so hübsche Exemplare zeigten? Das wäre doch weit bequemer, als erst tiefe steile Löcher in die Erde zu graben, um darin Diamanten zu finden.
– Wohl hat man häufig versucht auszuführen, was Sie da erwähnen, sagte Cyprien, und sich bemüht, durch Krystallisation ganz reinen Kohlenstoffes künstliche Diamanten herzustellen, und bis zu einer gewissen Grenze ist das sogar als gelungen zu betrachten. Im Jahre 1853 haben Despretz, und ganz neuerdings ein anderer Gelehrter in England, wirklichen Diamantstaub erzeugt, indem sie ganz reine, von allen Mineralbestandtheilen befreite und übrigens aus Zucker gewonnene Kohle im luftleeren Raum einem sehr starken elektrischen Strome aussetzten. Das Problem ist jedoch noch nicht so weit gelöst, um schon eine gewerbliche Ausnützung desselben in Aussicht zu stellen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit freilich darf man das aber wohl nur als eine Frage der Zeit betrachten. Heute oder morgen, vielleicht in der Stunde, wo wir darüber sprechen, Miß Watkins, kann die künstliche Erzeugung von Diamanten recht wohl entdeckt worden sein.
So plauderten sie lustwandelnd auf der sandigen Terrasse, welche längs der Farm hinlief, oder saßen auch gegen Abend auf der luftigen Veranda und bewunderten die glänzenden Sterne des südlichen Himmels.
Dann verließ Alice den jungen Ingenieur, wenn sie ihn nicht mitnahm, um ihre kleine Straußheerde anzusehen, welche in einem Gehege, am Fuße der kleinen Anhöhe – auf der John Watkins' Wohnung sich befand – gehalten wurde. Der kleine weiße Kopf der Thiere, der den schwarzen Körper so hoch überragt, ihre langen, steifen Beine, die Büschel gelblicher Federn, welche die Flügelenden und den Schwanz zieren, alles das interessirte das junge Mädchen, die es sich seit einem oder zwei Jahren zum Vergnügen machte, ein ganzes Volk dieser riesigen Stelzfüßler aufzuziehen.
Gewöhnlich geht man gar nicht darauf aus, diese Thiere zu zähmen, sondern die Farmer des Caplandes lassen sie meist in halbwildem Zustande aufwachsen. Sie begnügen sich nämlich damit, dieselben in ein möglichst ausgedehntes Gehege einzuschließen, das von einem Zaune aus Messingdraht begrenzt ist – wie man in manchen Ländern solche Drahtwände längs der Eisenbahnstrecken errichtet sieht. Da die Flugfähigkeit der Strauße eine sehr beschränkte ist, vermögen sie nicht über diese ziemlich hohen Zäune zu gelangen. Hier leben sie also das ganze Jahr über in kaum empfundener Gefangenschaft, ernähren sich von dem, was sie finden, und suchen sich verborgene Plätze auf, wo sie ihre Eier ablegen, welche durch sehr strenge Gesetzbestimmungen vor den Händen Unbefugter geschützt sind. Nur zur Zeit der Mauser, wenn die von der Damenwelt Europas so gesuchten Federn eingesammelt werden sollen, treibt man die Strauße durch immer kleiner und kleiner werdende Gehege, bis sie zuletzt so dicht zusammengedrängt sind, daß sie leicht ergriffen und gerupft werden können.
Im Gebiete des Caplandes hat diese Industrie seit einigen Jahren einen bedeutenden Umfang gewonnen, und man darf sich mit Recht darüber wundern, daß sie so zögernd in Algerien eingeführt worden ist, wo sie aller Wahrscheinlichkeit nach den gleichen Erfolg verspricht. Jeder in obiger Weise in Gefangenschaft gehaltene Strauß bringt seinem Eigenthümer, ohne irgend welche nennenswerthe Spesen zu verursachen, ein jährliches Einkommen von hundertsechzig bis zweihundertvierzig Mark. Um das zu begreifen, muß man wissen, daß eine solche Feder von guter Qualität achtundvierzig bis fünfundsiebzig Mark Handelswerth hat, und daß selbst die mittleren und kleinen Federn noch ziemlich hoch bezahlt werden.
Miß Watkins freilich züchtete etwa ein Dutzend dieser großen Vögel nur zu ihrem persönlichen Vergnügen. Es interessirte sie, dieselben ihre ungeheueren Eier ausbrüten, oder sie mit ihren Küchlein ebenso zum Füttern heraneilen zu sehen, wie man das von den Hühnern und Truthühnern kennt. Cyprien begleitete sie zuweilen und streichelte dann gern eines der schönsten Thiere der Heerde, einen Strauß mit schwarzem Kopfe und goldigen Augen, eben jene besonders gepflegte Dada, welche die Elfenbeinkugel verschluckt hatte, die Alice beim Ausbessern von Strümpfen zu benützen pflegte.
Allmählich hatte Cyprien aber doch ein tieferes und wärmeres Gefühl für das junge Mädchen in seinem Herzen erwachen gefühlt, hatte sich gesagt, daß er, um sein Leben voller Arbeit und ernstem Streben zu theilen, keine Genossin von so unschuldigem Herzen, so lebhaftem Geiste und solcher Liebenswürdigkeit im Verein mit vielseitiger Bildung finden könne. Da Miß Watkins ihre Mutter sehr frühzeitig verlor und deshalb den väterlichen Haushalt zu führen genöthigt gewesen war, hatte sie sich dabei ebenso zur erfahrenen Hausfrau, wie zur wirklichen Weltdame ausgebildet, und gerade diese glückliche Mischung ungezwungenen, vornehmen Anstandes und anziehender Einfachheit verlieh ihr einen ganz besonderen Reiz. Ohne die oft thörichten Ansprüche so vieler europäischer Städterinnen, fürchtete sie sich nicht, mit eigener Hand den Teig zu einem Pudding zuzubereiten, den Mittagstisch zu überwachen und sich zu überzeugen, daß die Wäschevorräthe des Hauses immer in gutem Zustande waren. Das hinderte sie aber wieder nicht, Sonaten von Beethoven eben so gut und vielleicht noch besser als manche Andere zu spielen, zwei oder drei Sprachen geläufig zu sprechen, sich an Lectüre zu ergötzen, die Meisterwerke der Literatur aller Culturvölker zu würdigen und endlich bei den kleinen Gesellschaften, welche zuweilen im Hause des einen oder des anderen reichen Farmers der Umgegend abgehalten wurden, mit unzweifelhaftem Erfolge aufzutreten.
Deshalb darf man nicht glauben, daß geistig höher stehende Frauen in jenen Kreisen eine Seltenheit wären. Im Transvaal, wie in Amerika, in Australien und in allen neubesiedelten Ländern, wo die unerläßlichen Arbeiten einer sich überhastet vollziehenden Civilisation alle Thätigkeit der Männer in Anspruch nahmen, ist die Pflege des geistigen Gebiets weit mehr als in Europa fast ausschließliches Vorrecht der Frauen.
So findet man sie auch in allgemeiner Bildung und künstlerischer Fertigkeit ihren Männern und Söhnen meist stark überlegen. Fast alle Reisenden haben Gelegenheit gehabt, nicht ohne Verwunderung bei der Frau eines australischen Goldgräbers oder eines Squatters aus dem fernen Westen musikalische Talente neben gründlichen literarischen und wissenschaftlichen Kenntnissen zu beobachten.
Die Tochter eines Lumpensammlers von Omaha oder eines Fleischwaarenhändlers von Melbourne würde unzweifelhaft erröthen, wenn sie von sich sagen müßte, bezüglich der allgemeinen Bildung, des gesellschaftlichen Anstandes und der Verfeinerung überhaupt unter einer beliebigen Prinzessin des alten Europas zu stehen. In dem Oranje-Freistaate, wo die Erziehung der Mädchen schon längst mit der der Knaben auf gleicher Höhe steht, wo die Letzteren aber die Schulbänke zeitiger verlassen, ist der Unterschied zwischen beiden Geschlechtern noch greller als anderswo. Der Mann ist im Haushalte der »Bread-winner«, der Brodverdiener; er führt mit aller angebornen Rauhheit, mit der Rauhheit, welche ihm seine Beschäftigung in freier Luft aufdrückt, ein Leben voller Anstrengung und Gefahren. Die Frau dagegen erwählt als ihr Gebiet, neben der Erfüllung aller häuslichen Verpflichtungen, die Fortübung in Wissenschaften und Künsten, welche ihr Gatte verachtet oder vernachlässigt.
So ereignet es sich nicht selten, daß eine Blume von Schönheit und vornehmem Reiz gerade am Rande der Wüste aufblüht, und das war der Fall mit der Tochter des Farmers John Watkins.
Alles das hatte Cyprien sich gesagt, und, da er stets gerade auf's Ziel loszugehen gewohnt war, nicht gezögert, seine Bewerbungen um Alice anzubringen.
Ach! Jetzt fiel er gänzlich aus den Wolken und bemerkte zum ersten Male die weite Kluft, welche unübersteiglich zwischen ihm und dem jungen Mädchen gähnte. Es versteht sich von selbst, daß er nach dieser entscheidenden Verhandlung mit recht schwerem Herzen in die eigene Wohnung zurückkehrte. Er war jedoch nicht der Mann, sich einer leeren Verzweiflung zu überlassen, sondern entschlossen, hier, wo er sich befand, zu arbeiten, und bald hatte er in rastloser Tätigkeit ein geeignetes Ableitungsmittel für seinen Kummer gefunden.
Nachdem er sich an seinen kleinen Tisch gesetzt, vollendete der junge Ingenieur mit rascher und sicherer Schrift einen langen vertraulichen Brief, den er am Morgen begonnen und der an seinen verehrten Lehrer Mr. J..., Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Titular-Professor an der Bergwerkschule, gerichtet war.
»... Worauf ich in meinem officiellen Bericht nicht eingehen zu dürfen glaubte, schrieb er, weil es vorläufig nur eine Hypothese von mir betrifft, ist die Anschauung, welche ich mir auf Grund zahlreicher geologischer Beobachtungen über die eigentliche Art der Bildung des Diamanten geschaffen habe. Weder die Hypothese, die ihm einen vulkanischen Ursprung zuschreibt, noch die, welche