derselben vorzunehmen. Seine erste Sorge bestand also darin, sich eine ruhige Wohnung zu verschaffen, wo er sein Laboratorium einrichten konnte, welches sozusagen als Mittelpunkt für die vorzunehmenden Ausflüge in dem Minendistricte dienen sollte.
Der kleine Hügel, aus dem sich die Farm Mr. Watkins' erhob, erregte bald seine Aufmerksamkeit als eine Stelle, welche für seine Arbeiten besonders günstig gelegen war. Hinreichend entfernt von dem Lagerplatze, um von dieser lärmenden Nachbarschaft nicht zu sehr gestört zu werden, befand sich Cyprien hier etwa eine Stunde von den entfernten Kopjen – denn der ganze Diamantenbezirk hatte nur einen, zehn bis zwölf Kilometer nicht übersteigenden Umfang. So genügte dem jungen Ingenieur denn ein halber Tag, um eines der verlassenen Häuser von John Watkins auszuwählen, sich mit Letzterem über den Miethpreis zu einigen und sich daselbst einzurichten.
Der Farmer selbst kam ihm dabei ziemlich wohlwollend entgegen. Eigentlich langweilte er sich doch recht stark in seiner Einsamkeit und sah es mit großem Vergnügen, daß sich ganz in seiner Nähe ein junger Mann niederließ, durch den er einige Abwechslung in dem alltäglichen Treiben erwarten zu können hoffte.
Wenn Mr. Watkins darauf gerechnet hatte, in ihm einen Tischgenossen und Liebhaber der Ginflasche zu finden, so hatte er sich freilich arg getäuscht. Kaum fertig mit der Aufstellung seiner Retorten, Oefen und Reagenzgläser in dem verlassenen Häuschen, und selbst noch bevor die wichtigsten Stücke seines Laboratoriums eingetroffen waren, begann Cyprien schon seine geologischen Ausflüge in die Umgebung. Auch des Abends, wenn er gänzlich erschöpft und beladen mit Felsenbruchstücken in seiner Zinktrommel, in der Jagdtasche, in den übrigen Taschen und oft selbst im Hute heimkam, empfand er natürlich weit mehr Verlangen, sich niederzulegen und auszuschlafen, als auf die alten Erzählungen und das Geschwätz des Mr. Watkins zu lauschen. Uebrigens rauchte er sehr wenig und trank noch weniger. Das entsprach aber gar nicht der Vorstellung von einem lustigen Genossen, die sich der Farmer vorher zurecht gelegt hatte.
Nichtsdestoweniger benahm sich Cyprien so gefällig und gutmüthig, war er so einfach im Auftreten und trotz seiner reichen Kenntnisse bescheiden im Urtheil, daß es unmöglich wurde, ihn täglich zu sehen, ohne ihn lieb zu gewinnen. Mr. Watkins empfand also – vielleicht gab er sich darüber selbst gar keine Rechenschaft – weit mehr Achtung vor dem jungen Ingenieur, als er je vorher gegen Jemand gehegt hatte. Wenn der Bursche nur auch tüchtig getrunken hätte! Was soll einer aber anfangen mit einem Menschen, der seine Kehle niemals mit einem Tropfen Gin anfeuchtet? So lautete gewöhnlich der Schluß des Urtheils, welches der Farmer gelegentlich über seinen Miethsmann abgab.
Die Miß Watkins hatte sich sehr schnell mit dem jungen Gelehrten auf guten, freundschaftlichen Fuß zu stellen gewußt. Da sie an ihm ebenso sein feines Benehmen, wie eine geistige Ueberlegenheit erkannte, die ihrem gewöhnlichen Umgang völlig fehlte, ergriff sie eifrig die sich bietende Gelegenheit, durch Aneignung gründlicher Kenntnisse in der Experimentalchemie ihre übrigens nicht schlechte und ziemlich vielseitige Bildung zu bereichern, welche sie durch eigenen Fleiß aus verschiedenen wissenschaftlichen Werken geschöpft hatte.
Das Laboratorium des jungen Ingenieurs mit seinen merkwürdigen Apparaten interessirte sie ganz mächtig. Bezüglich alles dessen, was die Natur des Diamanten betraf, dieses kostbaren Steines, der in der Unterhaltung, wie in dem Handel des Landes eine so hervorragende Rolle spielte, herrschte zwischen ihr und ihm eine merkwürdige Übereinstimmung. Im Grunde war Alice nämlich geneigt, diesen Stein kaum höher als einen gewöhnlichen Kiesel zu schätzen. Cyprien – das bemerkte sie sehr bald – theilte nach dieser Seite offenbar ihre eigenen Anschauungen. Die gegenseitige Mittheilung dieser Ansichten trug natürlich noch dazu bei, das schnell geknüpfte Freundschaftsband zwischen ihnen nur zu befestigen.
Man darf wohl sagen, daß sie im Griqualande wohl die einzigen Wesen waren, welche den Endzweck des Lebens nicht allein darin erkannten, die kleinen Steine zu suchen, zu schleifen und zu verkaufen, die überall in der Welt so warm begehrt werden.
»Der Diamant, sagte eines Tages der junge Ingenieur, ist im Grunde weiter nichts, als eine reine Kohle; er besteht nur aus krystallisirtem Kohlenstoff, man kann ihn durch Feuer vernichten, wie jedes andere Brennmaterial, und eben diese Eigenschaft der Verbrennlichkeit hat zuerst zu einer Muthmaßung über seine eigentliche Natur geführt. Newton, der so Vieles scharf beobachtete, hatte wahrgenommen, daß der geschnittene Diamant das Licht stärker als alle anderen transparenten Körper zurückwarf. Da er nun wußte, daß dieser Charakter vor allem den brennbaren Substanzen zukommt, schloß er mit dem ihm eigenen Scharfsinn aus dieser Thatsache, daß der Diamant auch brennbar sein »müsse«, und das Experiment bestätigte völlig seine Annahme.
– Doch, Herr Méré, wenn der Diamant nichts Anderes als Kohle ist, warum wird er so theuer verkauft? fragte das junge Mädchen.
– Weil er sehr selten vorkommt, Fräulein Alice, antwortete Cyprien, und in der Natur bisher nur in ganz geringen Mengen gefunden wurde. Lange Zeit erhielt man denselben nur aus Indien, Brasilien und von der Insel Borneo. Ohne Zweifel entsinnen Sie sich, denn Sie mögen damals sieben bis acht Jahre alt gewesen sein, auch der Zeit, wo zum ersten Male auf das Vorkommen des geschätzten Edelsteins in dieser Südprovinz Afrikas hingewiesen wurde.
– Gewiß erinnere ich mich dessen, sagte Miß Watkins. Hier im Griqualande waren die Leute rein toll geworden. Man sah gar nichts mehr, als Männer mit Schaufeln und Hacken, welche den Boden untersuchten, den Bächen ein anderes Bett gaben, um darin den Grund zu besichtigen, und die nur noch von Diamanten träumten und von diesen sprachen. So klein ich damals auch war, Herr Méré, kann ich mich doch noch daran erinnern, daß ich manchmal nicht wußte, wo mir der Kopf stand. Sie sagten jedoch, der Diamant sei so theuer, weil er selten vorkommt Ist das seine einzige schätzenswerthe Eigenschaft?
– Nein, sicherlich nicht. Miß Watkins. Seine Durchsichtigkeit, sein Feuer, wenn er kunstgerecht geschnitten ist, um das Licht zurückzuwerfen, die Schwierigkeit dieser Bearbeitung selbst und endlich seine Alles übertreffende Härte machen ihn zu einem Körper, der auch für den Gelehrten hohes Interesse bietet und, nicht zu vergessen, ihn für die Industrie nützlich erscheinen läßt. Sie wissen, daß man ihn nur mit seinem eigenen Staube poliren kann, und eben seine Härte ist es, die seit einigen Jahren seine Verwendung beim Durchbohren von Felsen veranlaßte. Ohne Mithilfe dieses Steines würde es nicht allein sehr schwierig sein, Glas und andere harte Substanzen zu bearbeiten, sondern auch die Durchbohrung von Tunnels, von Bergwerksstollen, artesischen Brunnen und dergleichen würde sehr bedeutend erschwert sein.
– Ah, nun wird mir's klar, sagte Alice, welche plötzlich eine gewisse Hochachtung vor den armen Diamanten, die sie früher kaum geschätzt hatte, bekam. Doch, Herr Méré, diese Kohle, von der Sie sagen, daß sie sich in krystallisirtem Zustande befindet, – nicht wahr, so ist es wohl richtig ausgedrückt – was ist diese Kohle im Grunde?
– Das ist ein sogenannter einfacher, nicht metallischer Körper, der sonst ungemein häufig in der Natur vorkommt, antwortete Cyprien. Alle organischen Verbindungen ohne jede Ausnahme, das Holz ebenso wie das Fleisch und Brot, enthalten davon eine gewisse Menge. Sie verdanken sogar der Gegenwart der Kohle oder des »Kohlenstoffes« unter ihren Elementen den Grad der Verwandtschaft, welche man zwischen ihnen beobachtet. – Wie merkwürdig! rief Miß Watkins. Also das Gebüsch da, das Gras dieser Weide, der Baum, der uns beschützt, das Fleisch meiner Dada, des Straußes, und ich selbst, auch Sie, Herr Méré, wir bestehen zum Theil aus Kohle ... wie die Diamanten? In der Welt ist wohl Alles aus Kohle?
– Wahrhaftig, Fräulein Alice, schon lange Zeit hat man das sozusagen vorausgefühlt, die heutige Wissenschaft aber bringt Tag für Tag neue Beweise dafür bei; oder mit anderen Worten, sie verkleinert immer mehr und mehr die Zahl der einfachen Elementarkörper, an der früher Niemand zu rütteln wagte. Die Errungenschaften der Spectralanalyse haben in dieser Beziehung auf dem Gebiete der Chemie ganz neues Licht verbreitet. Es könnten vielleicht sogar die zweiundsechzig Substanzen, welche bisher als einfache Elemente oder Fundamental-Körper betrachtet wurden, nur auf einen einzigen Stoff zurückzuführen sein – z. B. auf Wasserstoff – der nur in Folge verschiedener elektrischer, dynamischer und calorischer Verhältnisse in wechselnder Gestalt erschiene.
– O, Sie machen mir Angst, mit so vielen hochtönenden Worten, rief Miß Watkins, erzählen Sie