Bruno Giordano

Austreibung des triumphierenden Tieres


Скачать книгу

Paris in sich durch die erbitterten Streitigkeiten gespalten, die hier ebenso wie in Italien die Gemüter in Aufregung versetzten; auch hier lag der Geist des Mittelalters im leidenschaftlichsten Kampfe gegen die neuere Richtung, die das Prinzip der Renaissance, die Befreiung des einzelnen von den Fesseln der Überlieferung, auf ihre Fahne geschrieben hatte. Bald nach seiner Ankunft suchte Bruno um die Erlaubnis nach, an der Universität Vorlesungen über Philosophie halten zu dürfen; sie wurde ihm erteilt, und er wäre sogar unter die ordentlichen Professoren aufgenommen worden, wenn er sich hätte entschließen können, die Messe zu hören. Nichtsdestoweniger wagte man nicht ihn wiederum zu vertreiben, einmal weil die studierende Jugend leidenschaftlich für ihn Partei ergriff und weil er sich andererseits der besonderen Gunst des Königs Heinrich III. zu erfreuen hatte. Doch der Wiederausbruch der religiösen Unruhen trieb Bruno 1583 fort über den Kanal nach London. Der Aufenthalt in England war für Bruno höchst angenehm, da die Königin Elisabeth die Italiener begünstigte, wo sie nur konnte. Auch hier blieb er jedoch nur zwei Jahre, dann ging er wieder nach Frankreich zurück und nach einjährigem Aufenthalt nach Deutschland, und zwar zunächst nach Marburg. Als ihm das Halten von Vorlesungen verboten wurde, begab er sich nach Wittenberg, wo er von 1586–1588 lehrte. Hier herrschte damals noch der milde, duldsame Geist Melanchthons, der auch Bruno eine segensreiche Tätigkeit möglich machte.

      »Ihr habt mich nicht nach meinem Glauben gefragt, als ihr mich aufnahmt«, redet er die Professoren der Universität einmal an; »ihr habt mir gestattet, einfach als Freund der Weisheit, als Liebhaber der Musen zu leben; ihr habt mir nicht verwehrt, offen Ansichten auszusprechen, die den euren zuwiderlaufen... Obgleich bei euch die Philosophie weder Zweck noch Mittel ist, obgleich eure strenge, reine, einfache Frömmigkeit euch an der alten Physik und Mathematik festhalten läßt, habe ich doch ein neues System lehren dürfen. Weit entfernt, die Denkfreiheit zu beschränken und euren Ruf der Gastlichkeit zu schmälern, habt ihr den Reisenden, den Fremdling, den Geächteten als Freund, als Mitbürger aufgenommen.«

      Bei seinem Abschiede hielt er eine glänzende Lobrede auf Luther, den er mit Herkules vergleicht, da er allein dem Papsttum, »dieser reißenden Bestie«, entgegenzutreten den Mut gehabt habe.

      Während der folgenden Jahre treffen wir den ruhelosen Mann in Prag, Helmstedt, Frankfurt a. M., Zürich, überall lehrend‚ nach kurzer Rast aber seinen Wanderstab weitersetzend. 1592 wurde er durch einen reichen und hochgestellten Venezianer, Mocenigo, der sich von ihm in der Magie unterweisen lassen wollte, nach Venedig berufen. Bald entstanden jedoch zwischen Lehrer und Schüler Mißhelligkeiten‚ die in offene Feindseligkeit ausarteten, und das Ende war, daß Mocenigo ihn bei der Inquisition anzeigte. Bruno wurde verhaftet und 1593 nach Rom ausgeliefert, wo er sieben Jahre lang in den unterirdischen Kerkern der Inquisition schmachtete. Am 9. Februar 1600 wurde er wegen Abfalls und hartnäckiger Ketzerei verurteilt, feierlich exkommuniziert, der Priesterwürde entkleidet und sodann der weltlichen Macht übergeben, die »ihn so gelinde wie möglich und ohne Blutvergießen« bestrafen sollte.

      Er sprach nur das eine Wort, während er sich stolz aufrichtete: »Ihr sprecht mir vielleicht mit größerer Furcht das Urteil, als ich es empfange (majori cum timore sententiam in me fertis, quam ego accipiam).«

      Acht Tage wurden ihm noch bewilligt zur Beichte seiner Sünden. Aber er hatte nichts zu beichten. Am 17. Februar wurde er auf dem Campo dei Fiori verbrannt und seine Asche in alle Winde zerstreut, »damit nichts von ihm auf der Erde zurückbleibe als das Gedächtnis seiner Hinrichtung«. – Am 9. Juli 1889 wurde unter allgemeiner Beteiligung der wissenschaftlichen Kreise Italiens, namentlich der studierenden Jugend, und unter lauten Demonstrationen gegen den Vatikan auf demselben Platze, auf dem er verbrannt worden war, sein Denkmal enthüllt.

      *

      Die »Vertreibung der triumphierenden Bestie« (Spaccio de la bestia trionfante) ist eine in lukianischem Stil Am nächsten schließt sich das Werk an Lukianos' kleine Schrift Θεῶν ὲχχλησία an, in der Momos eine ähnliche Säuberung des Himmels von unwürdigen Elementen fordert, wie sie bei Bruno von Zeus–Jupiter durchgeführt wird. An Lukianos erinnert auch der Umstand, daß, wie sich dieser in einigen seiner Gespräche mit leichter Namensänderung als Lukios einführt, Bruno selbst in seinen Dialogen als Saulino (nach Savolino, dem Familiennamen seiner Mutter) auftritt. gehaltene Darstellung der Grundsätze, nach denen sich eine sittliche Erneuerung der Menschheit vollziehen muß. An die Stelle der rohen Naturgewalten und ungezügelten Triebe, als deren Vertreter die alten Sternbilder erscheinen, sollen die sittlichen, altruistischen, auf das Wohl des gesamten Menschengeschlechts hinzielenden Kräfte treten. Man hat die Meinung ausgesprochen, unter der »triumphierenden Bestie« sei das Papsttum zu verstehen; aber diese Auffassung ist offenbar viel zu eng. Bei der Stellung, die Bruno gegenüber der Beeinträchtigung der freien Forschung durch Papst und Kirche einnahm, ist es nur selbstverständlich, daß er auch im »Spaccio« den Kampf gegen diese Macht mit aller Schärfe, mit allen Mitteln des Hohnes und Spottes führte – bezeichnet er doch in seiner obenerwähnten Lobrede auf Luther den Papst geradezu als »reißende Bestie« –, aber dies geschieht nur, weil er überhaupt alle Tendenzen bekämpft, die sich dem intellektuellen und sittlichen Fortschritt der Menschheit hemmend in den Weg stellen, darunter auch solche, die mit der katholischen Hierarchie nicht das mindeste zu tun haben, zum Teil sogar in direktem Gegensatz zu ihr stehen, wie die maßlos heftigen Angriffe gegen das protestantische Prinzip von der Erlangung der Seligkeit allein durch den Glauben und die calvinistische Lehre von der Prädestimation beweisen. Das Werk beschäftigt sich mit den sittlichen Gebrechen und Verirrungen der Menschen durchaus im allgemeinsten Sinne, nicht nur in Beziehung auf den geistlichen Stand, dessen tiefe Sittenlosigkeit allerdings in jeder Richtung Gelegenheit genug zu den heftigsten Angriffen bot. Die Wahl des Ausdrucks »bestia trionfante« scheint einer ähnlichen Auffassung entsprungen zu sein, wie sie darwinistisch gesinnte Kreise jetzt hegen, wie sie die Laster und Verbrechen als »Atavismus«, als Abweichung von den »sozialen Instinkten« des Menschen und Rückfall in den tierischen Zustand, betrachtet wissen wollen.

      Leipzig–Gautzsch,

      1904.

      *

      Erläuterndes Widmungsschreiben

      gerichtet

      an den erlauchten, ruhmreichen Ritter

      Herrn Philip Sidney

      Sir Philip Sidney (1554 bis 1586), einer der frühesten englischen Prosaiker, stand wegen seiner glänzenden Talente an Elisabeths Hofe in großem Ansehen. 1578 zog er sich vom Hofleben zurück und schrieb auf dem Gute seiner Schwester, die mit dem Grafen Pembroke verheiratet war, den Schäferroman »Arcadia«, der aber unvollendet blieb und erst 1590 erschien. Sein nächstes (zugleich sein bestes) Werk ist die »Defence of poesie« (»Apology for poetry«). Unter seinem Oheim Leicester nahm er an den Kämpfen gegen Spanien teil, wurde aber am 22. September 1586 in dem Gefecht bei Zütphen tödlich verwundet und starb am 7. Oktober 1586 zu Arnheim.

      von

      dem Nolaner.

      Blind, wer die Sonne nicht sieht, töricht, wer nichts von ihr weiß, undankbar, wer sie nicht verehrt: so strahlend ist das Licht, das ihr entströmt, so unermeßlich das Gute, das sie verbreitet, so reich die Wohltaten, die sie spendet – sie, die Lehrerin der Sinne, die Mutter der Grundstoffe, die Urheberin des Lebens! Nun wüßte ich nicht, was ich für ein Mensch wäre, edler Herr, wenn ich nicht Eueren Geist schätzte, Eueren Charakter bewunderte, Euere Tugenden rühmte, die sich mir von dem ersten Augenblick an, wo ich den Boden der britischen Insel betrat, die ganze Zeit hindurch, die ich hier verweilte, enthüllt haben. Ihr zeigt sie vielen, je nachdem sich die Gelegenheit hierzu bietet, und laßt sie jedermann sehen, je nachdem Euere wahrhaft heldenmäßige natürliche Beanlagung Euch dazu antreibt. Lassen wir daher jedermann seine Gedanken und vielen ihre Pflichten. Möge es aber das Schicksal nie zugeben, daß ich für mein Teil, der ich mich so oft gegen die lästigen und beschwerlichen Unhöflichkeiten mancher empfindlich gezeigt habe, so mit dem Makel der Undankbarkeit behaftet vor die Augen der Ewigkeit trete, daß ich Euerem schönen, glücklichen und höchst gesitteten Vaterlande den Rücken kehre, ohne Euch nebst dem hochherzigen und hochgebildeten Herrn Fulke Greville Sir Fulke Greville (gest. 1626), der intimste Freund