Janine Zachariae

Das Geheimnis des Stiftes 2


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du ihm ja kaum verübeln.‹

      »OLIVER 1«, rufe ich aus.

      ›Wenn du mich meinst, ja. Die Verbindung besteht auch hier, das könnte zu unserem Vorteil sein‹, sagt die Stimme in meinem Ohr.

      Oliver 2 beobachtet mich und seine Hand wandert vorsichtig zu meinem Ohr, er schiebt die Haare zur Seite und nickt wissend.

      »Verbinde uns mal«, weist mich Oliver 2 an und ich muss schmunzeln. Wie soll das gehen? Er streckt seine Hand aus und ich gebe ihm das Knopfding, das ich im Ohr habe. Es ist so winzig, dass es nicht auffällt und zum Glück lädt es sich mit der Körper eigenen Temperatur automatisch auf.

      Er fummelt etwas daran umher, nimmt seines heraus und stellt dort scheinbar dasselbe ein. Ich setze mir das Knopfding ins Ohr und denke an Oliver.

      »Und nun?«, möchte ich wissen.

      ›Könnt ihr mich beide hören?‹, fragt Oliver 1.

      »Laut und deutlich, Bro.«

      »Ähm, ja.« Wenn ich mit Oliver 2 hier bin, könnte es dann sein, dass Oliver 1 mit Melanie 2 ebenfalls in einem Raum ist?

      Das könnte verwirrend werden. Oliver 1, Oliver 2. Irgendwas muss ich mir einfallen lassen. Ansonsten gerate ich schnell ins Straucheln.

      ›Leider nicht. Penelope wollte mir nichts sagen. Und vermutlich hast du recht. Oliver 1 und 2? Denk nach Mel, du brauchst eine Lösung dafür. Du bist doch sonst so einfallsreich.‹

      »Mmh, ja, das überfordert mich gerade.« Ich reibe mir den Nacken und kann mich nicht unnötig ablenken lassen, mit solchen Fragen. »Wir sollten uns erst einmal auf die Situation konzentrieren. Julian ist eher schweigsam, was das hier angeht«, berichte ich und knete nachdenklich meine Hände. All das ist so seltsam.

      »Haha, dass ich nicht lache«, mischt sich Oliver 2 ein. »Ihr zwei habt die ganze Zeit geflirtet.«

      »Das haben wir nicht!«

      »Oh ja. Ich wollte schon fragen, ob ihr euch nicht in ein Zimmer teleportieren wollt. Meine Güte, Oli, das hättest du sehen müssen.«

      ›Er ist doch aber der Feind‹, sagt Oliver in unsere Gedanken hinein. Haben sie denn alles vergessen, was ich über Julian erzählt habe?

      Sehen sie wirklich nur das, was sie sehen wollen?

      ›Wir haben NICHT geflirtet! Wenn ihr es genau wissen wollt.‹ Ich bleibe im Gedankenmodus, denn wer weiß, wer uns belauscht: ›Julian ist schwul! Okay.‹

      Das Geheimnis wollte ich nicht weitergeben.

      Sie kennen die Basis unserer Freundschaft und das sich Julian für die Organisation und gegen eine Zusammenarbeit mit mir entschieden hatte. Alles andere wollte ich nicht verraten.

      Das ist nicht meine Sache.

      ›Ich glaube, es könnte seltsam wirken, wenn wir uns nur anstarren, Oliver.‹

      »Melanie, rede endlich. Was war das zwischen dir und Julian?«, sagt Oliver und sieht mich vorwurfsvoll an. Er verschränkt die Arme vor der Brust und wartet, bis ich antworte. Okay, er hat es verstanden. Zumindest das wir uns nicht nur anstarren dürfen. Nicht, dass irgendjemand auf die Idee kommt, wir hätten etwas zu verbergen. Während ich ihn betrachte, fällt mir eine Narbe in seinem Gesicht auf. Automatisch fasst er sich an die Wange und runzelt die Stirn. Dann wandert sein Blick zu seiner Hand und auch dort ist eine Narbe, die der andere Oliver nicht hat. Was hat es damit auf sich? Was ist geschehen? Er sieht mich an und schüttelt den Kopf. Er möchte nicht darüber reden?

      Das verstehe ich nicht, aber sein Blick ist deutlich: Ich soll es auf sich beruhen lassen.

      »Irgendwas stimmt ganz und gar nicht mit Julian«, antworte ich schließlich.

      ›Wie meinst du das, Mel?‹, möchte Oliver 1 erfahren. Er ist wie ein kleines Männchen im Ohr und der Gedanken daran wirkt tatsächlich etwas merkwürdig.

      Ich blicke zu seiner älteren Version und stelle überrascht fest, dass er noch etwas attraktiver geworden ist, als ... Oh, arg.

      ›Das habt ihr beide gehört, oder?‹

      Oliver 2 schmunzelt verschmitzt und leckt sich über seine spröden Lippen. Er nimmt noch einen Schluck aus der Wasserflasche, ehe er sie mir wieder reicht. Auch ich trinke schnell daraus, da mein Mund plötzlich unglaublich trocken ist. Ich verschließe die Flasche wieder und lasse sie in einer meiner Hosentaschen verschwinden.

      ›Melanie, Fokus bitte.‹

      »Eifersüchtig?«, frage ich und rüge mich gleich dafür. Was mache ich hier? Flirten? Das ist alles so verwirrend. Ich darf nicht!

      Oliver 2 hat auch dies gehört und runzelt irritiert die Stirn. Scheinbar darf ich doch, wenn er mich Schatz genannt hat ... Arg, das halte ich echt nicht aus. Was ist nur los mit mir? Es geht hier um so viel mehr. Um Leben und Tod. Wenn ich nicht bei der Sache bin, kann verdammt viel schiefgehen.

      »Wir sollten uns hinsetzen und etwas ausruhen. Es war ein anstrengender Sprung gewesen.«

      Langsam lasse ich mich auf dem kalten Boden nieder, winkel die Beine an und ruhe meine Arme darauf aus, während ich mich an der Wand hinter mir anlehne. Es tut so unglaublich gut zu sitzen und nichts zu machen.

      ›Also ...‹, starte ich wieder gedanklich und sehe, wie sich auch Oliver hinsetzt. Laut kann ich all das, was ich vermute ich, nicht sagen. ›Ich glaube, Julian wird erpresst. Mein Gefühl sagt mir, dass es wegen eines Mannes ist. Vielleicht hat er ja jemanden gehabt? Möglicherweise hat es Penelope herausgefunden und derjenige ist nun selbst in Gefahr? Julian würde nie ... absolut niemals so schmuddelig umherlaufen. Er ist gepflegt, achtet sehr auf sich. So etwas würde er nicht anziehen. Never ever!‹

      Sag niemals nie, geht es mir durch den Kopf. Nach alldem, was ich über mein zukünftiges Ich erfahren habe, müsste ich meine eigene Aussage wahrscheinlich revidieren ...

      ›Okay. Also, wenn Julian ebenfalls erpresst wird, dann könnte er durchaus noch auf unsere Seite kommen?‹, schlussfolgert Oliver 2.

      Verdammt, ich brauche andere Spitznamen für meine Olivers.

      ›Deine Olivers?‹

      ›Könnt ihr wenigstens so tun, als würdet ihr nicht alles hören, was ich denke? Warum funktioniert das überhaupt noch hier?‹

      ›Weil wir physisch alle am selben Ort sind.‹

      Ach, das wird mir jetzt alles zu viel. Ich stehe wieder auf, und ziehe mich in eine Ecke zurück, winkle meine Beine an und halte mich ganz fest. Oliver 2 hat mich ›Schatz‹ genannt. Sind wir etwa ein Paar in dieser Zeit? Wie ist das überhaupt möglich?

      Ich bin so in Gedanken, dass ich Oliver erst bemerke, als er sich zu mir setzt und meine Hand ergreift.

      »Mel, verschließe dich nicht vor deinen Gefühlen. Mach das nicht, hörst du? Du kämpfst so sehr dagegen an, dass es mir echt das Herz zerreißt.«

      Langsam richte ich meinen Blick auf ihn und verliere mich in seinen Augen. Grau-Grün und irgendwie wirken sie so ... Verändert. Sanfter und zärtlicher. Lange halten wir einander, bis ein Räuspern zu vernehmen ist.

      ›Oliver, wir müssen uns unterhalten. Alleine‹, meint Oliver 1 und ich weiß nicht, was das soll. So viel Zeit muss wohl sein, auch wenn wir uns eigentlich einen Plan überlegen sollten, wie wir all das hier überstehen. Aber okay Jungs, unterhaltet euch erst einmal ...

      Es wird still in meinem Ohr und ich fühle mich so leer und hilflos. Ich erinnere mich an früher und muss mich ein wenig fester halten. Mir ist bewusst, dass ich mich unmöglich verhalte. Aber diese Situation ist neu für mich. Alles, was bis her war, hat sich für mich innerhalb weniger Wochen abgespielt. Es liegen keine Jahre dazwischen, schon gar kein Jahrhundert.

      Dieses ganze Zeitreiseding kenne ich doch erst seit wenigen Monaten und bin komplett ins kalte Wasser geworfen worden. Dabei wollte ich mich nur mit Justin treffen. Zwar hat es kein Date gegeben, aber einen Kuss.