wortreich Mr. Watkins eben noch gewesen war, verfiel er jetzt doch sogleich in merkwürdiges Stillschweigen und blies stumm Rauchwolken in die Luft.
Da öffnete sich die Thür. Mit einem Glase auf silbernem Präsentirteller trat eben ein junges Mädchen in's Zimmer.
Das hübsche Kind, der die große, auf den Farmen des Veld beliebte Haube ganz reizend stand, war mit einem einfachen, kleingeblümten Leinenkleide angethan. Neunzehn bis zwanzig Jahre alt, von sehr zartem Teint, mit schönem blonden, sehr feinem Haar, großen blauen Augen und sanften aber heiteren Zügen, war sie ein Bild der Gesundheit, der Grazie und des frohen Lebensmuthes.
»Guten Tag, Herr Méré, sagte sie auf Französisch, aber mit leichtem englischen Anklange.
– Guten Tag, Fräulein Alice, antwortete Cyprien Méré, der sich bei dem Eintritte des jungen Mädchens erhoben und vor ihr verneigt hatte.
– Ich hatte Sie kommen sehen, Herr Méré, fuhr Miß Watkins fort, wobei sie unter liebenswürdigem Lächeln die schönen weißen Zähne sehen ließ, und da ich weiß, daß Sie den abscheulichen Gin meines Vaters nicht lieben, bringe ich Ihnen ein Glas Orangeade, mit dem Wunsche, daß es schön frisch sein möge.
– Sehr liebenswürdig von Ihnen, mein Fräulein.
– Ah, da fällt mir ein, denken Sie sich, was Dada, mein Strauß, heute verzehrt hat, fuhr sie unbefangen fort. Meine Elfenbeinkugel zum Ausbessern der Strümpfe. Und die war übrigens ziemlich groß. Sie kennen sie ja, Herr Méré, ich erhielt sie erst direct vom Billard in New-Rush ... Und dieser Vielfraß, die Dada, hat sie verschluckt, als wenn's eine Pille wäre! Wahrlich, dieses böse Thier wird mich noch früher oder später vor Aerger umbringen.«
Während sie so sprach, bewahrte Miß Watkins im Winkel ihrer blauen Augen einen kleinen lustigen Strahl, der nicht auf besondere Lust, jene düstere Vorhersage, nicht einmal später, zu rechtfertigen, hinwies. Mit dem den Frauen eigenen Feingefühl bemerkte sie doch sehr bald das Stillschweigen ihres Vaters und des jungen Ingenieurs, sowie deren offenbar in Folge ihrer Gegenwart verlegenen Mienen.
»Es sieht ja aus, als ob ich die Herren belästigte, sagte sie; Sie wissen, daß ich sofort gehe, wenn Sie Geheimnisse haben, die für mein Ohr nicht bestimmt sind. Uebrigens hab' ich auch gar keine Zeit übrig Ich muß noch eine Sonate üben, bevor ich das Essen zurecht mache. Ja, ich sehe schon, Sie sind heute zum Plaudern nicht aufgelegt, meine Herren! – Gut, ich überlasse Sie Ihren schwarzen Anschlägen!«
Damit ging sie schon hinaus, kehrte jedoch noch einmal um und sagte gelassen, obwohl sie einen sehr ernsten Gegenstand berührte:
»Wenn Sie mich nun über den Sauerstoff fragen wollen, Herr Méré, stehe ich gern zu Ihrer Verfügung. Das Capitel der Chemie, welches Sie mir zum Lernen aufgaben, hab' ich nun dreimal durchgenommen, und jener »gasförmige, farb-, geruch- und geschmacklose Körper« hat für mich kein Geheimniß mehr.«
Dabei machte Miß Watkins eine graziöse Verbeugung und verschwand wie ein lichter Meteor.
Gleich darauf erklangen aus einem entfernten Zimmer her die Accorde eines vortrefflichen Pianos und verriethen, daß das junge Mädchen mit allem Eifer ihren musikalischen Uebungen oblag.
»Nun also, Herr Watkins,« nahm Cyprien, dem diese liebliche Erscheinung seine Frage wieder in Erinnerung gerufen hatte, wenn er sie überhaupt hätte vergessen können, das Wort, »wollen Sie mir gefälligst Antwort geben auf die Frage, welche ich die Ehre hatte, an Sie zu richten?«
Mr. Watkins nahm die Pfeife feierlichst aus dem Mundwinkel, spuckte einmal auf die Erde aus, und warf dann schnell den Kopf zurück, während seine Augen einen forschenden Blick auf den jungen Mann schossen.
»Sollten Sie, Herr Méré,« fragte er, »mit ihr zufällig schon davon gesprochen haben?«
– Gesprochen, worüber? ... Gegen wen?
– Ueber das, was Sie eben sagten? ... Gegen meine Tochter?
– Für wen halten Sie mich, Herr Watkins! erwiderte der junge Ingenieur mit einer Wärme, die keinen Zweifel aufkommen ließ. Ich bin Franzose, Herr Watkins! ... Ich brauche Sie also wohl nicht zu versichern, daß ich mir nie erlaubt haben würde, ohne Ihre Zustimmung gegen Ihr Fräulein Tochter von einer Verheiratung zu sprechen!«
Mr. Watkins Blick wurde wieder sanfter, und damit schien sich auch seine Zunge besser zu lösen.
»Das ist am besten! ... Brav, junger Mann! Ich erwartete von Ihrer Discretion gegenüber Alice nichts Anderes! antwortete er in ziemlich trockenem Tone. Und da man zu Ihnen Vertrauen haben kann, werden Sie mir Ihr Wort geben, ihr in Zukunft auch nichts davon zu erwähnen.
– Und warum, mein Herr?
– Weil diese Heirat unmöglich und es am besten ist, wenn Sie dieselbe gänzlich aus Ihren Plänen streichen, antwortete Mr. Watkins. Sie sind ein ehrenwerther junger Mann, Herr Méré, ein vollkommener Gentleman, ein ausgezeichneter Chemiker, ein hervorragender Lehrer Ihres Faches, von großer Zukunft – daran zweifle ich nicht im mindesten – meine Tochter aber werden Sie nicht erhalten, aus dem einfachen Grunde, weil ich bezüglich derselben ganz andere Absichten habe.
– Indeß, Herr Watkins ...
– Kommen Sie nicht darauf zurück ... Es wäre unnütz! ... erwiderte der Farmer. Und wären Sie Herzog und Pair von England, so würden Sie mir doch nicht passen. Nun sind Sie nicht einmal englischer Unterthan und erklären eben mit größter Unbefangenheit, daß Sie auch kein Vermögen besitzen. Nun aufrichtig, glauben Sie, ich hätte meine Alice so erzogen, wie es geschehen ist, hätte ihr die besten Lehrer von Victoria und Bloëmfontain gehalten, um sie mit kaum vollendetem zwanzigsten Jahre aus dem Hause zu schicken, um in Paris, Universitätsstraße, im dritten Stockwerke zu leben, und das mit einem Manne, dessen Sprache ich nicht einmal verstehe? ... Ueberlegen Sie sich das, mein Herr Méré, und denken Sie sich an meine Stelle! ... Nehmen Sie an, Sie wären der Farmer John Watkins, Eigenthümer der Mine der Vandergaart-Kopje, und ich, ich wäre Herr Cyprien Méré, ein junger französischer Gelehrter, der zu Forschungszwecken nach dem Cap der Guten Hoffnung gekommen wäre. Malen Sie sich's aus, Sie säßen hier im Zimmer, in meinem Lehnstuhle, und schlürften ihren Gin bei einer Pfeife des besten Hamburger Tabaks; würden Sie dann eine Minute, ja nur eine einzige, daran denken, Ihre Tochter unter diesen Verhältnissen heiraten zu lassen?
– Ganz gewiß, Herr Watkins, antwortete Cyprien, und ohne zu zögern, wenn ich an Ihnen diejenigen Eigenschaften gefunden zu haben glaubte, welche das Lebensglück meines Kindes gewährleisten könnten.
– So! Dann thäten Sie unrecht, mein lieber Herr, sehr unrecht! erwiderte Mr. Watkins. Sie handelten dann wie ein Mensch, der nicht würdig wäre, die Mine von Vandergaart-Kopje zu besitzen, oder Sie könnten diese vielmehr gar nicht besitzen. Denn glauben Sie vielleicht, sie wäre mir als gebratene Taube zugeflogen? Meinen Sie etwa, es hätte keiner Intelligenz, keines eisernen Fleißes bedurft, um sie anzulegen und vorzüglich mir deren Besitz zu sichern? ... Nun also, Herr Méré, diese verständige Einsicht, von welcher ich damals, bei jener denkwürdigen und entscheidenden Angelegenheit Beweise an den Tag gelegt habe, ziehe ich gern bei allen Vorkommnissen meines Lebens zu Rathe, und vorzüglich dann, wenn diese auch meine Tochter betreffen. Eben deshalb aber wiederhole ich Ihnen, streichen Sie diese Pläne aus Ihren Papieren. Alice ist nicht für Sie geschaffen!«
Nach diesen mit triumphirendem Tone ausgesprochenen Schlußworten ergriff Mr. Watkins sein Glas und that daraus einen herzhaften Zug.
Der junge Ingenieur war wie vom Donner gerührt und wußte keine Antwort zu finden. Als der Farmer das bemerkte, trieb er ihn noch weiter in die Enge.
»Sie sind doch sonderbare Schwärmer, die Franzosen! fuhr er fort; sie halten wahrlich gar nichts für unmöglich. Sie kommen an, als wenn sie vom Monde herabgefallen wären, erscheinen im Herzen vom Griqualand bei einem grundehrlichen Manne, der bis vor drei Monaten noch kein Sterbenswörtchen von ihnen gehört, und den sie selbst kaum zehn Mal in diesen neunzig Tagen gesehen haben. Sie suchen denselben auf und sagen ohne Umstände zu ihm: John Stapleton Watkins, Sie haben eine reizende, vortrefflich erzogene