Nancy Omreg

Tara


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Ich hatte beobachtet wie manche betrunken bei mir vorbei nach Hause torkelten und ich hatte ihnen mit Tränen in den Augen nach geschaut.

      „Weißt du Nele, Max hatte sich am Dienstag von mir getrennt. Daher hatte ich keine Lust auf Wölfchens Feier“, antwortete ich mit gesenktem Blick und versuchte meine Stimme halbwegs kräftig klingen zu lassen, aber sie zitterte als ich die Worte bildete.

      „Oh, das tut mir leid. Das wusste ich nicht. Wie geht es dir? Das hat dich bestimmt sehr mitgenommen. Gott, wie lange wart ihr zusammen, zwei Jahre?“, meinte Nele bestürzt und griff tröstend nach meinem Arm.

      „Ja knapp zwei Jahre waren es. Es geht inzwischen wieder. Ich denke mal, das Schlimmste habe ich überstanden.“ Und das hoffte ich wirklich, wenn schon so eine banalen Frage drohte, mich aus der Bahn zu werfen, wie sollte es da sein, wenn er mir einmal über den Weg lief?

      „Du kannst eigentlich froh sein ihn los zu haben. Er hatte dir doch noch nie gut getan. Ein verlogener Hund ist der, wie sein Onkel auch“, regte sich Peter auf.

      „Komm, lass gut sein“, versuchte Nele ihren Freund zu beruhigen. „Das ist doch schon Jahre her.“ Max’ Onkel war ein alter Bekannter von Peters Vater gewesen. Der Onkel hatte ihn bei der Stasi angezeigt und Peters Vater war gerade so noch mit einem blauen Auge davon gekommen.

      „Ne, ich hatte von Anfang an gesagt, dass dieser Kerl nichts taugt und jetzt siehst du was er Tara angetan hat.“ Peter ließ sich nicht beschwichtigen. Max und seine Familie waren ein rotes Tuch für ihn und nur mir zu liebe hatte er versucht Max zu akzeptieren. Ich war daher sehr froh, als die beiden bezahlten und gingen. Noch länger hätte ich über meinen Exfreund nicht reden wollen. Eigentlich versuchte ich alles zu verdrängen, denn den Versuch des Bewältigens hatte ich ja nun schon eine Woche hinter mir. Nele drückte mich beim Verabschieden und meinte, dass alles schon wieder werden würde. Peter drückte mir die Schulter und zwinkerte mir aufmunternd zu.

      Dann kam auch schon Marla mit meinem Frühstück. In meinen Kaffee hatte sie bereits einen Schluck Milch hineingetan und mir auch schon das Ei geschält. Die zwei Brötchen waren einmal mit Käse belegt und einmal mit Honig. Über die eine Käsehälfte hatte sie leicht Erdbeermarmelade gezogen, weil sie wusste, dass ich das ab und an ganz gerne aß. Ich brauchte nur noch zu zubeißen und das tat ich auch mit Genuss. Das erste vernünftige Essen seit Tagen und es schmeckte spitzenmäßig.

      Nachdem ich mit dem Essen fertig war, beschloss ich noch bei Tom und Paula vorbei zu schauen. Die Uni ging erst um 14 Uhr los und bis dahin waren es noch knapp drei Stunden. Ich wollte schauen, ob ich vielleicht schönen Schmuck bei Paula kaufen konnte. Normalerweise stellte sie eher bunte Dinge her, denn sie mochte es mit Farben zu arbeiten. Aber ab und an fand ich doch etwas bei ihr, was mehr in meine schwarze Richtung passte.

      Paula war gerade allein im Laden. Als ich die Tür öffnete drehte sie sich zu mir um und kam sofort auf mich zu gerannt. Sie nahm meine Hände in ihre und schaute mir besorgt in die Augen.

      „Was ist dir passiert meine Schöne? Ich spüre, dass es dir nicht gut geht. Ist was mit Max?“ Paula hatte eine „esoterische Ader“, wie sie es nannte. Sie spürte sofort, wenn es jemanden nicht gut ging. Das es wegen Max sein könnte, war wohl das Wahrscheinlichste für sie, da sie bereits einige Streitereien zwischen ihm und mir mitbekommen hatte. Nun ja, so wie ich in ihr Fenster schauen konnte, so konnte sie es auch bei mir.

      „Er hat sich am Dienstag von mir getrennt.“ Ich versuchte ihr bei diesem Satz nicht in die Augen zu schauen. Diesen mitleidigen Blick konnte ich nicht ertragen.

      „Du Ärmste, kann ich dir irgendwie helfen?“ Sie nahm mich in die Arme und drückte mich ganz fest.

      „Nein, danke, das ist lieb…, aber nein es geht schon“, antwortete ich. Paula kannte ich eigentlich schon die ganze Zeit, seit ich in dem Viertel wohnte. Sie war die erste, die ich hier kennen gelernt hatte und sie kümmerte sich anfangs sehr viel um mich und sorgte dafür, dass ich mich gut einlebte und Kontakte zu den Anderen fand. Seit dem waren wir gute Freundinnen und wir redeten über so ziemlich alles, aber dennoch hatte ich mich immer noch nicht so ganz an ihre liebevolle, freundliche Art gewöhnt, die einen manchmal total überrumpeln konnte. Gerade weil ich selbst ein eher zurückhaltender Typ war, hatte ich Schwierigkeiten mit dieser Nähe. Sie war ein richtiges Blumenkind, das gerne Liebe gab und auch wollte, dass sich alle lieb hatten.

      „Aber ich bin eigentlich aus einem anderen Grund hier“, versuchte ich das Thema zu wechseln. Sie ließ mich los und legte ihre langen, dunkelbraunen Haare, von denen sie einzelne Strähnen geflochten hatte, über ihre rechte Schulter.

      „Möchtest du etwa schauen, ob ich beim Schmuckmachen mal wieder an deinen Geschmack gedacht habe?“, neckte sie mich mit ihrem bezaubernden Lächeln, das ihre Augen strahlen ließen. Ich grinste „Erraten!“, antwortete ich ihr.

      „Na da komm mal mit. Ich war vor ein paar Tagen in Berlin gewesen in einem wundervollen Laden mit ganz vielen Steinen und Perlen. Da hatte ich etwas entdeckt, was mich sofort an dich erinnerte und da ich noch Samtreste zu Hause hatte, bastelte ich sofort, als ich nach Hause kam, dieses Schmuckstück“, erzählte sie mir, als wir in den hinteren Bereich des Ladens gingen, wo sie ihren Schmuck herstellte und überreichte mir ein schwarzes, samtenes Halsband mit einem blutroten, tropfenförmigen Rubin als Anhänger und kleinen schwarzen Perlen, die in unterschiedlichen Längen zu beiden Seiten des Anhängers aufgereiht waren. Ich war überwältigt. Mit so etwas hatte ich nicht gerechnet. Sprachlos, mit großen Augen und offenen Mund bestaunte ich das Schmuckband.

      „Das…, das…, das ist perfekt“, stammelte ich schließlich und konnte den Blick immer noch nicht davon abwenden.

      „Dachte ich mir doch, dass es dir gefallen wird.“ Zufrieden und stolz schaute mich Paula an.

      „Es ist so wunderschön, aber ich glaube nicht, dass ich mir das leisten kann.“ Nur weil Paula und ich befreundet waren, wollte ich ihr den Schmuck nun auch nicht für lau abwerben.

      „Ach, gib mir 30 DM dafür und dann passt das schon. Somit habe ich die Unkosten für den Granat rein und alles andere kann ich dir auch so überlassen. Außerdem würde es mir schwer fallen, jemand Anderen für so etwas begeistern zu können“, schmunzelte sie.

      „Danke, ich weiß gar nicht was ich sagen soll! Danke, es ist wirklich traumhaft schön.“ Ich holte meine Geldbörse heraus und gab ihr die 30DM.

      „So meine Schöne, ich habe neuen Tee da. Hast du noch Zeit für ein Plauderstündchen?“, fragte mich Paula und hob neckend eine Augenbraue.

      „Aber natürlich! Ich muss doch wissen, welche Sorte Tee es noch so auf dem Markt gibt“, antwortete ich gespielt damenhaft. Paula setzte das Teewasser auf und bereitete die Teeeier vor.

      „Nun möchte ich aber einmal etwas von dir wissen. Es pfeifen die Spatzen vom Dach, dass der Storch hier bald einen Besuch abstatten wird. Ist daran etwas dran?“ Mit großen Augen wartete ich gespannt auf die Antwort und stellte mir dabei schon die zierliche Paula mit Babybauch vor.

      „Hm, nun ja“, grinsend rollte sie ihre Augen gen Himmel. „Ich würde mal sagen, er kommt so Anfang April vorbei.“ Ich sprang auf und umarmte sie stürmisch. Paula und Tom hatten schon länger versucht ein Kind zu bekommen und nun hatte es endlich geklappt. „Oh ich freue mich so für euch! Da wird es sogar ein Widder, so wie du es dir gewünscht hattest.“

      „Richtig! Ich glaube auch, dass es ein Mädchen wird. Irgendwie habe ich das im Gefühl.“

      „Na, da werde ich schon einmal nach rosa Babysachen schauen, dein Gefühl täuscht dich ja nie.“ Paula lachte und übergoss den Tee mit dem heißen Wasser. Wir setzten uns hin und redeten über das Baby, über den neusten Klatsch aus dem Viertel und was uns noch so gerade in den Sinn kam. Kurz nach um eins verabschiedete ich mich von ihr. Ich wollte noch einmal kurz zu mir nach Hause um meine Studienunterlagen zu holen. Ich drückte sie fest und streichelte über ihren noch nicht vorhandenen Bauch. Ich war selbst total aufgeregt und gespannt auf das Kleine.

      Pünktlich um dreiviertel zwei kam ich in der Uni an. „Oh ich bin beeindruckt. Nicht nur, dass du da