Gabriella Gruber

ChessPlanet - Edahcor's Geheimnis


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Mal, wenn du mich siehst. Was hat das für einen Grund?« Ich halte kurz inne und rutsche ein wenig näher an Talika heran. »Es wirkt fast so, als würdest du auf ihn stehen.«

      Talika lacht ertappt und winkt ab. »Ich bitte dich, Anyta, mach dich doch nicht lächerlich.«

      »Dafür, dass er dir egal ist, spukt er aber ganz schön oft in deinem Kopf herum.« Ich rücke von Talika ab, um mich auf den Steg zu setzen und die Beine schon etwas zu kühlen, bevor mein restlicher Körper ihnen ins kalte Wasser des Sees folgt.

      Und ich will Talika eine Gelegenheit geben, über meine Worte nachzudenken.

      

      

       RENKO

       Schon wieder kann ich meinen Blick nicht von Anyta abwenden. Sie trägt einen Bikini in leuchtendem Orange und ihr langer brauner Zopf, den sie seitlich über die linke Schulter trägt, lässt ihr blasses Gesicht schmal wirken.

      Während sie mit Talika plaudert, sieht sie immer wieder mal zu uns herüber und lächelt mich an. Dabei leuchten ihre strahlend blauen Augen genauso intensiv wie das Wasser um uns herum.

      Emilian stupst mich an und reißt mich somit aus meinen Gedanken. »Pass auf, du sabberst«, flüstert er kichernd.

      Ich lache verlegen und versuche, mich abzuwenden und an etwas anderes zu denken.

      Anyta hat sich inzwischen auf den Steg gesetzt und schwenkt ihre Beine im Wasser hin und her. Sie fängt meinen Blick auf und lächelt mir zu.

      Ich fasse mir ein Herz und winke sie zu uns.

      Sie versteht meine Geste sofort und steht wenige Herzschläge später direkt vor uns auf dem Steg. »Na ihr zwei? Glaubt ihr, Samuel springt heute noch?« Sie sieht zu Samuel hoch, der noch immer auf dem Felsen steht und das Wasser voller Ehrfurcht beobachtet.

      »Traust du dich etwa nicht?«, fragt Emilian den sonst so prahlerischen Jungen.

      Ehe ich auch noch meinen Senf dazu geben kann, erwischt mich eine Wasserfontäne.

      Samuel ist tatsächlich gesprungen und taucht zitternd neben uns hoch. »Ihr hättet mir ruhig sagen können, dass das Wasser so kalt ist.«

      »Nachdem du so lange da oben auf dem Felsen gestanden bist, war das ja kein Wunder«, antwortet Emilian belustigt.

      Ich will auch gerade etwas zu dieser Konversation beitragen, doch jemand umarmt mich schwungvoll von hinten. Ich spüre, wie sie ihren Kopf ganz fest an meinen Rücken drückt.

      »Anyta, was machst du denn da?«, frage ich lachend.

      Sie kichert auf eine so süße Weise, dass ich sie am liebsten selbst umarmen und nie wieder loslassen will. Mein ganzer Körper kribbelt an den Stellen, an denen sie mich berührt, und darüber hinaus.

      »Habe ich dich überrascht?«, fragt sie nur, lässt mich los und schwimmt vor mich hin.

      »K-kein bisschen«, antworte ich unsicher und bekomme ein zärtliches Lächeln von ihr geschenkt. Empfindet sie etwa genauso wie ich?

      »Und warum zitterst du dann so?«, fragt sie neckend und rückt noch näher an mich heran.

      Unsere Lippen sind sich so nah wie noch nie. Mein Mund wird ganz trocken und ich bemerke den Frosch, der es sich in meinem Hals bequem gemacht hat. Kommt dieser etwa aus dem See?

      Eine Gänsehaut kriecht über meinen Körper. Am liebsten möchte ich sie an mich ziehen und küssen.

      Aber das traue ich mich nicht. Nicht hier. Nicht jetzt. Ich habe Angst, alles zu verlieren, was wir uns über viele Jahre hinweg aufgebaut haben. Ich habe Angst, unsere Freundschaft könnte wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen, wenn ich meine Lippen auf ihre presse. Und noch dazu vor allen anderen! Ich finde, unser erster Kuss sollte etwas ganz Besonderes werden. Etwas, wovon wir noch unseren Enkeln mit glitzernden Augen erzählen werden. Ist dafür ein Treffen am See schon ausreichend?

      Ehe ich weiter darüber nachdenken kann, bespritzt Anyta mich mit Wasser. Ich setze zum Kontern an und auch Samuel schließt sich uns an. Im Nu veranstalten wir eine Wasserschlacht zu dritt.

      Talika rutscht sicherheitshalber noch weiter vom Ufer weg und Emilian steht am anderen Ende und beobachtet das Direktorenhaus.

       EMILIAN

      

      Während ich die Wasserschlacht beobachte und selber aufpasse, nicht auch noch eines ihrer Opfer zu werden, läuten aus der Ferne die Turmglocken des Direktorenhauses. Ist es etwa schon 17 Uhr? Aber als ich auf das Ziffernblatt des Turmes sehe, stelle ich fest, dass es noch eine halbe Stunde bis dahin dauert.

      Das Direktorenhaus leuchtet in hellen Ockertönen und die Glasfenster mit ihren schönen bunten Mustern strahlen mir farbenfroh entgegen.

      Eine Bewegung stört das friedliche Bild und ich kneife die Augen zusammen. Ein Mann mit roten Korkenzieherlocken läuft wie verrückt um das Gebäude herum.

      »Ist das nicht Herr Kerkov?«, frage ich in die Runde.

      Samuel hält inne mit dem Wasserspiel. »Ja, was macht er denn da?«

      »Keine Ahnung«, sage ich kopfschüttelnd.

      Ein Rascheln lässt mich herumfahren.

      Ein Blick zu den anderen verrät mir, dass es außer mir niemand bemerkt hat. Aber meine innere Stimme lässt nicht locker und ich schwimme zur anderen Uferseite.

      Beim Holzzaun außerhalb des Wassers angekommen, versuche ich, einen Blick über die dichte Hecke zu erhaschen und muss mich auf die Zehenspitzen stellen. Ein erneutes Rascheln, diesmal lauter und näher, lässt mich erstarren.

      »Hallo? Ist da jemand?«, frage ich nervös.

      Es könnte ein Tier auf Nahrungssuche sein, doch spüre ich, dass es sich um ein anderes Lebewesen handelt.

      Gerade als ich mich erneut auf die Zehenspitzen stellen will, um vorsichtig einen Blick über die Hecke zu werfen, blitzen lange rote Haare durch die Blätter und ein graues Augenpaar starrt mich an.

      Ich halte die Luft an. »Wer bist du?«

      »Du kannst mich sehen?«, fragt sie überrascht.

      »Klar und deutlich.«

      Ihre Augen fixieren mich. Obwohl die Fremde wie ein scheues Reh auf mich wirkt, blitzt Angriffslust in ihren Augen auf.

      Meine Gedanken kehren zurück zu der Schachtel, den merkwürdigen Figuren und der blauen Kugel. Warum schickt mir mein Kopf gerade jetzt diese Bilder? Das Wort »Schach« hallt wie ein Echo in meinen Ohren nach und ich kneife die Augen zusammen, um meine Gedanken zu sortieren.

      Als ich meine Aufmerksamkeit wieder auf das fremde Mädchen lenken will, ist sie verschwunden.

       3

      

       EMILIAN

      

      

      Auf dem Bett liegen und an die Decke starren ist leider auch keine Lösung. Jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, sehe ich wieder die Fremde vor mir.

      Warum war ich der Einzige, der sie sehen konnte? Als ich nach der merkwürdigen Begegnung