Shino Tenshi

Verhasst


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mir und das tat verdammt gut, wobei ich mich dann schließlich vorstellte: „Mein Name ist Felix.“

      „Ich heiße Alex“, nannte er ebenfalls seinen Namen und reichte mir dann noch kurz meine Tasche, „also bis zur nächsten Pause.“ Damit verschwand er auch schon wieder und ich lief ebenfalls zurück in meinen Klassenraum. Es tat gut, nicht mehr alleine zu sein und wer wusste, vielleicht würde die Anwesenheit von Alex mir auch ein wenig Frieden gewähren.

      Als ich das Zimmer betrat, war der Lehrer schon da, wodurch ich unbehelligt auf meinen Platz gehen konnte. Jede Bewegung schmerzte, doch ich versuchte, mir so wenig wie möglich anmerken zu lassen.

      Nur kurz ließ ich meinen Blick zu Robert wandern, doch dort sah ich etwas, was ich nicht erkennen wollte. Er hasste mich dafür, dass ich hier auftauchte und hatte damit wohl auch nicht gerechnet.

      „Gut, dann sind wir ja vollzählig.“ Mit diesen Worten begann der Lehrer den Unterricht, wobei ich erneut die kleinen Schikanen ignorierte und mich weiter auf den Stoff konzentrierte. Die nächste Pause kam bestimmt und dann würde ich Alex wiedersehen.

      Alleine bei dem Gedanken legte sich ein Lächeln auf meine Lippen. Es tat gut, wieder gemocht zu werden. Seine Sorge war echt gewesen und obwohl er mich nicht kannte, hatte er mir geholfen. So etwas kam so gut wie nie vor. Er hätte mich auch wie alle anderen ignorieren können. Doch er hatte es nicht getan.

      Hoffentlich blieb er auch, wenn er über meine Sexualität erfuhr und das würde er wohl sehr schnell, wenn Robert und die anderen mitbekamen, dass wir zusammen rumhingen. Vielleicht gingen sie dann auch auf ihn los. Konnte ich das verantworten?

      Zweifel stiegen in mir auf und ich wusste nicht, ob ich wirklich zu ihm gehen sollte. Ich konnte nicht einfach so in Kauf nehmen, dass jemand anderes wegen mir litt. Er war so nett und er hatte es nicht verdient, dass man ihm Unglück brachte.

      Vielleicht sollte ich besser nicht zu ihm gehen und ihn meiden. Er hatte es nicht verdient, dass man ihn so behandelte, wie man momentan mit mir umsprang. Dafür war er viel zu nett.

      Nein, ich konnte nicht zu ihm gehen. Ich durfte mich einfach nicht mit ihm treffen. Das würde ihn nur in die Sache mit hineinziehen und das konnte ich nicht zulassen. Es war mein Kampf. Meiner ganz alleine.

      Ich seufzte und spürte, wie das Glücksgefühl wieder verschwand. Ich war alleine und würde es auch bleiben. „Verzeih mir, Alex, aber ich kann dich da nicht mit hineinziehen“, entschuldigte ich mich in Gedanken bei dem Jungen und hoffte, dass er es mir nicht allzu übel nahm. Doch das war mein Kampf und ich konnte nicht zulassen, dass Unbeteiligte mit hineingezogen wurden. Vor allem wenn sie eigentlich nur helfen wollten…

      Die nächste Pause kam und ich erkannte, dass Alex wirklich am vereinbarten Ort auf mich wartete. Immer wieder sah er sah sich nach mir um, doch ich blieb im Verborgenen. Warum ging er nicht einfach? Doch er wartete weiter und plötzlich schritt Robert auf ihn zu. Er wusste, dass dies eigentlich mein Ort war, an dem ich die Pause verbrachte. Sie unterhielten sich und die Panik stieg in mir auf.

      Ich wusste nicht, was mein ehemals bester Freund erzählte, aber ich konnte erkennen, dass Alex kurz verwundert war. Doch dann lachte Robert los und Hass stürmte Alex Gesicht. Schneller als ich schauen konnte, stürzte er sich auf Robert.

      Nein, ich begriff nicht, was dort abging, allerdings konnte ich auch nicht mehr im Verborgenen bleiben. Sofort eilte ich zu den Beiden und zog Alex von Robert runter, wobei mich die anderen Jungs überrascht ansahen und sich mein ehemaliger Freund mit einem zornigen Blick aufrichtete.

      „Was fällt dir ein? Hältst du etwa zu dieser Schwuchtel?“ Es war purer Hass, der aus der Stimme von Robert triefte und ich spürte erneut die Angst in meinem Körper, die mir Übelkeit bescherte, wodurch ich Alex schließlich losließ. Dieser baute sich sogleich vor mir auf und hielt mich somit dem Blick von Robert fern.

      „Ja, das tue ich! Seit wann ist es ein Verbrechen, wen man liebt?! Ihr seid erbärmlich, wenn ihr andere deswegen niedermacht!“, schnaubte mein neuer Freund, wobei ich nicht wusste, warum er so handelte. Was versprach er sich davon? Wieso tat er das alles für mich?

      Mein Blick glitt über den Pausenhof, doch die anderen Kinder und Jugendlichen sahen nur zu uns her. Manche verstohlen und andere offen und ehrlich, aber niemand kam zu uns. Sie alle wollten damit nichts zu tun haben. Feiglinge! Der Lehrer unterhielt sich mit einem von Roberts Leuten und schien nichts von der kurzen Schlägerei mitbekommen zu haben.

      „Es ist einfach nur krank und widerlich! Wie kann man einen anderen Mann lieben?!“, begehrte Robert weiter auf, was mich kurz schlucken ließ, jedoch gab Alex nicht auf: „Indem man es nun einmal tut! Niemand kann sich aussuchen, wen er liebt oder warum! Es ist ein Armutszeugnis, wenn man das nicht begreift und andere deswegen angreift!“

      „Halt dich da raus oder stehst du etwa auch auf Männer? Das ist eine Sache zwischen mir und Felix! Geh zur Seite!“ Er wollte Alex grob wegstoßen, doch dieser griff einfach nur nach dem Arm und drehte diesen auf den Rücken, wodurch Robert schmerzhaft aufschrie und in die Knie ging.

      „Felix wird in Ruhe gelassen! Haben wir uns da verstanden? Und es ist egal, auf wen oder was ich stehe! Ich sehe es nur nicht ein, dass andere deswegen niedergemacht werden. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?!“ Die Stimme von Alex war hart und unnahbar. Ich wusste nicht, warum er das für mich tat, doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass etwas Großes dahinter stand.

      Robert gab auf und wurde sogleich losgelassen. Noch einmal trafen sich unsere Blicke und ich spürte, dass es noch lange nicht vorbei war, weshalb ein Zittern durch meinen Körper ging. Er entfernte sich und Alex wandte sich zu mir, wobei ein Lächeln auf seinen Lippen lag: „Wo warst du denn die ganze Zeit? Ich dachte schon, dass du wieder irgendwo zusammengeschlagen liegst.“

      „Es tut mir Leid. Ich… ich wollte dich da nicht mit hineinziehen“, entschuldigte ich mich und wusste nicht, was ich nun tun sollte. Ich war mit dieser Situation gänzlich überfordert, als ich dann sein Lachen hörte: „Das ist ja süß. Tja, leider habe ich mich wohl selbst in die Sache hineingezogen. Also brauchst du dich jetzt nicht mehr von mir fernhalten.“

      Wie gerne hätte ich diese Worte geglaubt, doch ich kannte Robert. Er gab nicht so schnell auf. Jetzt war er alleine, doch er hatte fast die ganze Klasse hinter sich und gegen die hatte Alex keine Chance, wodurch ich bedrückt meinen Kopf hängen ließ.

      „Was ist los?“ Ich hörte erneut die Sorge in seiner Stimme, was mich kurz seufzen ließ. „Ich weiß es nicht. Aber irgendwie glaube ich, dass dies nur der Anfang war.“ Ich wünschte mir, dass es nun endlich vorbei war, doch irgendwie konnte ich es einfach nicht glauben. „Ich mache mir Sorgen, dass du nun auch von ihnen angegriffen wirst. Einer gegen einen ist ja noch in Ordnung, aber wenn es dann plötzlich mehr werden, hast du auch keine Chance mehr.“

      „Kann schon sein. Aber ich will nicht wegsehen, denn das lässt Menschen sterben.“ Ich hörte die Trauer in seiner Stimme, doch ich traute mich nicht nachzufragen. Schließlich kannten wir uns noch nicht lange und irgendwie wollte ich nur endlich wieder akzeptiert werden, einen Freund haben. Konnte Alex das für mich werden?

      „Danke.“ Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen, das von dem Braunschopf erwiderte wurde, bevor er mir dann deutete, auf einer Bank Platz zu nehmen, wo wir uns noch ein wenig unterhalten konnten, bevor der Gong das Ende der Pause bekannt gab und sich unsere Weg erneut trennten…

      Es tat gut endlich einmal wieder mit jemanden normal zu reden, wodurch ich mit einem leichten Lächeln nach der Pause zurück ins Klassenzimmer ging. Ich spürte wie die stechenden Blicke auf mir ruhten und mein Lächeln erlosch. Hier war ich der Feind und alle waren gegen mich.

      Dennoch taten sie nichts und ließen mich auf meinen Platz gehen. Doch kaum saß ich, kamen Robert und zwei weitere Jungen auf mich zu und bauten sich vor mir auf. Ich fühlte mich klein und hilflos, wodurch ich fast automatisch tiefer in dem Stuhl versank.

      „Du fühlst dich stark. Jetzt da du einen Freund hast. Aber er wird mit dir untergehen. Ich hoffe, dass du das verkraften kannst. All das Leid, was diesem Kerl jetzt widerfährt, ist deine Schuld,