Schädel einzudringen. Es waren kaum sichtbare Blutspuren im Gesicht von Otto zu erkennen. Seine Augen quollen starr hervor, bevor der Körper sich ein letztes Mal aufbäumte, um dann in sich zusammenzufallen.
Eiligen Schrittes ging der Schütze zu dem Polo am Fahrbahnrand, öffnete die Heckklappe, um dem Kofferraum eine mannsgroße Segeltuchplane zu entnehmen.
Er steckte die Pistole wieder in den Hosenbund, klemmte sich die Plane unter den rechten Arm und eilte zu der Leiche.
„Tja, Otto. Ein Toter ist eben ein Toter. Kein Mensch, er ist nur ein Leichnam; Ist nun mal so, du Sockenlutscher!“, raunte der Schütze, während er den Leichnam in die Plane wickelte und zum Auto schleppte.
Er legte Otto in den Kofferraum des Polos, reunte noch einmal die Straße und die Hausfassaden ab. Der Schütze setzte sich hinter das Lenkrad und haderte einen Moment: Hatte er im Mordrausch gehandelt. Es musste etwas in ihm sein, dass er nicht beherrschte. Etwas Böses, das stärker war, als aller Wille zur Gutherzigkeit. Etwas, das ihn packte und in den finstersten Abgrund der Willenlosigkeit riss. Oder war es einfach eine Laune des Schicksals, dass es das, was jedes Begreifen übersteigen würde, hinter einem mitleidigen Vorhang des Vergessens verborgen gehalten wurde. Er wusste es nicht und kam zu keinem Ergebnis?...
Er bog in langsamer Fahrt links in die Davidstraße Richtung Detlef- Bremer- Straße, seinem Wohnsitz, ab. Während der ersten Meter hatte er sich die Mini Pli- Perücke vom Kopf gezogen und den Schnurrbart von der Oberlippe genommen. Beide Utensilien legte er in das Handschuhfach des Polos s.
Sein Gesicht mit den tiefliegenden Augen war von unnatürlicher geisterhafter Blässe gezeichnet. Sein dichtes schwarzes Haar war kurz geschnitten. Im Stirnbereich hatte er es zu einer kleinen Bürste hochgekämmt.
In Höhe der Polizeistation wurde er von einem Peterwagen überholt, dessen Beifahrer eine beleuchtete Haltekelle aus der Tür hielt und ihm winkend zu verstehen gab anzuhalten.
Der Polo- Fahrer folgte der Anweisung des Polizisten und hielt unverzüglich am rechten Fahrbahnrand, während sein Adrenalinspiegel unaufhörlich stieg. Er schien alle Schweißdrüsen aktiviert zu haben. Der Schweiß lief ihn in Bächen unter den Achselhöhlen die Arme hinunter bis an die Handgelenke. Seine Schläfen pochten unaufhörlich, ein Gefühl schlich sich ein, als würden die Adern platzen.
Nun aber unverzüglich Kamine machen, dachte der Polo- Fahrer. So tun als ob. Die letzten Stunden waren für ihn wie eine einzige Flucht…
Der Fahrer des Peterwagens kam zu ihm an die Fahrertür, der Beifahrer sicherte den Fahrer und positionierte sich auf der Beifahrerseite des Polos.
„Hallo Dödel- Alex, so spät noch unterwegs. Wieder einmal auf Brautschau.
Was fährst du heute für eine überdachte Zündkerze?“, sprach der Fahrer des Peterwagens den Polo- Fahrer an.
„Ja, man tut, was man kann. Ist die Gurke meiner Schwester, mit der ich morgen in die Werkstatt fahre.
Der Auspuff und Ölwechsel“, log Dödel- Alex, während die Schweißperlen auf seiner Stirn rapide zunahmen. Er hatte keine Schwester, den Polo hatte er in Hamburg- Billstedt vor einer Woche für diesen Zweck von einer Hausfrau für 500 Mark gekauft. Natürlich cash gelöhnt, ohne Kaufvertrag und trotz Zusage absichtlich nicht auf seinen Namen umgemeldet.
„Alex, die Kennzeichenbeleuchtung deines tollen Gefährts ist defekt. Was hältst du davon, die Glühlampen einmal auszutauschen?“, war der Kommentar des Peterwagen- Fahrers.
„Hier hast du eine Zahlkarte mit Verwarnung von zehn Mark Verwarngeld und dazu eine Mängelmeldung. Morgen, am Dienstag, fährst du uns dein Auto mit vorschriftsmäßiger Beleuchtung vor, sonst wirst du deinen Lappen los und Deutschlands letzter Fußgänger sein!“
Mit gespielter, ratloser Miene antwortete Dödel- Alex:
„Okay, okay, hatte ich noch nicht gereunt“, während er nervöser wurde, weil der Beifahrer des Peterwagens jetzt um den Polo schlich und mit einer Taschenlampe ins Innere leuchtete.
Die Sekunden dehnten sich, schienen endlos zu werden.
„Dann gute Fahrt, wir sehen uns morgen“, sagte der Fahrer des Peterwagens, während er seinem Beifahrer Handzeichen zum Einsteigen gab.
Endlich, dachte Alex…
Der Funkstreifenwagen fuhr nach rechts in den Spielbudenplatz und parkte vor der Polizeistation.
Dödel- Alex fuhr schweißgebadet nach Hause. Er parkte den Polo direkt vor dem Hauseingang des Mehrfamilienwohnhauses, wo er in der dritten Etage eine Vierzimmerwohnung gemietet hatte. Die vier Zimmer waren nötig, weil drei seiner Bräute ebenfalls dort wohnten. Lola war sein umsatzstärkster Geldautomat. Sie schaffte in dem Edelbordell Lange auf der Reeperbahn an. Biggi bemühte sich um seine Krumme im Eros- Center, Haus F, bei Stoppel- Jürgen, Mausi verwöhnte die Freier bei Schweine- Willy.
Momentan lief alles sehr geschmeidig, die Eifersuchtsszenen seiner drei Bräute hielten sich in Grenzen, obwohl es nicht immer leicht war, sie bei Laune zu halten.
Dödel- Alex lebte nach dem Motto: Nur wer Fantasie besitzt, kann Puppen zum Leben erwecken. Ein guter Zauberer verrät nie seine Tricks, sie sollten alle dankbar sein, für ihn ackern zu dürfen, sinnierte Alex.
Er hatte durch diese drei Dirnen zurzeit ein monatliches Einkommen von mindestens 90 Riesen, natürlich steuerfrei.
Die einzigen Steuern, die er zahlte, waren die Mehrwertsteuer für die Anschaffung seines 560 SEL nebst Kfz- Steuer und den Konsum des täglichen Bedarfs. 89 Riesen, also 89 Tausend Mark hatte er in bar gelöhnt, als er den Mercedes in der Niederlassung am Millerntor kaufte.
Dödel- Alex zog die Segeltuchplane über Eier- Otto glatt und ließ ihn im Polo verbleiben, während er in seine Wohnung ging. Er war allein, seine Bräute waren wie üblich beschäftigt zu dieser Zeit.
Aus dem Kühlschrank nahm er eine Flasche Johnny Walker Black Label, dazu eine Dose Cola, die er sofort mittels der Metallöse mit einem zischenden Geräusch öffnete.
Erschöpft setzte sich Alex an den Küchentisch, ergriff das Glas, das er schon am Vortag benutzt hatte, um sich einen Drink zu mixen. Mit einem kräftigen Zug leerte er ohne abzusetzen das große Glas und zog dabei die Whiskyflasche näher zu sich heran. Die Pistole legte er neben die Flasche. Nachdem er erneut einen gleichen Drink, halb und halb, die Kehle hinuntergestürzt hatte, schraubte er gedankenlos den Schalldämpfer von der Pistole.
Ein Blick auf den Wandkalender ließ ihn erstarren.
Nervös sah Dödel- Alex auf seine Rolex. Der Sekundenzeiger drehte unaufhörlich seine Runden. 02.:20 Uhr war es bereits.
In diesem Moment wurde ihm bewusst, dass es Probleme mit Willy Wichtig geben könnte. Er hatte unentschuldigt gefehlt, was in Willys Augen eine Todsünde war.
Heilige Scheiße, gestern am 18. war um 21 Uhr Sitzung unseres Vereins „Immertreu“ bei Schweine- Willy. Ich habe unentschuldigt gefehlt, dachte Dödel- Alex.
Irgendetwas war mit seiner rechten Hand. Er kam nicht drauf und verwarf den Gedanken sofort. Wohin mit Eier- Otto?, war sein Gedanke?
Ente, könnte er ihm behilflich sein?...
Kapitel 4
Das laute Geräusch seines Weckers riss ihn nach vier Stunden aus der Tiefschlafphase. Es war bereits sieben Uhr am Dienstagmorgen.
Dödel- Alex griff schlaftrunken nach dem Hörer des Telefons, das sich neben ihm auf dem Nachtschrank befand.
Während er in der Linken den Hörer hielt, scheuerte er mitdem Rücken des Zeigefingers der rechten Hand seine müden, juckenden Augen. Nachdem er einen matten Atemstoß von sich gegeben hatte, blinzelte er auf die Wählscheibe des Telefons und wählte die Rufnummer seines alten Freundes Ente, der am Hans- Albers- Platz über dem Bayern- Grill in einer Drei-Zimmerwohnung höhlte.
„Wer da?“, schallte es an Dödel- Alex s Ohr.
„Ente, hier ist Alex. Du musst sofort kommen. Es ist eilig!“, schrie Dödel- Alex Ente in einem für ihn ungewöhnlichen