Ute Dombrowski

Verlorene Fassung


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Leben versauen zu lassen. Er kann sich gerne von meiner Mutter adoptieren lassen.“

      „Dann musst du dein Erbe teilen.“

      „Hör jetzt auf! Wir haben Wichtiges zu erledigen. Los!“

      Sie machten sich auf den Weg zum Auto und klapperten der Reihe nach die Patientinnen ab, die auf der ersten von vier Seiten standen. Alle Damen waren sehr zufrieden und betonten sehr deutlich, dass es nur ein Arzt-Patientinnen-Verhältnis war.

      Im Auto schnaufte Susanne. Sie klappte die Sonnenblende herunter, schaute in den Spiegel und tippte mit dem Zeigefinger unter ihren Augen herum. Robin brach in schallendes Gelächter aus.

      „Was machst du da? Willst du dich jetzt auch zerschnippeln lassen?“

      „Ich werde alt und das sieht man. Meinst du, ich sollte etwas machen lassen?“

      „So ein Unsinn.“

      Robin griff nach oben und klappte Susannes Sonnenblende wieder hoch. Dann drehte er ihr Gesicht zu sich und betrachtete es eingehend. Ab und an wackelte er mit dem Kopf, zischte kurz und grinste dann.

      „Das geht alles noch.“

      Susanne schüttelte sich und seine Hand ab.

      „Na danke schön, geht noch ist kein Kompliment.“

      Plötzlich klopfte es an die Scheibe auf der Beifahrerseite. Die Frau, die sie eben befragt hatten, sah sich hastig um und rutschte auf den Rücksitz.

      „Ich … ich schäme mich. Und mein Mann darf nichts wissen.“

      „Sie hatten eine Affäre? Eine Beziehung?“

      Sie duckte sich hinter die Sitze.

      „Es war nur Sex. Mein Mann ist nie zuhause und da habe ich mich einsam gefühlt. Fabian war so einfühlsam und man konnte sich gut mit ihm unterhalten. Aber ich wusste, dass ich ihn nicht haben kann. Das war auch nicht unsere Absicht. Wir haben uns ab und zu getroffen und … sie wissen schon.“

      „Wann zum letzten Mal?“

      „Letzte Woche Freitag in einem Hotel.“

      Sie schrieb Robin die Adresse auf.

      „Wissen Sie, mit wem Fabian Tschötz noch etwas am Laufen hatte?“

      „Nein, nur von der einen Krankenschwester hat er mir erzählt. Sie war eifersüchtig. Merle.“

      Robin und Susanne sahen sich erstaunt an.

      „Davon hat uns die nette Dame gar nichts gesagt.“

      „Bitte, Herr Hinschler, sagen Sie meinem Mann nichts. Er ist eigentlich einer von den Guten.“

      Robin nickte. Als die Frau ausgestiegen und im Haus verschwunden war, sah er Susannes Ärger.

      „Wenn er so ein Guter ist, sollte sie ihn nicht bescheißen!“, knurrte sie.

      „Das denke ich auch, aber wir sind nicht für die Moral der Menschen verantwortlich.“

      „Warum hast du eigentlich keine Freundin? Du bist doch auch einer von den Guten?“

      „Weil ich keine Zeit dafür habe. Und nun besuchen wir unsere liebe Krankenschwester noch einmal. Eifersucht ist ein sehr interessantes Motiv.“

      8

      Der Arzt klopfte kurz und betrat das Zimmer mit wehendem Kittel. Jewgeni saß auf dem Bett, seine nackten Füße baumelten ein Stück über dem Boden. Leo stand vor dem Spiegel im Bad und ging neugierig zurück ins Bett. Er hatte sich die Haare gekämmt, die dadurch aber keineswegs ordentlicher aussahen.

      „Hey, Doktor Benger, wollen Sie uns besuchen?“

      „Ich wollte Sie entlassen. Herr Sabritschek, Ihre Werte sind in Ordnung, wir schicken Sie zurück in Ihre Zelle und sind bei der Planung einiger Reha-Maßnahmen. Man kümmert sich dort um Sie.“

      „Ich bin gesund?“

      „Nein, gesund sind Sie erst, wenn Sie Ihren Lebensstil anpassen. Kein Stress, gute Ernährung und Sport, den natürlich in Maßen. Und Sie, Herr Krummhorst, dürfen mit. Der Gips bleibt noch ein bisschen dran, lassen Sie ihn sich nicht kaputtschlagen. Ich will Sie hier nicht mehr sehen. Die Rippe wird noch eine Weile wehtun, heilt aber von selbst.“

      „Cool, Doktor. Siehst du, Chef, jetzt bleiben wir zusammen.“

      Der Arzt sah missmutig zu Jewgeni.

      „Chef?“

      Jewgeni zuckte mit den Schultern.

      „Na dann. Auf Wiedersehen.“

      Als sie wieder allein waren, ergoss sich ein irrer Redefluss über Jewgeni, in dem Leo ihre gemeinsamen Aktivitäten in schillernden Farben beschrieb. Jewgeni hoffte, dass es sich lohnte, diesem Irren nicht sofort den Hals umzudrehen. Er legte sich auf sein Bett und starrte an die Decke, während Leo redete und redete. Bald fielen ihm die Augen zu und er dachte an alte Zeiten. Sie waren ein gutes Team gewesen, sie konnten sich aufeinander verlassen. Der einzige Störfaktor war Ludgers Anwalt gewesen.

      Der hatte immer auf Ludger eingeredet: „Tu dies nicht, tu das nicht, das ist zu gefährlich …“

      Jewgeni hatte immer gedacht: Was für ein feiger Hund! Lässt sich auf die Sache ein und jammert dann. Aber Ludger hielt ihn für wichtig. Hätte er ihn doch gleich verschwinden lassen. Doch für diese Dinge war er nicht zuständig gewesen. Er war der Kerl, der Eindruck machte. Er drohte, boxte und nahm auch mal einen in den Schwitzkasten. Die wichtigsten Probleme löste Sandro, ein desillusionierter Endzwanziger ohne Empathie und bereit, für Geld alles zu tun. Aber auf Sandro konnte man sich verlassen. Jewgeni hatte zugesehen, wie sein Kollege, ohne mit der Wimper zu zucken, den Mann, der sich ihnen widersetzte, im Rhein ersäufte.

      Ludger war immer großzügig gewesen, hatte aber auf Anraten des Anwaltes alles akribisch notiert und das hatte ihnen letztendlich Ärger gemacht. Die Schlampe, die er entführt hatte, hatte später für Ludger gearbeitet und sie ebenso verraten. Aber die hatte ihre Strafe bekommen: Sie durfte ihren Mann beerdigen. Dieser Drecksack hatte mehr Geld gewollt und Ludger gedroht. So ein Idiot.

      Jewgeni sah Eric vor sich: aalglatt und arrogant bis in die Haarspitzen. Er hatte sich eingeschlichen und sie an die Bullen ausgeliefert. Und dann hatte die miese Kommissarin einfach Ludger erschossen. Das hatte in der Zeitung gestanden. Um jemanden zu retten. Jemanden. Sicher diesen Anwalt.

      Am besten hatte ihm Doktor Rosenschuh, der Staatsanwalt, gefallen. Dem stand die Gier in den Augen, dass es nur so blitzte, wenn Ludger ihm dies und das versprach. Der war Wachs in Ludgers Fingern. Aber am Ende ist er auch in den Bau gegangen.

      Jetzt schlich ein Lächeln in sein Gesicht. Es hatte noch mehr in der Zeitung gestanden: Die Kommissarin war Opfer eines Psychopathen geworden. Er hatte sie erschossen. Da waren sie und Eric schon ein Paar gewesen. Er konnte sich noch genau erinnern: „Bianca Verskoff, die Lebensgefährtin des Staatsanwaltes Eric Ströckwitz, ist heimtückisch ermordet worden. Wir trauern um eine hervorragende …“

      Und so weiter und so weiter. Jewgeni öffnete die Augen und sein Herz klopfte schneller. Der Gedanke, dass bald auch jemand einen Nachruf auf Eric schreiben würde, beflügelte seinen Hass. Er hatte lange nicht mehr daran gedacht, erst Leo hatte ihn wieder darauf gebracht. Das Gefühl, dem Verräter die Kehle durchzuschneiden, musste grandios sein. Er sah vor sich, wie das Blut hervorsprudelte, wie der Typ die Augen aufriss und wie er, Jewgeni, ihn dann auslachte. Danach würden sie sich besaufen und vielleicht würde er Leo auch noch die Kehle durchschneiden, damit der endlich die Schnauze hielt.

      „Mann, was ich mich freue, Chef, wenn wir morgen zusammen auf dem Hof spazieren gehen. Niemand wird mich jemals wieder anfassen. Und als Dank helfe ich dir, deinen Verräter zu erledigen.“

      Jewgeni nickte. So wird es laufen. Mal sehen, wie lange es dauerte, bis er wegen seiner gesundheitlichen Probleme rauskam. Er musste dringend seine Anwältin anrufen