Jennifer Schumann

2050


Скачать книгу

auch der Mann etwas überrascht. Die Erkenntnis, dass er von dem Gefährt nicht mehr Ahnung hatte als ich, löste ein beklemmendes Gefühl in mir aus. Aber welche Wahl hatte ich schon? Er drehte den Wagen. Ohne Vorwarnung gab er ruckartig Gas und fuhr mit voller Geschwindigkeit und den Händen fest am Lenkrad durch das Tor. Alles wurde dunkel, wir ließen die hell erleuchtete Halle hinter uns.«

      »Er ist einfach aus dem Hangar ins Weltall gefahren?«

      »Ja, wie ich es schon sagte, er fuhr einfach heraus. Erneut drückte er auf den Knöpfen herum, diesmal etwas koordinierter, kurz darauf vernahm ich ein leises Rauschen, welches mit der Zeit unangenehm laut und durchdringend wurde. Ich versuchte, mich zu konzentrieren und nochmal in Gedanken die letzten Minuten durchzugehen. Ich wachte in einem kapselartigen Gefängnis auf, hörte Schritte, wurde von dem Mann gefunden, lief mit ihm zum Mondrover, stieg ein. Alles war sehr surreal. Ich weiß nicht, ob ich noch klar denken konnte, aber ich befand mich wirklich in einem kleinen Rover mitten im Weltall. Während des Denkens wurde ich wieder und wieder von dem lauten Rauschen unterbrochen. Ständig sah ich mich um, ohne wirklich etwas zu entdecken. Mir fiel auf, dass wir schneller wurden, und es dämmerte mir also, dass das laute Rauschen Düsen waren, die uns von der Raumstation wegbrachten und weiter in Richtung Nichts beschleunigten. Nur kurz nachdem wir uns etwas von der Station entfernt hatten, nahm ich einen gewaltigen Knall in Verbindung mit einem hellen Schein und einem Wackeln des Rovers wahr.«

      »Was ist passiert?«

      »Die Raumstation ist explodiert! Ich sah nur noch eine Wolke aus Trümmerteilen und einige davon flogen direkt auf uns zu. Das sagte ich auch zu dem Mann, der sich erschrocken umdrehte und versuchte auszuweichen, was bei den ersten Teilen auch ganz gut funktionierte. Doch auf einmal spürte ich erneut eine starke Erschütterung und die komplette linke Seite des Gefährts wurde von einem riesigen Überrest der Raumstation mit ins weite Nichts gerissen. Zuerst versuchte ich, meinen Retter noch festzuhalten, aber griff ins Leere. In diesem Moment wurde mir klar, in welcher Lage ich mich zu diesem Zeitpunkt befand. An die nächsten Minuten kann ich mich nur schlecht erinnern. Ich schätze, dass ich erstmal wie in Trance weitergeflogen bin und dann irgendwie versucht hab, die Überreste vom Rover in Richtung Raumstation zu lenken, denn dort fand ich mich kurze Zeit später wieder, auf den Überresten der Raumstation. Um mich herum sah ich jedoch nichts, was mir direkt aus meiner Lage helfen könnte. Ich sprang zwischen den herumschwebenden Resten herum und sah mich weiter um, auf einer der äußeren Platten sah ich etwas Kleines, Pinkes, Leuchtendes, was mich an eine Art Kristall erinnerte. Der Weg dorthin gestaltete sich schwieriger als erwartet, dennoch schaffte ich es. Als ich mich dem Stein näherte, vernahm ich ein schrilles Piepen. Erschrocken drehte ich mich um, doch bemerkte, dass der Ton nicht von dem Stein ausgehen konnte, da er auch mit zunehmender Entfernung nicht leiser wurde. In dem Moment fiel mir eine blinkende Leuchte an meinem linken Arm auf, als ich genauer hinsah, konnte ich neben der Lampe den Schriftzug ›Sauerstoff‹ lesen. Mein erster Gedanke war, dass ich wohl sterben würde, wenn mir nicht schnell etwas einfällt oder jemand kommt, um mir zu helfen, aber wer würde das tun? Ich befand mich immerhin mitten im Weltall und war mir nicht einmal sicher, ob jemand von meiner aktuellen Lage wusste. Meine einzige Möglichkeit war es, die Station nach weiteren Gegenständen zu durchsuchen, die mir helfen könnten. Anfangen würde ich mit dem Kristall. Also machte ich mich erneut auf den Weg, diesmal etwas geschickter als zuvor. Ich näherte mich dem Stein und mich durchdrang ein pulsierendes Gefühl; ich kann nicht genau sagen, ob es einfach aus der Situation heraus entstand oder etwas mit dem Objekt zu tun hatte. Als ich den Stein in die Hand nahm, passierte nichts. Selbst nach genauer Untersuchung fiel mir nichts Besonderes auf. Also steckte ich ihn erstmal ein und hoffte auf eine hilfreichere Entdeckung in den Trümmern. Dort war einfach nichts, außer vielen Glassplittern und Schläuchen konnte ich nichts Interessantes feststellen. Doch dann war da etwas. In der Ferne sah ich einen hellen Schein, welcher mit der Zeit heller wurde, schließlich erkannte ich auch, was es war: Es ähnelte unserem Rover, war jedoch mindestens fünf Mal so groß.

      Ich dachte sofort an Rettung, aber war mir nicht sicher, ob sie wegen mir hier waren oder etwas anderes wollten.

      Ich versuchte, auf mich aufmerksam zu machen, was auch funktionierte, da das Fahrzeug kurze Zeit später neben mir anhielt. Es öffnete sich eine Türe und ich wurde von zwei Personen ins Innere gezogen. Dort mussten wir erst durch eine Luftschleuse, bevor wir schlussendlich im Kern des Gefährts ankamen. Sie rissen mir den Schutzanzug vom Körper und fragten mich erstmal aus, woher ich kam, was ich hier suchte, ob ich infiziert wäre und ob mir irgendetwas aufgefallen war. Ich wusste auf keine der Fragen eine Antwort, was die beiden nicht sehr begeisterte, doch das war mir in dem Moment egal, ich wollte einfach nach Hause, wenn ich überhaupt eines hatte.«

      »Können Sie uns etwas über die Männer sagen? Haben sie mit Ihnen etwas gemacht?«

      »Die beiden ähnelten sich, ich weiß nicht, vielleicht waren sie verwandt. Gemacht haben sie eher wenig; sie haben mich erstmal allein in einem kleinen Raum warten lassen. Dort wurde ich dann kurze Zeit später nochmals befragt, konnte jedoch wieder keine Antworten liefern. Die Tür schloss sich wieder und ich hörte ein Zischen, ich wurde müde und schlief ein.«

      »Das heißt, die haben Sie ruhiggestellt?«

      »Genau das vermute ich, denn als ich wieder aufwachte, befanden wir uns sehr nah an der Erde und ich lag in einem anderen Raum. Im Raum sah ich sieben weitere Personen auf dem Boden liegen. Sie schliefen noch. Langsam stand ich auf und lief ein wenig herum, bis ich an der Tür stehen blieb. Von draußen hörte ich Stimmen. Ich versuchte, sie zu verstehen, aber ich konnte nur einzelne Wörter aufgreifen. Sie redeten irgendwas von Katastrophe, Flucht, Krankheit. Mir gingen verschiedene Szenarien durch den Kopf.

      Langsam wachten auch die anderen auf und stellten mir die Fragen, die auch mich beschäftigten, aber ich hatte keine Antworten für sie. Wir näherten uns weiter der Erde und bremsten schließlich relativ abrupt ab. Von draußen hörte ich Schritte und Schreie dann ein Zischen und alles war ruhig.«

      »Wieder ein Gas zum Ruhigstellen?«

      »Ja, und auch bei uns wurde es kurz darauf wieder eingesetzt. Diesmal scheiterte ihr Plan, da ich damit rechnete. Ich hielt meinen Atem an und wartete, bis sich das Gas ein wenig verzogen hatte, trotz meiner Vorsicht bekam ich ein wenig ab. Ich war also wie gelähmt, habe aber alles mitbekommen. Sie kamen in unseren Raum und trugen uns einen nach dem anderen heraus, über eine alte sandige Landebahn durch die sengende Hitze in eine Art Bunker. Wir wurden auf Liegen gelegt und durch endlos lange Gänge tief unter die Erde geschoben. Je weiter wir kamen, desto kälter wurde es. Die Wände waren feucht und wurden durch kalte Neonröhren an den Decken beleuchtet, neben ihnen verliefen unzählige Kabel. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurden wir in einen Raum geschoben, wo wir von den Liegen auf den blanken Boden gelegt wurden. Kurz darauf kamen auch die anderen wieder zu Bewusstsein, sie sahen sich um, doch schienen genau wie ich nicht zu verstehen, was mit ihnen geschehen ist. Wir müssen dort einige Tage verbracht haben.«

      »Wie haben Sie das so lange überlebt?«

      »Ich kann mich nicht an Essen, geschweige denn Wasser erinnern, aber verspürte auch zu keiner Zeit Hunger. Vielleicht haben sie uns im Schlaf betäubt und so versorgt, dass wir dort überleben. Sie wollten offenbar nicht, dass wir sterben.«

      »Sie sprachen von einigen Tagen, was ist dann passiert?«

      »Es war, glaub ich, morgens, zumindest bin ich kurz vorher aufgewacht, sicher kann ich es allerdings nicht sagen, da ich komplett die Orientierung und den Bezug zur richtigen Welt verloren hatte.

      Man konnte auf jeden Fall erst einen lauten Knall wahrnehmen, er erinnerte mich an meine Zeit vor der ›Rettung‹. Kurz darauf hörte ich Schüsse und es wurde wieder ruhig, zu ruhig. Den restlichen Tag lang passierte einfach nichts mehr. Ich wurde im Schlaf von einem unangenehmen Quietschen aufgeweckt, erschrocken sah ich mich um und sah in unserer Tür bewaffnete Männer stehen. Sie gingen entschlossen auf mich zu und packten mich mit einem festen Griff am Oberarm, zogen mich hoch und anschließend aus dem Raum. Wir ließen die langen Gänge und den Bunker hinter uns, welcher zu großen Teilen eingestürzt war. Auf der gleichen Fläche, auf der ich vor ein paar Tagen noch gelandet war, wartete ein Hubschrauber mit laufenden Rotoren. Gemäß der Anweisung der Männer setzte ich