussen. Nach dem Koran gibt es im Jenseits so oder so nur ein Paradies für Männer. Frauen sind da ausgeschlossen, was mit ihnen geschieht, interessierte die Männer, welche den Koran schrieben, nicht. Die sind eine unbedeutende Nebenerscheinung.
Inzwischen hat sie jedes Zeitgefühl verloren. Sie weiss nicht mehr, wie lange sie im Boot auf dem Meer treibt. Langsam gehen ihr die Vorräte aus. Sie darf nur noch geringe Mengen essen und vor allem trinken, denn der Wasserkanister ist beinahe leer. Die Zeit, in welcher sie dösend, um nicht zu sagen bewusstlos im Boot liegt, wird immer länger. Noch beobachtet sie in den Wachphasen den Horizont und sucht ihn nach Schiffen ab, aber da ist nur Wasser. Dann schläft sie wieder ein, immer mit dem Bewusstsein, dass es das Letzte ist welches sie wahrnimmt, bevor sie für immer einschläft.
Als sie wieder einmal aufwacht, erkennt sie ein Gesicht, welches sich über sie beugt. Beim zweiten Blick stellt sie fest, dass es ein Mann ist. Noch kann sie ihre Situation nicht einschätzen, wo ist sie? Auf jeden Fall ist sie noch am Leben, ihr Leben wird weiter gehen. Nur wie, das steht noch nicht fest.
Der Mann wischt ihr das Gesicht mit einem nassen Lappen ab. Als er bemerkt, dass sie zu sich kommt, flösst er ihr etwas Suppe ein. Dankbar schlürft Masa die Suppe. Ein Grossteil läuft ihr über das Kinn. Der Mann tupft die Tropfen mit einem Tuch weg. Er will sie ins Leben zurückholen. Es reicht nur zu wenigen Löffel Suppe, dann schläft Masa wieder ein.
Noch einige Male erwacht Masa und bemerkt, dass sich jemand um sie kümmert. Ob es immer derselbe Mann ist, kann sie nicht feststellen, sie ist noch zu schwach. Doch langsam erholt sie sich soweit, dass sie wieder zu Denken beginnt. Sie ist gespannt auf ihr zweites Leben.
Als sie wieder einmal aufwacht, bemerkt sie, dass sich niemand sonst im Zimmer aufhält. Verwundert stellt sie fest, dass sie nackt im Bett liegt. Es gibt keine Decke mit der sie sich bedecken könnte. Auf einem Tisch neben dem Bett steht eine Schale mit Reis. Sie löffelt die Schale leer und schläft wieder ein. Langsam kommt sie wieder zu Kräften. Da sie dem Mann nicht traut, spielt sie, wenn der Mann ins Zimmer tritt, weiter die Erschöpfte.
Als der Mann ihr die nächste Schale mit Reis bringt, stellt sie sich weiterschlafend und horcht, was nun geschieht. Sie spürt, wie der Mann ihren Busen streichelt. Dass er dabei mit seinem Schwanz spielt, schliesst sie aus den Geräuschen und dem Wippen des Betts. Sie wagt es nicht, die Augen zu öffnen.
Schon nach kurzer Zeit spürt sie, dass etwas Warmes auf ihren Bauch. Masa zwingt sich ruhig zu bleiben. Kurz darauf wischt der Mann sie mit einem nassen Lappen ab, dann verlässt er schnell den Raum.
Muss sie so dafür bezahlen, dass sie zu essen bekommt? Wenigstens ist sie am Leben. Sie ist dem, oder den Männern ausgeliefert. Das ist die harte Wirklichkeit, denn wenn sie Masa über Bord werfen, würde das niemand bemerken. Sie ist nur froh, dass sie weiter die Schwache gespielt hat. Wer weiss, auf was für Ideen, der oder die Männer sonst noch gekommen wären. Sie muss also das Spiel weiterspielen, das ist ihre einzige Chance. Doch irgendwann, wird das Schiff einen Hafen anlaufen, dann muss sie bereit sein.
Noch einige Male erhält sie das Essen auf gleiche Weise serviert. Da sie nicht hinschauen kann, weiss sie immer noch nicht, ob es immer der gleiche Mann ist. Da sie die Berührungen unterschiedlich wahrnimmt, geht sie davon aus, dass die Männer abwechseln.
Inzwischen kann sie die Zeit, zwischen den Männerbesuchen abschätzen. Es hat sich ein Rhythmus eingespielt, der vermutlich vom Essen bestimmt wird. Masa riskiert jetzt, die unbeobachtete Zeit zu nutzen und durchsucht ihre Kabine. Diese hat nebst dem Bett, einen Schrank und ein Bullauge. Der Blick durchs Bullauge bringt nichts neues, nur Meer, soweit das Auge reicht. Interessanter ist der Schrank. In diesem findet sie ihre Kleidung, schön zusammengefaltet. Das reicht ihr, sie legt sich wieder aufs Bett.
Bei der nächsten männerlosen Zeit, beschäftigt sie sich mit dem Bullauge. Es lässt sich öffnen und ist gross genug, dass sie durchschlüpfen kann. Nur ein Sprung ins Meer ist momentan nicht sinnvoll, aber wenn sie einen Hafen anlaufen, ergibt sich vielleicht eine Möglichkeit zu fliehen.
Bereits zwei Tage später bemerkt sie, dass immer öfter andere Schiffe auftauchen. Noch wagt sie es nicht, durchs Bullauge zu flüchten. Doch sie bereitet sich vor. Sie schläft möglichst viel und isst so viel wie möglich. Dann verlangsamt das Schiff die Geschwindigkeit. Ihr Bullauge erlaubt ihr einen Blick über den Hafen. Die Anlegestelle ist auf der anderen Seite.