Roman Kellner

Ziele und Zaubersprüche


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seine eigenen Ziele zu finden. Und noch einmal: Schön, wenn Sie das eine große Ziel haben/finden, den Fixstern, der Ihnen Orientierung bietet. Aber selbst Harry Potter, der wie kaum einer von einer Mission getrieben ist, muss sich zusätzlich kleine Ziele setzen, wie etwa die nächste Prüfung zu bestehen oder die Hausaufgaben alle fertig zu kriegen.

      Wenn Ihnen die nächsten Schritte vielleicht gar nicht so klar sind, schlagen wir vor, den Raum der Wünsche einzusetzen. Dieser Raum in Hogwarts öffnet sich nach einem bestimmten, aber nur Wenigen bekannten Ritual jedem, der einen klaren Wunsch äußert. Siehe „Accio Lösungen!“ am Ende dieses Kapitels.

       Nerhegebs Weisheit und Grenzen

      Zunächst sieht er aus wie ein normaler prunkvoller Spiegel: zwei Klauenfüße, ein reich verzierter Goldrahmen, und oben kann man eine Inschrift lesen: „NERHEGEB Z REH NIE DREBAZ TILT NANIEDTH CIN“ – Nicht dein Antlitz aber dein Herzbegehren. Es ist eben doch kein normaler Spiegel, sondern Nerhegeb, der Spiegel des Begehrens, den Harry da eines Tages zufällig findet und der ihn sofort fesselt. Der Zauberspiegel zeigt nicht das gewöhnliche Spiegelbild, sondern, laut Albus Dumbledore „nicht mehr und nicht weniger als unseren tiefsten verzweifeltsten Herzenswunsch“[17]. Das ist sehr klug. Ein normaler Spiegel gibt einfach seitenverkehrt eine Person wieder. Nerhegeb zeigt, was die Person ausmacht, in ihrem Inneren. Denn der Herzenswunsch ist das, was man fühlt, was aber schon da ist. Solche Wünsche sind der Antrieb, um vielleicht Ziele zu erreichen. Aber natürlich sind das noch keine Ziele.

      Obwohl vermutlich in allen Menschen im Grunde der Wunsch nach bedingungslosem Angenommensein schlummert, äußert er sich doch bei jedem Menschen in unterschiedlichen Bildern. Harry sieht sich in Nerhegeb im Kreis seiner Familie, Ron erblickt sich selbst als Schulsprecher und Kapitän des Gryffindor-Quidditchteams mit Quidditch- und Hauspokal in der Hand. Sein innerster Wunsch ist der nach Anerkennung, der, etwas Besonderes zu sein.

      Natürlich gibt der Herzenswunsch auch Aufschluss über die Ziele, aber direkt danach handeln lässt sich meist nicht. So sagt auch Dumbledore, manche Zauberer wären schon verrückt geworden, weil sie sich von diesem Bild nicht lösen konnten, denn „es ist nicht gut, wenn wir unseren Träumen nachhängen und vergessen zu leben“.[18]

      Das bedeutet nicht, dass man seine Herzenswünsche ignorieren muss!

      Ein Beispiel: Harry sieht im Spiegel sich mit seinen Eltern. Beide sind lange tot, und die Sehnsucht nach genau diesem Bild wird bleiben. Aber sein Herzenswunsch gibt ihm Aufschluss über sein Inneres, seine Potenziale und vielleicht auch über die Möglichkeiten, wie er ihn anders stillen kann. Die Sehnsucht nach Familie bekommt er etwa bei den Aufenthalten bei Rons Familie Weasley gestillt. Und er kann erkennen, dass die Liebe seiner Eltern auch seine größte Ressource ist, dieses Wissen um ihre Liebe. Daraus bezieht er Kraft. Es ist genau die Kraft, die Voldemort nicht hat und die er ihm entgegensetzen kann. Auch die Auseinandersetzung mit dem Tod, die aus diesem Bild folgt, ist das, was Harry letztlich bei seiner Zielerreichung hilft.

      Was können wir daraus lernen? Unser innerster Herzenswunsch weist uns den Weg zu unseren Ressourcen und zu dem Gefühl, wo wir ganz bei uns sind. „Unsere Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns liegen. Vorboten desjenigen, was wir zu leisten im Stande sein werden“, schreibt Goethe in seinen Autobiographischen Schriften „Dichtung und Wahrheit“.[19]

      Der Spiegel Nerhegeb als Metapher zeigt, wie wichtig es ist, unsere eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen und anzuerkennen. Und vielleicht auch verständnisvoll zuzugestehen, dass der Herzenswunsch so möglicherweise nicht erfüllbar ist. Harry wird seine Eltern nicht lebendig machen. Aber der Blick zum Herzenswunsch führt uns zur innersten Kraft, zum größten Antrieb. Und dann gilt es, diese Erkenntnisse zu nutzen, damit weiterzuleben und mit diesem Gefühl im Hintergrund die kleinen Ziele zu erfüllen.

       Accio Lösungen!

       Ein Blick in den Spiegel des Begehrens

      Stellen nun Sie sich gedanklich vor den Spiegel Nerhegeb. Visualisieren Sie ihn ganz fest: Es ist der Spiegel, der Ihren Herzenswunsch sichtbar macht. Was zeigt er? Was können Sie erkennen? Nehmen Sie das erste, was kommt und versuchen Sie, es zu deuten.

      Und wichtig: Sehen Sie die Übung als Spiel. Probieren Sie es aus, wenn es klappt, fein, wenn nicht, lassen Sie es wieder.

       Der Raum der Wünsche

      Für die Uneingeweihten: Der Raum der Wünsche ist in einem bestimmten Gang von Hogwarts zu finden und tut sich nur auf, wenn man drei Mal daran vorbeigeht und einen Wunsch ganz klar (bei sich) äußert. So finden manche Magier hier einen Ort, um sich selbst, magische unerwünschte Objekte oder leere Sherryflaschen zu verstecken oder aber einen Übungsraum, um mit anderen Schülern Verteidigung gegen die dunklen Künste zu üben – worauf sich der Raum mit allem füllt, was man dazu braucht.

      Auch hier gilt zuerst: Man findet diesen magischen Raum nur, wenn man seinen Wunsch klar artikuliert. Interessant ist, was man will, nicht, was man nicht will. Stellen Sie sich also vor, Sie gehen in dem Gang vor der besagten Steinmauer auf und ab und wünschen sich einen Raum, der mit allem, was Sie für Ihr nächstes Vorhaben brauchen, gefüllt ist. Was wäre da drin, was Sie jetzt brauchen könnten? Stellen Sie sich genau vor, was Sie finden, schreiben Sie es am besten auf. Dann verlassen Sie den Raum der Wünsche wieder und überlegen Sie, ob es nicht einen Teil gibt, der vielleicht schon vorhanden ist? Und was könnten Sie jetzt schon tun, um auch nur einen kleinen Teil dessen, was Sie im Raum der Wünsche gesehen haben, zu bekommen oder zu erreichen?

       Zielrahmen – der Blick nach vorn

      Bei der Lösung von Problemen ist der so genannte Zielrahmen hilfreich, ein variabler Katalog von nach vorne gerichteten Fragen. Natürlich kann auch die Klärung von Ursachen und Verantwortungen hilfreich sein, allerdings ist das meist der zeitaufwändigere und sackgassenreichere Weg. Zamyat Klein[20] bittet ihre LeserInnen und SeminarbesucherInnen, ein ungelöstes Problem herzunehmen und dann zwei Blöcke von Fragen zu beantworten. Probieren Sie es aus! Suchen Sie sich ein offenes Problem, nehmen Sie Block und Schreibgerät zur Hand und beantworten Sie die beiden Listen von Fragen.

      Fragen Teil 1: Problem beschreiben

      Was ist nicht in Ordnung, was stimmt nicht?

      Wie lange haben Sie dieses Problem schon?

      Woher kommt dieses Problem?

      Inwieweit erlegt Ihnen dieses Problem Beschränkungen auf?

      Was wird geschehen, wenn das Problem ungelöst bleibt?

      Wer ist verantwortlich für dieses Problem?

      Was war das schlimmste Beispiel für dieses Problem?

      Fragen Teil 2: Zielrahmen definieren

      Was genau wollen Sie?

      Woran erkennen Sie, dass Sie es erreicht haben?

      Unter welchen Umständen, wann, wo und mit wem wollen Sie es erreichen?

      Was wird noch besser, wenn Sie es erreichen?

      Welche der Ressourcen, über die Sie bereits verfügen, kann Ihnen beim Erreichen des Ziels helfen?

      Welcher ist der erste Schritt dazu, den Sie jetzt tun sollten?

      Sehen Sie sich Ihre Antworten an und bewerten Sie: Wohin haben die Antworten geführt? Was haben die Fragen in Ihnen ausgelöst? Und wie haben die Fragearten auf Sie gewirkt? Welche Fragen haben mehr zum Verständnis beigetragen? Welche haben eher in Richtung einer Lösung geführt?

      Möglicherweise haben Sie festgestellt, dass die Fragen in Teil 1 das Problem und seine Ursachen genauer erklären, die Fragen in Teil 2 sich jedoch mit der Lösung beschäftigen. Wichtig ist, dass es sich dabei um unterschiedliche Perspektiven handelt. Die Ursachen eines Problems zu kennen, führt nicht automatisch zu einer Lösung, kann aber zum Verständnis