zog.
„Wia lang dauert denn des no? Mei Wasti muss doch Gassi, der hot sei Gschäftl no net gmacht.“
Werner verstand nun das Problem von Leo Schwartz, denn zu dem Dialekt nuschelte der Mann auch noch fürchterlich.
„Sie haben die Leiche gefunden?“
Er nickte.
„I hob glei gsegn, dass den dabreselt hot. Der war meisaltout.“
„Haben Sie die Leiche angefasst oder sonst irgendetwas berührt?“
„Na! I glang nix o. Ko i jetz geh?“
„Ich brauche nur noch Ihre Personalien.“
„Hinterberger,“ sagte er knapp und zog seinen Personalausweis hervor. Werner Grössert notierte sich die Daten.
„Dann können Sie jetzt gehen, vielen Dank Herr Hinterberger. Wenn wir noch Fragen haben, kommen wir auf Sie zurück.“
„Kimm Wasti, jetz derf ma Gassi geh. Pfüa God,“ grüßte er freundlich, wobei er leicht den Hut hob.
Nun traf auch der Kollege Hans Hiebler ein. Der 52-Jährige kam aufgrund der Temperaturen in hellen Jeans, Slippern und einem kurzärmeligen, weißen Hemd, das seine Bräune noch unterstrich. Dazu trug er eine moderne Sonnenbrille zum neuen Haarschnitt, der ihn um Jahre jünger aussehen ließ. Er sah einfach blendend aus und hatte immer gute Laune. Hans war vor allem bei Frauen sehr beliebt.
„Grüß euch, Kollegen. Wo ist die Leiche?“
„Unterstehen Sie sich, dort hinzugehen, bevor ich persönlich den Ort freigegeben habe,“ hörten sie hinter sich die Stimme von Friedrich Fuchs, dem Leiter der Spurensicherung. Der kleine, hagere fünfunddreißigjährige Mann ging mit rotem Kopf und energischen Schritten an den Kriminalbeamten vorbei und direkt auf die Leiche zu. Seine Kollegen konnten kaum folgen.
„Los, Tempo, Tempo,“ trieb Friedrich Fuchs seine Leute an. „Sofort absperren, bevor uns diese Stümper alles kaputt machen. Wir können von Glück reden, dass das gestern nur ein trockenes Gewitter war.“
Grössert, Hiebler und Schwartz standen wenige Meter abseits und mussten warten, bis Fuchs sie mit Informationen versorgte, was eine Ewigkeit zu dauern schien. Fuchs mochte niemand besonders gern, denn er war pedantisch, launisch und nicht wirklich freundlich – aber er machte hervorragende Arbeit.
„Hatte unser Chef nicht von einem neuen Vorgesetzten gesprochen? Wann kommt der? Wenn ich ehrlich bin, brauchen wir nicht zwingend eine Vertretung, wir kommen auch so gut zurecht.“
Ihre Vorgesetzte und Leos Lebensgefährtin Viktoria Untermaier war vor einigen Wochen schwer verletzt worden und musste gegen ihren Willen nun doch zur Reha, denn der Heilungsprozess verlief nicht so, wie es sich die Ärzte und vor allem Viktoria selbst erhofft hatten. Sie hatte starke Schmerzen und die Wunde heilte nur sehr langsam. Auch ihre Psyche hatte durch dieses Ereignis sehr gelitten; sie schlief schlecht, hatte Alpträume und wachte nachts mehrmals schweißgebadet auf. Leo, die Ärzte und auch die Kollegen hatten sie geradezu angefleht, diese Reha zu machen, bis sie schließlich klein bei gab. Sie war nach ihrem Krankenstand nun schon zwei Wochen auf Kur und ihr Posten musste dringend besetzt werden. Rudolf Krohmer, der Chef der Mühldorfer Polizei, drückte sich um diese Angelegenheit und hoffte, diese so lange hinausschieben zu können, bis Viktoria Untermaier wieder fit war und arbeiten konnte. Aber das Innenministerium lag ihm im Nacken, denn den Posten für so lange Zeit unbesetzt zu lassen, war ungewöhnlich und konnte nicht geduldet werden. Krohmer war nicht zu beneiden, denn er konnte diesen Posten nicht mit den eigenen Leuten besetzen. Leo Schwartz war für diesen Posten zu neu im Team, außerdem hing ihm immer noch die Sache in Ulm nach, weswegen er vor einem Jahr hierher nach Mühldorf am Inn versetzt wurde. Schade eigentlich, denn er hatte die richtigen Voraussetzungen. Werner Grössert war zu jung, obwohl er sich bestimmt sehr gefreut hätte, wenn man ihm diesen verantwortungsvollen Posten zumindest zeitweilig übertragen hätte. Hans Hiebler hatte sofort abgelehnt, als er ihn gefragt hatte, denn er befand sich dafür als ungeeignet und hatte keinerlei Ambitionen, dort jemals hinzugelangen - er war zufrieden mit seinem Job und seinem Rang und wollte daran nichts ändern. Dem Chef der Mühldorfer Polizei blieb somit nichts anderes übrig, als ein Gesuch nach München zu richten, was er auf Drängen auch getan hatte. Es hatte sich tatsächlich eine geeignete Person gefunden, wovon die Mühldorfer Kriminalbeamten noch nichts ahnten. Krohmer würde sie erst später davon unterrichten.
„Mensch, Fuchs, jetzt machen Sie es doch nicht so spannend! Was können Sie uns sagen?“ Hans Hiebler war ungeduldig, denn er wartete nicht gerne, vor allem nicht in dieser brütenden Hitze.
„Sie werden sich schon gedulden müssen, bis ich Ihnen Auskunft geben kann,“ antwortete Fuchs, ohne auch nur einen Moment aufzublicken. Er genoss diesen Moment der Macht und wollte jede Sekunde auskosten. Er fand, dass seine Arbeit und vor allem seine Person von den Kollegen nicht genug gewürdigt wurde und fühlte sich momentan sehr wichtig.
Plötzlich stieg eine ältere Frau in derben Wanderschuhen, Jeans und einer bunten Bluse über die Absperrung und ging direkt auf Friedrich Fuchs zu, noch bevor die Polizisten eingreifen und sie zurückhalten konnten. Natürlich hatten sie die Frau gesehen, nahmen aber an, dass sie eine Spaziergängerin war.
„Was fällt Ihnen ein?“, schrie Friedrich Fuchs aufgebracht, sprang auf und rannte auf die Frau zu. „Machen Sie sofort, dass Sie wegkommen. Sind Sie blind? Sehen Sie nicht, dass das ein abgesperrter Tatort ist?“
Ohne ein Wort zu sagen, zeigte die kleine, schlanke 58-jährige Frau mit den feuerroten Locken ihren Ausweis.
„Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie nicht sofort erkannt habe, aber die Sonnenbrille.... Mein Name ist Friedrich Fuchs, Leiter der Spurensicherung Mühldorf. Natürlich kenne ich Sie Frau Westenhuber, es ist mir eine Ehre.“
Friedrich Fuchs war sehr kleinlaut geworden, flüsterte nun fast. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und verbeugte sich leicht.
„Was haben wir?“, fragte die Frau knapp mit Blick auf die Leiche.
Die Polizisten Grössert, Hiebler und Schwartz hatten die Szene beobachtet und waren nun ebenfalls über die Absperrung getreten. Wer war die Frau? Und warum verhielt sich Fuchs so unterwürfig und gab bereitwillig Auskunft?
„Männliche Leiche, ca. 35-40 Jahre alt, südländischer Typ, er hat keinerlei Papiere, Handy oder Ähnliches bei sich. Im Rücken hat er zwei Einschüsse, außerdem waren die Hände auf dem Rücken mit einem Kabelbinder fixiert. Die Verletzung im Gesicht wurde ihm beigefügt, als er noch lebte.“
„Und dafür haben Sie so lange gebraucht? Na ja,“ sagte Frau Westenhuber mit tiefer Stimme.
„Das ist natürlich auch nur ein grober Erstbericht.“
„Natürlich.“
Sie ließ Fuchs stehen und gab den Polizisten einen Wink, ihr zu folgen.
„Ich möchte mich bei Ihnen vorstellen: Waltraud Westenhuber mein Name. Ich bin für die Zeit der Abwesenheit von Frau Untermaier deren Vertretung und hoffe auf eine gute, faire Zusammenarbeit. Ich bin kein Freund von Herumgequatsche, sondern liebe es, wenn Dinge beim Namen genannt werden. Für mich zählen hauptsächlich Fakten, wobei ich für jede Anregung oder auch für jede Phantasie durchaus zugänglich bin. Sie müssen Leo Schwartz sein,“ wandte sie sich an Leo. „Ich habe schon viel von Ihnen gehört und bin beeindruckt. Allerdings können Sie sich solche Alleingänge wie bei Ihrem letzten Fall in Ulm bei mir abschminken. Wenn Sie vorhaben, auf eigene Faust fremde Personen in den Fall zu involvieren, bekommen Sie mächtig Ärger. Hier passiert nichts ohne mein Wissen und ohne meine Zustimmung, haben wir uns verstanden?“ Leo nickte nur und verstand sofort, worauf sie anspielte. Die Frau kannte seine Akte. Und sie hatte offensichtlich von seiner Freundin und Ulmer Pathologin Christine Künstle gehört, die ihm hier in Mühldorf in dem einen oder anderen Fall unbürokratisch schon mal zur Hand ging und unterstützt hatte. Christine war auch bei den Mühldorfer Kollegen sehr beliebt und bislang griff er gerne auf sie zurück, vor allem, wenn sie medizinische oder pathologische Hilfe benötigten.