Charles Dickens

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Hand um.

      »Wir haben es außer Hause schreiben lassen, Sir. Wir ließen damals gerade ziemlich viel außer Hause schreiben. Ich brauche aber bloß in meinem Buch nachzusehen, wer es kopiert hat.«

      Mr. Snagsby nimmt sein Buch aus dem Schrank, würgt noch ein Mal an dem Bissen Butterbrot, der unterwegs stecken geblieben zu sein scheint, beäugt das Affidavit von der Seite und fährt mit dem rechten Zeigefinger die Seite im Buch hinunter.

      »Jewby... Packer... Jarndyce. Jarndyce! Da ist es, Sir. Richtig! Ich hätte es gleich wissen können. Das ist von einem Schreiber, der nicht weit von hier auf der andern Seite der Gasse wohnt.«

      Mr. Tulkinghorn hat den eingetragenen Namen längst vor dem Law Stationer erblickt und gelesen, während dieser noch mit dem Finger die Seite entlang fuhr.

      »Wie heißt er? Nemo?« fragt Mr. Tulkinghorn.

      »Nemo, Sir. Hier ist es. Folio Nr. 42. – Übergeben Mittwoch abends um acht Uhr, abgeliefert Donnerstag früh halb zehn Uhr.«

      »Nemo?« wiederholt Mr. Tulkinghorn. »Nemo heißt auf lateinisch Niemand.«

      »Dann muß es auf englisch Jemand heißen.« Mr. Snagsby hüstelt unterwürfig. »Jemand heißt so. Hier steht es. Sie sehen, Sir! Folio 42. Übergeben Mittwoch abends acht Uhr, abgeliefert Donnerstag früh halb zehn.«

      Mr. Snagsby erspäht, daß Mrs. Snagsbys Kopf zur Tür hereinguckt, um zu sehen, was dieses Wegbleiben vom Tee bedeuten soll. Mr. Snagsby richtet ein erklärendes Husten an Mrs. Snagsby, das soviel sagen soll wie: Lieber Schatz, ein Kunde!

      »Halb zehn, Sir«, wiederholt Mr. Snagsby. »Unsre Advokatenschreiber, die auf Stück arbeiten, sind sonderbare Leute; und Nemo ist vielleicht nicht sein wahrer Name, aber er ist unter dem Namen bekannt. Ich erinnere mich jetzt, Sir, daß er ihn selbst in einem geschriebenen Anschlag in den verschiedenen Gerichtskanzleien unten so angibt. Sie kennen diese Art Anschläge, Sir – 'Bitte um Beschäftigung' usw.«

      Mr. Tulkinghorn blickt durch das kleine Fenster in den Hof von Coavins, dem Polizeiamt, wo Lichter Coavins Fenster erhellen. Coavins Kaffeezimmer führt nach hinten hinaus, und die Schatten mehrerer schuldenbedrängter Gentlemen bewegen sich hinter den Gardinen.

      – Mr. Snagsby benützt die Gelegenheit, um ein wenig den Kopf zu wenden, sich über die Achsel nach seiner kleinen Gattin umzusehen und mit den Lippen Zeichen zu geben: Tul-king-horn – reich – gro-ßer –Einfluß. –

      »Haben Sie den Mann schon früher beschäftigt?« fragt Mr. Tulkinghorn.

      »Gewiß, ja, Sir, zu dienen. In Arbeiten von Ihnen.«

      »Ich dachte an wichtigere Dinge und habe vergessen, wo er wohnt.«

      »Über der Gasse drüben, Sir! Er wohnt eigentlich« – wieder würgt Mr. Snagsby, als ob er den Bissen Butterbrot nicht herunter bekommen könnte – »er wohnt eigentlich bei einem Lumpenhändler.«

      »Könnten Sie mir das Haus auf dem Rückweg zeigen?«

      »Mit größtem Vergnügen, Sir!«

      Mr. Snagsby wirft die Schreibärmel und den grauen Kittel ab, zieht seinen schwarzen Rock an und nimmt den Hut vom Haken. »Ah, da ist meine kleine Frau«, sagt er laut. »Meine Liebe, sei so gut und schicke einen der Burschen in den Laden heraus, während ich mit Mr. Tulkinghorn über die Straße gehe. – Mrs. Snagsby, Sir! – Ich bleibe höchstens zwei Minuten aus, meine Liebe.«

      Mrs. Snagsby verbeugt sich vor dem Advokaten, zieht sich hinter den Ladentisch zurück, betrachtet die beiden durch die Fenstervorhänge, geht leise in das Hinterstübchen und sieht in dem Buche nach, das immer noch aufgeschlagen daliegt. Sie ist selbstverständlich neugierig.

      »Sie werden die Lokalität wunderlich finden, Sir«, sagt Mr. Snagsby, während er ehrerbietig auf dem Fahrweg geht und den schmalen Fußsteig dem Advokaten überläßt. »Und auch der Mann selber ist recht sonderbar. Aber es ist im allgemeinen eine wilde Horde. Der Vorzug des Mannes ist, daß er keinen Schlaf braucht. Er geht an eine Arbeit, die man ihm gibt, sofort und bringt sie zu Ende in einem Zug, wenn es auch noch so lang dauert.«

      Es ist ganz dunkel geworden, und die Gaslampen leuchten in voller Kraft. Durch einen Strom von Advokatenschreibern, die mit Briefen zur Post gehen, von Advokaten und Substituten, die zum Essen nach Hause eilen, von Klägern und Verklagten und Prozessierenden aller Art und durch das allgemeine Gewühl, in dessen Weg die forensische Weisheit von Generationen bei der Verrichtung der gewöhnlichsten Geschäfte eine Million von Hindernissen geworfen hat, und durch das stammverwandte Mysterium des Straßenschmutzes, von dem niemand weiß, woraus er sich bildet und wie und wo er sich um uns ansammelt – wir wissen bloß, daß er weggeschaufelt werden muß, wenn er sich zu sehr angehäuft hat –, waten und arbeiten sich der Advokat und der Schreibmaterialienhändler und kommen endlich zu einem Hadernladen, wo außer Lumpen noch Abfall aller Art angesammelt ist.

      Der Laden liegt im Schatten der Mauer von Lincoln's Inn und gehört, wie die Firmatafel allen, die es interessiert, verkündet, einem gewissen Krook.

      »Hier wohnt er, Sir«, erklärt der Schreibmaterialienhändler.«

      »So, so, hier wohnt er«, sagt der Advokat gleichgültig. »Danke bestens.«

      »Wollen Sie nicht hinein, Sir?«

      »Ach nein; ich gehe wieder in die Kanzlei. Guten Abend. Danke schön!«

      Mr. Snagsby zieht den Hut und kehrt zu seiner kleinen Frau und seinem Tee zurück.

      Aber Mr. Tulkinghorn geht durchaus nicht in die Kanzlei. Er geht wohl eine kleine Strecke weiter, kehrt aber dann um und tritt in Mr. Krooks Laden. Es ist finster genug darin. Ein trüb brennendes Licht steht im Fenster, und ein alter Mann und eine Katze sitzen hinten beim Ofen. Der alte Mann steht auf und kommt mit einem zweiten trüb brennenden Licht in der Hand dem Besuch entgegen.

      »Bitte, ist die Mietspartei, die hier wohnt, zu Hause?«

      »Die männliche oder die weibliche, Sir?« fragt Mr. Krook.

      »Der Schreiber, der Akten kopiert.«

      – Mr. Krook mustert seinen Mann. Er kennt ihn vom Sehen. Er hat eine unklare Empfindung von seinen Beziehungen zum Adel. –

      »Wünschen Sie ihn zu sprechen, Sir?«

      »Ja.«

      »Ich sehe ihn selber nur selten«, sagt Mr. Krook mit einem Zähnefletschen. »Soll ich ihn herunterrufen? 's ist freilich wenig Aussicht, daß er kommt, Sir.«

      »Dann will ich hinaufgehen«, sagt Mr. Tulkinghorn.

      »Zweiter Stock, Sir! Nehmen Sie die Kerze. Hier hinauf!«

      Mr. Krook und neben ihm die Katze stehen unten an der Treppe und blicken Mr. Tulkinghorn nach.

      »Hi-hi!« sagt er, als Mr. Tulkinghorn fast verschwunden ist. Der Advokat blickt über das Geländer hinab. Die Katze reißt weit den Rachen auf und faucht ihn an.

      »Ruhig, Lady Jane! Anständig sein gegen Besuche, Mylady!«

      »Sie wissen doch, was die Leute von meinem Mieter glauben?« flüstert Krook und tritt ein paar Stufen die Treppe hinauf.

      »Was glauben sie denn?«

      »Sie sagen, er habe sich dem Teufel verkauft; aber Sie und ich wissen das besser – der kauft nicht. Ich will Ihnen aber einen Rat geben. Mein Mieter ist so übellaunisch und gallig, daß ich glaube, er würde sofort in den Handel einwilligen. Bringen Sie ihn nicht auf, Sir!«

      Mr. Tulkinghorn nickt und geht weiter.

      – Er kommt an eine dunkle Tür im zweiten Stock, klopft, bekommt keine Antwort, macht die Tür auf und löscht dabei zufällig die Kerze aus. –

      Die Luft im Zimmer ist fast so schlecht, daß sie das Licht ausgelöscht haben würde, wenn er es nicht getan hätte. Es ist ein kleines Zimmer, fast schwarz von Ruß,