Christine Feichtinger

Schicksalhafter Kompromiss


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obwohl sie ahnte, wie gerne Patrik gelobt werden wollte. Sie wollte seine Eitelkeit nicht nähren und ihm sagen, dass sie nie zuvor so viel Gefühlserregung erfahren hatte und von einem Mann derart beglückt und in die höchsten Gefilde gehoben worden war. Der Himmel konnte nicht schöner sein.

      Sie überlegte kurz, ob sie ihm sagen sollte, dass sie sich ihm nicht gleich beim ersten Mal hingeben wollte und alles zu schnell gegangen war, was sie nie wollte und bisher immer verurteilte. Aber angesichts dieser intensiven Liebeserfahrung schwieg sie. Wie hätte sie dann diese große Liebeserfahrung gemacht? Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass sie nie geahnt hatte, wie schön Liebe sein kann. Und dass sie von nun an nur mit ihm beisammen sein wolle, nur ihn lieben möchte bis zum Tod.

      Als sich ihr Gemüt beruhigt hatte und sie gefühlsmäßig wieder auf der Erde gelandet war, rätselte sie darüber, wie alt Patrik war, beziehungsweise ob er verheiratet wäre. Nein, beschloss sie, ich werde ihn nicht fragen. Es wäre viel zu schade, diesen magischen Moment zu zerstören. In diesem überglücklichen Moment war es ihr egal, ob er verheiratet oder wie alt er war. Sie hatte seine Erfahrungen in der Liebe wahrscheinlich seiner Ehe und seinem Alter zu verdanken. Nichts war in diesem Moment wichtiger, als seine Zärtlichkeit, Rücksichtnahme und Einfühlsamkeit zu genießen, was sie auch in Zukunft nicht missen wollte. Dass sie ein Mann fragte, ob auch sie Gefallen und Erfüllung mit ihm fand, war ihr bislang fremd und imponierte ihr. Dennoch meldete sich ihr schlechtes Gewissen. Sie hatte sich vergessen und sich ihm zu schnell hingegeben.

      Mit einem innerlichen Lächeln betrachtete Patrik Anneliese. Sie konnte ihn nicht täuschen. Er hatte sie als Lehrmeister in ein ihr unbekanntes Paradies, altbewährt, oft erprobt, eingeführt, wofür sie ihm dankbar sein musste. Somit hatte er die nächste Trophäe in seine Sammlung heimgeführt. Dumm nur, dass die Weiber ihn nicht untereinander weiterempfahlen. Denn dann hätte er sich allgemein viel Zeit für die Eroberung erspart. Dass sie nicht unerfahren war, hatte er soeben erfahren.

      „Hast du einen festen Freund?“ Er fragte dies beiläufig in einem gleichgültigen Ton, als würde er über das Wetter reden, obwohl er lauernd und angespannt auf ihre negative Antwort wartete. Insgeheim hoffte er, dass sich ihr eventueller Freund in Liebesdingen nicht mit ihm messen könne.

      Anneliese wurde rot und wandte beschämt ihren Kopf zur Seite. „Darüber möchte ich nicht sprechen“, erklärte sie verlegen. Sie verschwieg ihm, dass Ewald ihr Freund war.

      „Erzähle mir von deinem ersten Lover“, bohrte er weiter. Allzu viele Liebhaber vor ihm waren ihm genauso ein Gräuel wie aufdringliche Weiber. Dieses junge Ding kann sich glücklich schätzen, von mir geliebt zu werden und von meinen Erfahrungen zu profitieren. „Das geht dich nichts an“, erwiderte sie erbost, während sie ihn wegstieß.

      Wenigstens sagte die Kleine nicht, dass sie in festen Händen war. Versöhnlich begann er sie zu streicheln.

      „Ich hätte mich nicht so schnell hingeben sollen“, flüsterte sie schuldbewusst unter Tränen, als könne sie dadurch ihre Untreue und Gewissenbisse Ewald gegenüber beschwichtigen. Patrik seufzte. Wie oft hatten ihm seine neuen Eroberungen, als wären sie unschuldig gefallene Engel, tränenreich erklärt, dass ihre Untreue bisher für sie unvorstellbar war und nur er als ihr neuer Liebhaber die Schuld an ihrem Dilemma sei. Wie unschuldige Nonnen durch seine einzigartigen Verführungskünste das erste Mal schwach geworden und tief gefallen, wollten sie von ihm bedauert und getröstet werden und von ihm als Entgelt lebenslang geliebt und angebetet werden.

      Galant reichte Patrik Anneliese sein sauberes Taschentuch mit dem von Sabine, seiner Ehefrau, in mühevoller Handarbeit gestickten Monogramm.

      Sie wischte ihre Tränen im liebevoll für Patrik bestickten Taschentuch ab und schändete Sabines platonisches Treuegelöbnis. Mein Treuebruch in Verbindung mit ihren ehebrecherischen Tränen auf unserem Monogramm ist wie ein Schlag in Sabines Gesicht, zuckte Patrik zusammen.

      „Es ist nichts Schlimmes passiert. Wir müssen nichts übereilen“, erklärte Patrik ruhig. Nur nicht zu viele Hoffnungen in ihr aufleben lassen und bloß keine zu hohen Erwartungen wecken. Dieses kleine Girl sollte nur nicht glauben, dass er mit ihr länger zusammen sein würde als mit ihren Vorgängerinnen. Es würde wieder nur eine kleine Affäre sein, als Überbrückung, bis er alles voll ausgekostet hatte. Wenn er genug von ihr hatte, würde er nur mehr ab und zu auftauchen und sie trösten, bis er bei der nächsten Flamme am Ziel war. Zwischendurch konnte er sich sowohl von seiner Ehefrau als auch von Angelique, seiner Exfrau, welche ihm als Notnagel immer die Tür offen hielt, trösten lassen.

      „Es braucht niemand von uns erfahren. Wir machen uns heimlich ein paar schöne Stunden“, erwiderte er als ihr Lehrmeister sachverständig, während er ironisch lächelte.

      Anneliese bebte vor Zorn. Was bildete sich dieser aufgeblasene, selbstgefällige Kerl ein? Einerseits meldete sich ihr schlechtes Gewissen ob ihrer Untreue Ewald gegenüber zurück und andererseits hatte er nur von ein paar schönen Stunden mit ihr gesprochen. Er hatte keinerlei ernste Absichten auf eine dauerhafte Bindung. „Du bist der Teufel persönlich. Du meinst es nicht ernst. Wenn du eine Hure willst, dann geh ins Puff.“

      Das tue ich sowieso, wollte er erwidern. Dann besann er sich in letzter Minute und schwieg. Um Versöhnlichkeit bemüht, begann er sie zu streicheln.

      Zornig stieß sie ihn weg. „Für einen kurzen Flirt bin ich mir zu schade, du bist mich nicht wert“, schrie sie. Sofort kleidete sie sich rasch an und lief davon. Patrik versuchte sie zu halten, aber sie war schneller.

      Im selben Moment bedauerte er seine unbedachten Äußerungen. Das war dumm von mir, warum die Dinge beim Namen nennen? Wie sensibel und unerfahren Annelieses Mädchenherz noch war. Sie muss noch lernen, mit der Wirklichkeit des Lebens umzugehen und erkennen, dass Schweigen Gold ist und man oft den höchsten Gipfel nur unter dem Schleier der Verschwiegenheit erreichen kann.

      Sogleich nahm die Einsamkeit neben ihm Platz. Tiefe Traurigkeit kehrte in ihm ein, als wäre das vorherige Erlebnis nie passiert, nur ein schöner Traum, der wie eine Seifenblase zerplatzte.

      Eine Weile blieb Patrik noch liegen, als wolle er sein Glück mit Anneliese hier an ihrer Liebestätte festhalten, während seine Gedanken rotierten.

      Sogleich tröstete sich Patrik Lerner damit, dass ihre Liebe Zeit brauchte und noch erblühen würde. Es ist alles zu schnell gegangen. Vielleicht hing ihr Herz noch emotional an einem Grünschnabel. Während ihr Kopf ihre wechselnden Gefühle noch nicht wahrhaben wollte, hatte sich ihr Körper bereits für ihn entschieden. Das Samenkörnchen der Liebe ist wie eine unauslöschliche Urgewalt gesät, frohlockte er.

      Zu müde, um aufzustehen, blieb Patrik noch liegen, um noch kurz die Nachwirkungen dieses berauschenden Liebesabenteuers genussvoll ausklingen zu lassen.

      Selbst wenn sie einen Freund hat, kommt sie zu mir zurück. Diese Grünschnäbel können mir dank meiner langjährigen Erfahrung und meinem Sexappeal nicht das Wasser reichen und es mit mir aufnehmen. In diesem Kampf bin ich der Gewinner. Ich bin eben auf der Klaviatur der Liebe ein guter Liebhaber, habe zweimal „Hier“ geschrien, als der Herrgott das dazugehörige Werkzeug vergab. Wenn ich eine Frau haben wollte, habe ich noch jede bekommen. Und so ist es auch jetzt bei Anneliese, triumphierte er innerlich. Er war sich siegessicher. Die Kleine kommt zu mir zurück.

      So wie viele Geliebte vor ihr nach einem Streit zu ihm zurückkamen. Seine Gedanken wanderten ungehindert in die Vergangenheit.

      Mit Frauen kannte er sich eben aus. In Ewalds Alter lebte er schon mit seiner Exfrau Angelique, einer rumänischen Prostituierten, zusammen. Er war ihr Peitscherlbub, wie Großmutter die Zuhälter nannte.

      So hatte er früh gelernt, wie eine Made im Speck zu leben, Frauen zu verführen und für seine Zwecke zu missbrauchen, um ein schönes, finanziell sorgenfreies Leben ohne Schweiß und Fleiß zu genießen.

      Er war mit 15 Jahren nach einem heftigen Streit mit seiner Großmutter von zuhause ausgerissen, und war ohne Schulabschluss und ohne Job mittellos in Wien auf der Straße gelandet. Seine Großmutter war stets auf seine gute Erziehung bedacht. Er müsse immer anständig und ehrlich sein und dürfe ihr keine Schande machen. Sie bete jeden Tag darum.