Sarah Glicker

Seal Team 9


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mir meine Kollegin Amelie wütend zu. „Also sollten wir das Gute daran sehen und hoffen, dass wir uns bald um etwas anderes kümmern können.“

      Man könnte meinen, dass sie darauf achtet, dass sie sonst niemand hört. Doch ich brauche nur einen Blick in ihr Gesicht zu werfen, um zu wissen, dass es ihr eigentlich egal ist. Und so kenne ich sie auch.

      Seitdem ich sie das erste Mal gesehen habe, hat sie irgendein Problem mit mir. Bis jetzt hat sie mir gegenüber aber noch kein Wort darüber verloren, was ihr verdammtes Problem ist. Daher habe ich beschlossen, dass es ihres ist und nicht meines.

      Wir arbeiten schon seit ein paar Jahren in der gleichen Abteilung. Allerdings ist es das erste Mal, dass wir mit dem gleichen Fall betraut sind. Und wenn ich mir überlege, wie es die letzte Zeit zwischen uns lief, ist das wahrscheinlich auch besser so.

      Ich kann nicht einmal ansatzweise sagen, was ihr Problem ist. Allerdings habe ich sie auch noch nie danach gefragt. Schließlich hat es mich nicht interessiert. Ich habe immer meinen Job gemacht und sie ihren. Dabei sind wir uns nicht in die Quere gekommen.

      Und wenn ich ehrlich bin, ist es mir auch jetzt egal. Wenn sie es mir von sich aus nicht sagen will, hat sie Pech gehabt.

      Seufzend lasse ich meine Stirn wieder gegen die kühle Scheibe sinken und schließe die Augen. Doch kaum habe ich das gemacht, habe ich wieder das Gesicht des Mannes vor Augen, der mir gestern durch Zufall über den Weg gelaufen ist. Und wenn wir es genau nehmen, war es nur ein Zufall. Schließlich bin ich nur für eine Kollegin eingesprungen, die dringend zu einem Notfall mit ihrem Kind musste. Ich hätte Feierabend gehabt, sie nicht. Da habe ich nicht lange überlegt und ihr angeboten, dass ich den Rest der Schicht für sie einspringen werde. Dabei habe ich aber nicht gedacht, was auf mich zukommen wird.

      Ich habe keine Ahnung wieso, doch dieser Mann hatte es innerhalb weniger Sekunden geschafft, mich aus der Bahn zu ziehen. Und wenn wir es genau nehmen, hatte er das schon geschafft, bevor er überhaupt ein Wort von sich gegeben hat.

      In meinem Privatleben könnte ich mir das sogar vorstellen. Da bin ich schüchtern und zurückhaltend. Das ist mir bewusst und bis jetzt habe ich noch nie etwas dagegen unternommen. Ich weiß nicht wieso, doch ich überlasse dem Mann die Führung und genieße es.

       Vielleicht liegt es daran, dass ich das in meinem Job oft genug machen muss.

       Dies ist noch ein Punkt, über den ich mir noch nie wirklich Gedanken gemacht habe.

      Auch aus dem Grund, weil sobald ich die Marke an meinem Gürtel trage, ich selbstbewusster bin und es nichts mehr gibt, was mich überraschen könnte. Schon alleine deswegen weiß ich nicht, wieso er von einer Sekunde auf die andere diese Macht über mich hatte.

      Am Rande höre ich, wie mein Kollege sich bei dem Soldaten anmeldet, der vor dem Tor steht und ein Klemmbrett in der Hand hält. Ich war so sehr in meine Gedanken vertieft, dass ich kaum noch wahrgenommen habe, wo wir uns befinden. Erst jetzt wird mir bewusst, dass wir bereits unser Ziel erreicht haben.

      Unbewusst halte ich Ausschau nach ihm, schließlich weiß ich, dass er hier auch arbeitet. Doch schnell halte ich mir vor Augen, dass es mir egal sein kann.

      Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich gering, dass wir uns hier tatsächlich sehen. Daher konzentriere ich mich auf etwas anderes. Beziehungsweise ich versuche es.

      Es dauert einige Sekunden, doch schließlich setzt sich der Wagen wieder in Bewegung und beide fahren .

      „Wenn wir eine Chance haben wollen, diese Drogen endlich von der Straße zu ziehen, brauchen wir die Hilfe der Seals. Anders wird das nichts werden. Auf jeden Fall nicht in der Kürze der Zeit, die wir uns dafür vorgenommen haben. Ich glaube, die letzten Wochen und Monate waren Beweis genug dafür, dass diese Männer uns an der Nase herumführen“, knurrt Damian, ein weiterer Kollege. „Wir sitzen schon viel zu lange an dieser Geschichte und sollten es endlich zum Abschluss bringen. So haben wir wenigstens noch die Chance, uns nicht komplett lächerlich zu machen.“

      An seiner Stimme erkenne ich, dass er wütend ist. Und das passt perfekt zu seinem Verhalten in den letzten Tagen. Eigentlich passt es perfekt zu seinem Verhalten, welches er an den Tag gelegt hat, seitdem wir dazu verdonnert wurden, an diesem Fall zu arbeiten. Das behalte ich allerdings für mich. Doch ich habe mir schon vor Tagen vorgenommen, dass ich das nachholen werde, sobald alle im Gefängnis sitzen.

      „Okay, gut“, stimme ich zu. Mir ist bewusst, dass er recht hat. Das bedeutet aber nicht, dass ich meine Meinung ändere. Und das mache ich auch mit meiner genervten Stimme deutlich. „Aber erklärt mir doch bitte, wieso wir alle dort auftauchen mussten.“

      Da ich am meisten Zeit in diesen Fall investiert habe, hatten wir uns darauf geeinigt, dass ich alles erklären werde. Oder besser gesagt meine Kollegen sind zu diesem Entschluss gekommen. So wirklich ein Mitspracherecht hatte ich nicht dabei. Es wurde einfach über meinen Kopf hinweg entschieden, obwohl ich das nicht machen wollte.

      „Die Seals sind eine geschlossene Einheit. Sie trainieren und arbeiten nicht nur zusammen, sondern sie halten auch privat zusammen. Mich würde es nicht einmal wundern, wenn die zusammen aufs Klo gehen. Daher sollten wir das auch besser zeigen. Es ist ja nicht so, als würden wir uns nicht schon seit Jahren kennen. Auch wir haben schon Fälle gelöst, wenn auch nicht in dieser Zusammenstellung. Die geschlossene Einheit meine ich, nicht, dass wir gemeinsam auf die Toilette gehen. Ganz davon abgesehen, wollten wir dich nicht hängen lassen.“

      Amelie grinst mich hinterhältig an. Schon alleine aus diesem Grund gehe ich nicht weiter darauf ein. Ein anderer ist, dass mir ihr spitzer Ton durchaus nicht entgangen ist. Würde ich etwas darauf von mir geben, würde das wahrscheinlich in einem Streit enden, was ich gerade überhaupt nicht gebrauchen kann.

      Seufzend verdrehe ich die Augen, als sie sich von mir wegdreht.

      Nacheinander verlassen wir den Wagen und bleiben daneben stehen. Neugierig blicke ich mich um. Ich war noch nie auf einem Stützpunkt und weiß daher nicht genau, was ich erwartet habe, doch hier sieht es nicht so aus, als würden wir uns an einem Ort befinden, an dem es massenhaft Panzer und Waffen gibt. Es macht auf mich eher den Eindruck, als wäre es eine kleine Stadt, die sich auf dieser Seite des Zaunes befindet.

      Das einzige, was daran erinnert, dass wir uns auf einem Stützpunkt befinden, sind die Männer und Frauen, die in Uniform herumlaufen. Ich kann nicht verhindern, dass ich wieder Ausschau nach dem Mann halte. Doch auch jetzt kann ich ihn nirgends sehen. Wundern tut es mich aber nicht. Schließlich habe ich keine Ahnung, wo die Seals sich überhaupt aufhalten und ob sie nicht vielleicht andere Dinge zu tun haben, als über den Stützpunkt zu spazieren.

       Ganz davon abgesehen ist das aber wahrscheinlich auch besser, denn ich habe keine Ahnung, wie ich mich dann verhalten würde.

      „Ich danke Ihnen, dass Sie so kurzfristig Zeit für uns haben. Ich hätte mich nicht gemeldet, wenn es nicht wirklich dringend wäre“, erklärt mein Chef und sorgt so dafür, dass ich ihn wieder ansehe.

      Ich war so auf meine Umgebung konzentriert, dass ich erst jetzt bemerke, wie er auf einen Mann zugegangen ist, der in der Tür zu einem der zahlreichen Gebäude steht und anscheinend auf uns wartet. Mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht begrüßt er meinen Vorgesetzten und reicht ihm die Hand.

      „Es passiert nicht oft, dass die Polizei sich meldet und um unsere Mitarbeit bittet. In der Vergangenheit waren wir nicht immer die besten Freunde“, erklärt dieser. „Dabei stehen wir alle auf der gleichen Seite.“

      Er verzieht das Gesicht, als würde er darüber nachdenken, wie er es am besten ausdrücken soll. Gleichzeitig macht er den Eindruck auf mich, als wäre er nicht sehr froh darüber, wie es in der Vergangenheit gelaufen ist. Doch ich kenne ihn nicht gut genug, um einschätzen zu können, ob er seine Worte ernst meint, oder nicht.

      Allerdings hat er nicht ganz Unrecht. Ich selber hatte zwar nie Kontakt zu dem Militär, aber ich kenne einige Kollegen, die mit ihnen zusammengearbeitet haben. Und diese waren nicht sehr begeistert davon. Ob das jedoch der Fall war, weil sie nicht die volle Kontrolle hatten oder das Militär ihnen wirklich ständig auf die Füße getreten