Jules Verne

Der Südstern


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aufgehäuft wurde.

      Alle diese Maßnahmen liefen darauf hinaus, in derselben, wenn sie einen solchen enthielt, einen Diamanten zu finden, wär' er auch nicht größer als eine halbe Linse gewesen. Wie glücklich schätzten sich dann die Geschäftstheilhaber, wenn ein Tag nicht ohne Entdeckung eines solchen verlief! Sie wendeten sich ihrer Aufgabe mit wahrem Feuereifer zu und untersuchten das Erdreich ihres Claims mit peinlichster Genauigkeit; Alles in Allem gestalteten sich jedoch während der ersten Tage die Ergebnisse ihrer Mühen fast ganz negativ.

      Vorzüglich schien Cyprien das Glück nicht günstig. Wenn sich ein kleiner Diamant fand, so war es fast stets Thomas Steel, der ihn entdeckte. Der erste, den er das Glück hatte herauszufinden, wog, selbst die anhaftende Gangart mitgerechnet, kaum ein Sechstel Karat.

      Krystalle von zehn Karat, ja selbst solche von nur einem Karat, sind aber verhältnißmäßig selten und nur deshalb bedingen sie einen so hohen Kaufpreis. Hierbei ist noch zu bemerken, daß die Diamanten aus dem Griqualand meist einen gelblichen Schein haben; ein Umstand, der ihren Handelswerth nicht unbeträchtlich herabmindert.

      Die Auffindung eines Steinchens von einem Sechstel Karat nach sieben- oder achttägiger Arbeit bildete gewiß eine sehr dürftige Entschädigung für die darauf verwendete Mühe und Arbeit. Bei einem solchen Lohne wäre es einträglicher gewesen, das Feld zu bearbeiten, Heerden zu hüten, oder auf den Landstraßen Steine zu klopfen. Dieser Gedanke kam auch Cyprien wiederholt in den Sinn. Indeß erhielt die Hoffnung, einmal einen schönen Diamanten zu finden, der mit einem Schlage die Arbeit mehrerer Wochen, selbst mehrerer Monate aufwiegen könnte, ihn ebenso aufrecht, wie andere, und selbst die wenigst vertrauensseligen Steingräber. Thomas Steel machte sich, wenigstens dem äußeren Anscheine nach, über so etwas gar keine Gedanken und arbeitete mit der einmal angenommenen Geschwindigkeit mehr maschinenmäßig weiter.

      Die beiden Geschäftsgenossen frühstückten meist zusammen, wobei sie sich mit Sandwichbrötchen und Bier begnügten, was an einem Büffet unter freiem Himmel verkauft wurde, zu Mittag aßen sie dagegen an einer der gemeinsamen Tafeln, an welche sich die Insassen des ganzen Lagers vertheilten. Am Abend, wenn sie sich trennten, um jeder seines Weges zu gehen, begab sich Thomas Steel gewöhnlich nach einer Billardstube, während Cyprien für eine oder zwei Stunden die Farm aufsuchte.

      Hier hatte der junge Ingenieur öfter das Mißvergnügen, seinen Rivalen, James Hilton, zu treffen, einen großen Burschen mit röthlichem Haar, sehr weißem Teint, dessen Gesicht mit den kleinen Fleckchen übersäet war, die man Epheliden (d. h. Sommersprossen) nennt. Daß dieser Wettbewerber offenbar große Fortschritte in der Gunst John Watkins' machte, indem er noch tapferer Gin trank und noch mehr Hamburger Knaster rauchte als jener, lag ihm deutlich genug auf der Hand.

      Alice schien freilich die bäuerischen Artigkeiten und die sehr platten Reden des jungen Hilton nur mit großem Widerwillen entgegenzunehmen. Seine Gegenwart wurde Cyprien darum jedoch nicht minder unerträglich. Wenn's ihm dann zuweilen zu arg wurde und er fürchten mußte, sich nicht genügend beherrschen zu können, sagte er der Gesellschaft schnell Gute Nacht, und lief aus der Farm davon.

      »Der Franzose ist nicht bei guter Laune, meinte dann John Watkins, seinem Trinkgenossen mit den Augen zublinzelnd. Es scheint, als ob die Diamanten nicht von allein unter seine Hacke kämen.« James Hilton schlug darüber ein rohes, lärmendes Gelächter auf.

      An solchen Abenden verbrachte dann Cyprien gewöhnlich die noch übrige Zeit bei einem alten, grundehrlichen Boer, Namens Jacobus Vandergaart, der ganz in der Nähe des Lagers wohnte.

      Eben von seinem Namen rührte die Bezeichnung der Kopje her, deren Grund und Boden er zur ersten Zeit der Concessionen besessen hatte. Man durfte wohl seiner Behauptung glauben, daß er nur durch Verweigerung der Rechtspflege zu Gunsten John Watkins' um sein Eigenthum gekommen war. Jetzt so gut wie ruinirt, lebte er in einer alten Lehmhütte und betrieb sein Geschäft als Diamantenschneider wie früher in Amsterdam, seiner Vaterstadt, von Neuem.

      Es kam nämlich ziemlich häufig vor, daß die Minengräber, begierig, das wirkliche Gewicht ihrer Steine nach dem Schnitte zu erfahren, ihm dieselben brachten, entweder, um sie nur zu spalten, oder sie auch noch feinerer Bearbeitung zu unterziehen. Solche Arbeiten verlangen aber eine sichere Hand und ein scharfes Auge, und der alte Jacobus Vandergaart, früher ein ausgezeichneter Diamantenschneider und Schleifer, hatte jetzt oft große Mühe, den an ihn gestellten Anforderungen zu entsprechen.

      Cyprien, der ihm seinen ersten Diamanten zur Fassung in einen Ring übergeben hatte, empfand bald eine herzliche Zuneigung zu dem Alten. Er saß gern in der bescheidenen Werkstätte, um ein Stündchen zu verplaudern, oder allein um dem Insassen Gesellschaft zu leisten, während dieser an seinem Steinschneidertische thätig blieb. Mit seinem weißen Barte, der kahlen Stirn, auf der ein schwarzes Sammetkäpsel thronte, mit der langen Nase und der großen rundglasigen Brille darauf, bot Jacobus Vandergaart ganz den Anblick eines Alchemisten des fünfzehnten Jahrhunderts mitten unter seinen wunderlichen Werkzeugen und geheimnißvollen Flaschen.

      In einer nahe dem Fenster angebrachten Mulde befanden sich die rohen Diamanten, welche Jacobus Vandergaart anvertraut worden waren, und die zuweilen einen sehr beträchtlichen Werth darstellten. Wollte er einen solchen spalten, dessen Krystallisation seiner Ansicht nach zu wünschen übrig ließ, so begann er damit, mit Hilfe eines Vergrößerungsglases die Spaltflächen aufzusuchen, welche alle Krystalle in Lamellen mit parallelen Seiten theilen; dann machte er mit der Schneide eines schon gespaltenen Diamanten in gewünschter Richtung einen Ritz, setzte eine feine Stahlklinge in diesen ein und führte einen kurzen Schlag darauf.

      Damit war der Diamant an einer Fläche gespalten, und dieses Verfahren wurde nachher bezüglich der anderen wiederholt.

      Wollte Jacobus Vandergaart dagegen den Stein schneiden oder, um es deutlicher auszudrücken, nach bestimmter Form schleifen, so zeichnete er zunächst dessen Gestalt auf die umgebende Gangart, und deutete darauf die beabsichtigten Facetten an. Dann brachte er jeden dieser Steine in Berührung mit einem zweiten Diamanten und setzte einen gegen den anderen einer langen Reibung aus. Die beiden Steine schliffen sich dabei gegenseitig ab und nach und nach trat die eigentliche Facette zu Tage.

      Auf diese Weise gab Jacobus Vandergaart dem Edelstein eine der jetzt durch langen Gebrauch eingeführten Formen, welche alle unter die folgenden Abtheilungen fallen: Der »Brillant von doppeltem Gut«, der »Brillant von einfachem Gut« und die »Rosette«.

      Der doppelte Brillant besteht aus vierundsechzig Facetten, einer Tafel und der Culasse.

      Der Brillant von einfachem Gut bildet oben nur die Hälfte des vorigen. Die Rosette hat nur einen flachen Untertheil und einen kuppelartig von Facetten unterbrochenen Obertheil.

      Ausnahmsweise hatte Jacobus Vandergaart wohl auch eine »Briolette«, d. h. einen Diamant zu schneiden, der ohne ein eigentliches Ober- und Untertheil mehr die Gestalt einer Birne hat. In Indien versieht man die Brioletten mit einem Loche in der Nähe des dünneren Endes, um eine Schnur hindurch zu ziehen.

      »Pendeloques« dagegen, welche der alte Steinschneider weit häufiger unter die Hände bekam, bilden nur Halbbirnen mit Tafel and Culasse, die an der Vorderseite Facetten tragen.

      Wenn der Diamant geschnitten ist, muß er, um vollkommen zu sein, noch polirt werden. Das geschieht mittelst einer Art Schleifscheibe aus hartem Stahl von etwa achtundzwanzig Centimeter Durchmesser, welche