Ruth Broucq

Sizilianische Gesetze


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glaubte alle schlechten Berichte und die Warnungen nicht.

      Selbst die Erzählungen ihrer beiden Freundinnen (die seine Arbeitskolleginnen waren), dass er Frauen gegenüber auch keine Rücksicht kannte. Dass nämlich seine Frau öfter mit blauen, statt ihrer braunen Augen, hinter der Theke des Fischlokals stand, wo sie arbeitete, weil er sie verprügelt habe, konnte sie genauso wenig glauben, wie die Behauptung, er sei ein Mafioso. Er sei der Anführer der italienischen Räuberbande, die in den letzten Jahren, für die vielen Überfälle auf die illegalen Casinos verantwortlich war.

      Ute war fest davon überzeugt, die Liebe ihres Lebens gefunden zu haben, und tat die ganzen bösen Gerüchte als Neid auf ihr Glück ab. Denn die ersten Wochen verbrachten sie in seligem Glück.

      Vito war ein zärtlicher und leidenschaftlicher Liebhaber, ein Kuschelbär, von dem sie sich gar nicht vorstellen konnte, dass die Gerüchte über ihn auch nur ein Körnchen Wahrheit enthielten.

      Zudem nahm sie seine kindliche Freude darüber, dass sie ihn animierte seine Garderobe aufzufrischen und dabei beriet, als Zeichen für die Liebe die er für sie empfand. Und seine Reaktion zeigte, dass seine Ehefrau sich nie um sein Outfit gekümmert hatte, obwohl sie selbst immer chic gestylt war. Für Ute war die freudige Dankbarkeit der Beweis dafür, dass sich alle Kritiker irrten.

      Als bekannt wurde, dass sie mit Vito zusammen war, ging unser Chef Horst anfangs bei ihr auf Distanz, und als nächste Maßnahme wurde Vitos Tätigkeit als Portier nicht mehr gebraucht. Er wurde entlassen.

      Eigentlich hatte sie sich mit Horst Paashaus, genannt „Franzmann“ vormals immer gut verstanden. Er, Utes ehemaliger Lebensgefährte Ulf, (durch den sie in dieses Metier gerutscht war) und sie hatten dieses Casino vor zwei Jahren eröffnet. Damals war Horst ihr immer eine große Stütze gewesen, wenn ihr Lebensgefährte wieder mal alle Knete verzockt hatte.

      Ulf bezeichnete den Partner Horst als geizig, weil der kein Spieler war und lieber seinen Gewinn hortete. Ulf meinte, Horst habe unverdientes Glück, weil er in einer Hosentasche „den lieben Gott“ und in der anderen einen Igel habe. Die Hand in der Gottes-Tasche brächte ihm Massel und in die andere Tasche fasse er nicht, weil er sich da stechen könnte.

      Sie dagegen war immer froh wenn Horst wie „ein Fels in der Brandung“ hinter dem „Kessel“ stand und ihr dadurch Sicherheit vermittelte, während Ulf lieber unterwegs war, um ihre Kohle bei der Konkurrenz zu verzocken.

      Aber das freundschaftliche Verhältnis hatte sich mit der geschäftlichen Trennung geändert, denn als seine untergebene Mitarbeiterin behandelte er sie plötzlich von oben herab. Woran das lag war ihr klar.

      Weil sie Horst abgewiesen hatte, als er bei ihr gebaggert hatte, wurde er plötzlich gehässig zu ihr und schikanierte sie wo immer es ging. Über ihre ehrliche Aussage, dass ihr seine Einstellung zur Treue nicht gefiele, hatte er sich nur belustigt. Dann hatte er provozierend gegrinst und seinen ewigen dummen Spruch wiederholt: sein Pimmel sei kein Stück Seife, der nutze nicht ab. Sie fand ihn abartig und widerlich, das hatte sie ihm deutlich gesagt.

      Nachdem Vito nicht mehr zum Personal gehörte, ging Horst sogar so weit, dass er sie verächtlich: Itakker-Liebchen, oder Mafia-Braut schimpfte. Dabei nahm er weder Rücksicht auf das andere Personal, noch auf die Gäste. Es war beschämend. Dadurch wurde ihre Arbeitszeit zum Spießruten laufen, aber da sie den Job brauchte, hielt sie eisern durch. Jedoch forderte das Verhalten von Horst ihre Rachegefühle und ihre Offensive heraus, sodass sie die nächste Gelegenheit nutzte, indem sie sich mit Vito zusammen selbständig machte.

      Dass manche Leute behaupteten, Vito sei nur an ihr interessiert, weil er ohne sie niemals im Zockgeschäft akzeptiert worden wäre, ließ sie kalt. Denn dass er geschäftlich unbedingt ins Glücksspiel-Geschäft einsteigen wollte, was ihm ohne Protektion nicht gelungen wäre, war ihr bekannt. Dieses halbseidene Geschäft war eine in sich geschlossene Gesellschaft, in der ein Fremder nicht zugelassen wurde.

      Dass Ute nun die Kette durchbrach, indem sie Vito in ihre Aktivitäten integrierte, wurde in der Branche mit Misstrauen und teilweise offener Missbilligung betrachtet. Denn man sah in ihm einen mafiösen Proleten, der maximal als Türsteher oder Rausschmeisser zu gebrauchen sei, aber als „Veranstalter“ fehl am Platze sei. Laut sagte es allerdings Keiner. Ute verstieß also gegen eine unausgesprochene Regel.

      Sie ahnte die unterschwellige Kritik der Branche, allerdings sah Ute auch, dass Vito ihr eine Sicherheit gegen Anfeindungen gab, die sie bei Ulf nie gehabt hatte.

      Auch dass es wieder Bergauf ging, sodass sie sogar ihren ganzen Schmuck wieder aus dem Pfand holen konnte. Obwohl sie die ganzen „Weißgold-Klunker“ im Grunde gar nicht mochte, und deshalb auch nie trug, wusste man doch nicht für was man die Klamotten irgendwann mal wieder gebrauchen konnte. Auch wenn Vitos Erfolg nur mit ihrer Hilfe, und durch seinen Eintritt ins Casino-Geschäft möglich war, war sie trotzdem froh darüber, da es für sie nur zum Vorteil war. Sie war glücklich.

      Listiger Anfang

      Aber sie erlebte mit Vito auch eine hektische Zeit, in jeder Beziehung, privat sowie geschäftlich.

      Weil Vito sich eine Zeitlang nicht entscheiden konnte, was er wollte. Mal ging er zu seiner Frau zurück, dann kam er wieder zu ihr zurück und schwor, er liebe nur sie. Was sie ihm gerne glaubte, denn sie wollte Verständnis dafür haben, dass er sich auch seiner kleinen Tochter gegenüber verpflichtet fühlte, sodass er sich hin- und hergerissen fühlen musste. Die Zeit würde das ändern, und seine Familie einsehen, dass er sich gegen die Liebe nicht wehren konnte, auch wenn es Anderen weh tat. Denn Ute war sich sicher, Vito liebte nur sie.

      Allerdings gab es auch schlimme Tage, die nicht einfach zu ertragen waren. Durch den Stress, den seine Ehefrau erzeugte, weil sie unbedingt ihren Ehemann zurück zu holen wollte. Mit ihrem italienischen Temperament nahm sie auf nichts und niemand Rücksicht, damit machte sie ihnen das Leben zur Hölle.

      Oft stand sie vor ihrem Wohnhaus und schrie, Ute solle ihren Mann rausgeben, sodass die ganze Nachbarschaft das mitbekam, was ihr schrecklich peinlich war. Weil der Protest nicht half verfolgte sie die Beiden nachts, wenn sie nach Feierabend nach Hause fuhren.

      Ute hatte zwar das schnellere Auto, und auch die besseren Ortskenntnisse, war aber dennoch genervt von diesen Verfolgungs-Jagden. Aber Vito wollte auf gar keinen Fall eine Konfrontation. Er sagte, seine Frau sei unbelehrbar, mit ihr könne man nicht reden. Es helfe nur sie zu ignorieren.

      Leider gab es noch schlimmere Vorfälle, ihre Zerstörungswut, bei denen sie immer vor dem Rätsel stand, wie diese Frau an die Schlüssel dafür kam? Vito schwor auf das Leben seiner Tochter, dass ihm das auch ein Rätsel sei.

      Denn dann sie ging sogar soweit, dass sie Vito die Schlüssel von Utes Wohnung sowie vom Casino klaute, und mit den nachgemachten Schlüsseln einbrach. Zweimal zerstörte sie die Spielanlage, was sehr viel Geld für die Neueinrichtung sowie Arbeitsausfall kostete.

      Und einmal inspizierte sie sogar einfach nachts Utes Wohnung, und erschreckte damit Utes schlafenden kleinen Sohn zu Tode. Als sie später nach Hause kamen, empfing der Junge die Beiden mit einem Fleischmesser in der Hand, weil er glaubte sich gegen Einbrecher verteidigen zu müssen. Deshalb ging Rene immer öfter zu seinem Vater, um den italienischen Attacken auszuweichen.

      Vielleicht wendete sich Utes Sohn auch deswegen mehr und mehr von ihr ab, denn er sprach ständig von seinem Vorhaben, dass er zu seinem Vater ziehen wolle, sobald der wieder seine eigene Wohnung habe. Anfangs sah sie das als verständlichen Wunsch an, da Rene seinen Vater vier Jahre entbehrt hatte, weil dieser im Gefängnis gewesen war.

      Seit Robert aus der Haft entlassen war, verbrachte ihr Sohn die Wochenenden immer mit seinem Vater, wofür Ute natürlich Verständnis hatte. Zumal sie mit ihrer Nachtarbeit und ihrer neue Liebe ziemlich in Anspruch genommen war. Allerdings hieß das nicht, dass sie mit Renes Plänen einverstanden war, denn sie hatte das alleinige Sorgerecht. Außerdem war Rene im Internat und nur jedes zweite Wochenende zu Hause.

      Dass Rene die Heimat-Wochenenden mit seinem Vater verbrachte, war demnach für beide vorteilhaft, denn bei ihr wäre er viel