Carlo Fehn

Grenzgold


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würde, ja gar nicht existieren würde, prostete er seiner Liebsten zu und übertrieb es mit einer deutlichen Kusshand. Das Spiel hatte begonnen!

      »Entschuldige, Joseph! Nochmal bitte! Ach so, Glück – warum ich deiner Meinung nach Riesenglück habe! Also, meiner Meinung nach – vielleicht deckt sich das ja – habe ich verdammtes, saumäßiges Riesenglück, weil ich neben einem super Job mit super Kollegen, großartigen Nachbarn und Freunden auch noch eine umwerfende und intelligente Frau an meiner Seite habe.«

      Pytlik machte eine kurze Pause. Er spürte, dass Kaiser merkte, dass er ihn provozieren wollte. Aber eine Retourkutsche vom Mittagessen musste auch noch sein.

      »Und weil ich sehr gerne auch Freund und Helfer bin!«

      Kaiser lächelte, wollte nicht eingestehen, dass ihm die forsche Art des Hauptkommissars in seinem eigenen Haus gar nicht schmeckte. Er ließ es sich nicht anmerken, setzte aber zum Gegenstoß an.

      »Ja, alles schön und gut mit deinem Job und den anderen Leuten da! Prima! Allerdings habe ich von Riesenglück gesprochen und meine damit tatsächlich diese Frau da unten.«

      Kaiser deutete unauffällig in Franziskas Richtung.

      »Enttäusch sie nicht! Das ist ein gutgemeinter Rat, denn sonst…«

      »Denn sonst was?«, unterbrach ihn Pytlik, dem diese Belehrung einfach zu weit ging. Danach herrschte für Sekunden Funkstille. Kaiser quälte ein Lächeln hervor, hob sein Glas und lud Pytlik ein, mit ihm anzustoßen. Was er dann sagte, nahm ihm der Hauptkommissar nicht ab.

      »Denn sonst wird auch die zweite Preuß-Tochter unglücklich enden!«

      Der Klang der Gläser, die sich sanft trafen, war kaum zu hören. Die Blicke der beiden Männer durchdrangen den jeweils anderen. Pytlik versuchte, der angespannten Situation eine andere Richtung zu geben.

      »Ich habe gehört, du hast ein schönes kleines Schwimmbad…«

      Joseph Ferdinand Kaiser fühlte sich anscheinend perfekt abgeholt. Womöglich hatte er aus dieser ersten Konfrontation mit dem Hauptkommissar die für ihn notwendigen Schlüsse gezogen.

      »Komm mit! Du bekommst eine exklusive Führung!«

      ***

      Kaiser hatte seinen Zeigefinger elegant über das winzige Display gleiten lassen. Ein kurzes Summen erfolgte und der Hausherr drückte die mit Holz umrahmte Glastür auf. Es schien wie eine eigene kleine Welt in diesem Traumschloss zu sein. Wie von Geisterhand wurde eine große Halle in dezentem Licht erleuchtet. Über eine breite Treppe gelangten Pytlik und Kaiser in eine Art Vorraum, in dem bereits ein weiteres Buffet mit allerlei Köstlichkeiten vorbereitet war. Pytlik versuchte, sich sein Erstaunen nicht anmerken zu lassen. Allerdings wusste Kaiser, dass es niemanden kalt lassen würde, was er im Keller seines Hauses zu bieten hatte.

      »Und? Wie gefällt es dir?«

      Kaisers Frage war überflüssig, ein typischer Einsteiger. Just in dem Moment, als Pytlik zur Antwort ansetzen wollte, betraten beide durch eine breite Glasschiebetür das Hallenbad – das »Planschbecken«, wie Franziska es genannt hatte. Kaiser spuckte die Daten wie ein Computer aus, noch bevor Pytlik höflich fragen konnte.

      »Die Halle hat eine Grundfläche von 30 mal 15 Metern. Das Becken ist 15 Meter lang und sieben Meter breit. Das Fassungsvermögen beträgt etwa 160 Kubikmeter, natürlich individuell beheizbar. Lichtspiele ohne Ende und so weiter und so weiter! Die Fliesen…«

      Pytlik hörte sich gute zehn Minuten lang eine detaillierte Beschreibung an. Kaiser ließ nicht die geringste Kleinigkeit aus, um Pytlik in Erstaunen zu versetzen. Dem Hauptkommissar gefiel alles sehr gut, das musste er zugeben.

      »Erstaunlich! Durchdacht bis ins letzte Detail! Da kann man sich ja richtig austoben!«

      Kaiser war Pytliks Wertschätzung wohl ganz egal. Außerdem hatte der Hauptkommissar das Gefühl, dass all das nicht in erster Linie einem funktionalen Zweck diente, sondern eher eine Art Vorzeigeobjekt darstellen sollte. Zu unbenutzt sah alles aus, unabhängig davon, dass für die bevorstehende Poolparty alles auf Hochglanz gebracht worden war.

      »Wann seid ihr hier eigentlich eingezogen?«, wollte er wissen.

      »Vor 15 Jahren! Alles muss irgendwie zusammenpassen bei uns, weißt du! Mein Vater hat immer gesagt: ›Mit 70 höre ich auf! Dann wirst du die Firma übernehmen!‹ Sein freundliches Lächeln dabei und das aufmunternde Schulterklopfen habe ich einfach hingenommen.«

      Kaiser leerte sein Glas mit einem verbittert wirkenden Gesichtsausdruck, dann holte er sich aus einem großen Kühlschrank ein neues Getränk.

      »Willst du auch?« Pytlik nutzte die Gelegenheit.

      »Gerne! Also hattest du einen anderen Lebensplan?«

      Die beiden stießen an. Joseph Ferdinand Kaiser spielte in der einen Hand mit dem Kronkorken zwischen Zeigefinger und Daumen, während er einen kräftigen Schluck aus der Flasche nahm.

      »Es gab keine Chance für einen anderen Lebensplan! Mein Vater hat damals mit gerade einmal 18 Jahren die Firma mit einem Freund gegründet. Die beiden waren ein gutes Team, die Firma wuchs sehr schnell und wurde immer größer. 1961 kam der Kompagnon meines Vaters durch einen Unfall ums Leben. War wohl eine harte Zeit für meinen alten Herren, aber er hat sich durchgebissen. Nachdem sein Erstgeborenes ein Junge war, war der weitere Weg somit vorgegeben.«

      Kaiser trank erneut, die Flasche war danach leer, er holte sich Nachschub. Pytlik blieb stumm und hörte nur zu.

      »Ich habe eine Lehre auf dem Bau gemacht, danach Bauingenieurwesen studiert. München ist eine schöne Stadt, wenn du verstehst. Hat ein bisschen länger gedauert mit dem Studium. Habe es dann mehr schlecht als recht abgeschlossen. 1988 bin ich dann offiziell mit in die Firma eingestiegen, als angestellter Geschäftsführer neben meinem Vater. Im selben Jahr kam unser Sohn auf die Welt, zwei Jahre später unsere Tochter.«

      Je mehr Kaiser seinen Lebenslauf vor Pytlik darlegte, desto mehr hatte der Hauptkommissar das Gefühl, es würde den Bauunternehmer zunehmend anwidern, darüber zu sprechen.

      »Und dann hat dein Vater dir alles übergeben, aber er ist immer noch fleißig mit im Tagesgeschäft dabei. Das heißt, es hat sich nichts geändert!«

      Wieder nahm Kaiser einen kräftigen Schluck, seine Mundwinkel zogen sich nach unten, er starrte auf den Boden und nickte.

      »Das Grundstück hier hat er mir geschenkt, während er in Pressig in unmittelbarer Nähe zum Firmengelände residiert. Da ist es natürlich nicht einfach und sicher auch nicht gewollt, sich von heute auf morgen aus allem rauszuhalten und zu sagen: ›Jetzt mach du mal!‹ Er hat schon immer alles genau unter seiner Kontrolle haben wollen. Aber ich lasse mich halt nicht gerne kontrollieren! Ich habe auch noch ein eigenes Leben. Verstehst du?«

      Kaisers Stimme war lauter geworden. Nachdem er Pytlik nicht angeschaut hatte, hätte man meinen können, er klage gerade seinen Vater an. Dem Hauptkommissar war die Situation nun doch etwas unangenehm. Schließlich hatte er Franziskas Schwager gerade einmal kennengelernt und nicht den besten Eindruck von ihm gewonnen, da schüttete dieser ihm bereits sein Herz aus. Kaisers nächster Satz ging Pytlik durch Mark und Bein.

      »Wenn er mal nicht mehr da sein wird, verkaufe ich alles und verschwinde hier!«

      Für einige Sekunden hallten die Worte nach. Keiner der beiden regte sich. Dann ging Kaiser zum Schwimmbecken, stellte sich breitbeinig an den Rand und schaute auf die spiegelglatte Oberfläche. Pytlik folgte ihm langsam, stellte sich mit etwas Abstand daneben und blickte auf den Boden des hellblau gefliesten Pools, der in gewisser Weise das Dilemma widerspiegelte, in dem Joseph Ferdinand Kaiser sich zu befinden schien.

      »Schau dir das an! Hätte ich nicht einfach Thomas, Stefan, Dieter oder Martin heißen können? Musste es unbedingt Joseph Ferdinand sein? Nur, damit er sein Idol in mir weiterleben lassen kann! ›Dschäi-Eff-Käi‹! Wie ich es hasse!«

      Pytlik fand die etwa zwei Quadratmeter große, in dunkelblau abgesetzte Fläche in der Mitte des Beckenbodens