Oliver Hein-Behrens

Kratzen, beißen, schubsen


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oder in den Presseverteiler aufgenommen werden?

      Wir erteilen Auskünfte grundsätzlich nur an Medienvertreter. Jeder Medienvertreter erhält gemäß § 4 des Hamburgischen Pressegesetzes Auskunft und wird auf Anfrage in den hiesigen Presseverteiler aufgenommen.

       Nach welchen Kriterien wählen Sie die Fälle aus, über die Sie in Pressemeldungen berichten?

      Bei der aktiven Pressearbeit berücksichtige ich in erster Linie das öffentliche Interesse an einem Fall. Dann muss ich natürlich prüfen, ob einer Veröffentlichung gewichtige Interessen der Verfahrensbeteiligten wie zum Beispiel die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, Geheimhaltungsvorschriften sowie insbesondere der Ermittlungszweck entgegenstehen könnten. Bei den von uns wöchentlich veröffentlichten Terminen über strafrechtliche Hauptverhandlungen versuche ich zudem, unterschiedliche strafrechtliche Themen abzubilden, um nicht einseitig zu unterrichten.

       Ist das Medieninteresse an der Arbeit der Hamburger Generalstaatsanwaltschaft in den letzten Jahren gestiegen oder nicht? Sind Journalisten häufig im Gerichtssaal anzutreffen?

      Wir haben keine Zahlen, die dies belegen könnten, aber nach meiner Einschätzung ist das Medieninteresse im Verlauf der letzten zehn Jahre auf jeden Fall gestiegen. Gerade bei großen Landgerichtsprozessen sind Journalisten regelmäßig in den Gerichtssälen anwesend.

       Sie versenden Ihre Pressemeldungen via E-Mail. Wie war das eigentlich in den Vor-Internet-Zeiten?

      In früheren Zeiten wurden die Pressemitteilungen an Nachrichtenagenturen übermittelt, die dann für die Verbreitung gesorgt haben.

       Bei welchen Fällen melden sich Medienvertreter am häufigsten?

      Das größte Interesse besteht bei Tötungsdelikten und Verfahren unter Beteiligung prominenter Personen. Tötungsdelikte führen alleine schon wegen der Schwere der Tatfolgen und wegen des gelegentlich mit ihnen verbundenen Einblicks in menschliche Abgründe zu großer Betroffenheit. Das ist natürlich für die Öffentlichkeit und damit für die Medien interessant. Das Interesse an Prominenten besteht in der Öffentlichkeit für alle Lebensbereiche, das gilt natürlich auch für Straftaten – und seien sie noch so gering.

       Stehen Sie in Kontakt mit den Pressestellen von anderen Staatsanwaltschaften, um sich auszutauschen, welche die neuesten Trends oder Vorgaben für die Pressearbeit sind?

      Ein solcher Austausch findet gelegentlich auf Tagungen statt, dies könnte meiner Meinung nach aber durchaus intensiviert werden.

       Wie bekommen Sie mit, was die Medien auf der Basis Ihrer Pressemeldungen veröffentlicht haben? Haben Sie einen Ausschnittservice, der das für Sie macht?

      Den Service leiste ich in erster Linie selbst, indem ich täglich mehrere Tageszeitungen und die Internetseiten der lokalen Fernsehsender auswerte. Daneben wird mir täglich der Senatspressespiegel übermittelt, in dem aber in erster Linie politische Beiträge gesammelt werden.

       Ist es eine Gratwanderung, auf der einen Seite juristisch formulieren zu müssen und auf der anderen Seite so verständlich, dass die Medien und die Öffentlichkeit interessiert sind?

      Ja, das ist eine der großen Herausforderungen meiner Tätigkeit. Die juristische Sprache, die ich in meiner mehr als 20-jährigen Tätigkeit als Staatsanwältin verinnerlicht habe, ist oft schwer verständlich für juristische Laien. Ich versuche deshalb, sie – wo möglich – zu vermeiden. Andererseits muss ich darauf achten, dass ich auch bei vereinfachten Formulierungen immer noch die Rechtslage korrekt darstelle.

       Hat sich einmal ein Strafverteidiger oder ein Kollege der Staatsanwaltschaft „beschwert“ über eine zu „tendenziöse PR-Meldung“ der Pressestelle? Wie garantieren Sie Objektivität und Anonymität?

      Beschwerden kommen nur sehr selten vor. Ich versuche immer, die Rechte der Verfahrensbeteiligten zu schützen, indem ich ohne Namensnennung oder Identifizierungsmöglichkeit berichte und während des laufenden Verfahrens die Unschuldsvermutung stets beachte.

       Messer spielen scheinbar eine große Rolle bei schweren Körperverletzungen und Morden. Stimmen sie dem zu?

      Ja, das stimmt!

       Welche Rolle spielt das Internet heute bei Straffällen?

      Wie in nahezu allen Bereichen spielt das Internet auch bei Straftaten eine immer größere Rolle. Das betrifft Betrugstaten genauso wie Kinderpornografie oder sogenannte Hate-Postings.

       Es gibt viele TV-Serien über Rechtsanwälte oder Polizeistationen. Eine TV-Serie über die Arbeit einer Staatsanwaltschaft fällt mir dagegen nicht ein. Haben Staatsanwaltschaften vielleicht ein Imageproblem bei Medienmachern?

      Mir fallen hierzu spontan zwei Serien ein: „Der Staatsanwalt“ und „Im Namen des Gesetzes“, die sich mit unserer Arbeit beschäftigen. Aber natürlich ist es für das Fernsehen spannender, die eigentliche Ermittlungstätigkeit zu zeigen als das rechtliche Auswerten der Beweisergebnisse. An ein Imageproblem glaube ich nicht, auch wenn der Staatsanwalt in Krimis oft als „Ermittlungsverhinderer“ dargestellt wird.

      (Das Interview wurde im Februar 2017 realisiert.)

      Impressionen aus dem Hamburger Strafjustizgebäude 1

Die Fälle

      Besonders beschleunigter Führerschein?

      B. hat sich wegen gewerbsmäßigen Betruges in fünf Fällen vor dem Strafrichter zu verantworten. Er soll als Inhaber einer Fahrschule einzelnen Fahrschülern gegenüber wahrheitswidrig erklärt haben, beim Landesbetrieb Verkehr sei gegen eine gesonderte Gebühr eine besonders beschleunigte Bearbeitung der von den Fahrschülern gestellten Führerscheinanträge möglich. Dabei soll er angeboten haben, den für diese Gebühr von den Fahrschülern zu zahlenden Betrag beim Landesbetrieb Verkehr mit den Führerschein-Antragsunterlagen einzureichen. Auf diese Weise erhielt er in fünf Fällen von Fahrschülern Beträge zwischen 50,- € und 96,60 €, die er – wie von Anfang an beabsichtigt – für eigene Zwecke verwendete.

      Kiki Klein

      Z. ist angeklagt, über eine Internet-Chatplattform unter einem Pseudonym in der Kategorie „under 18“ Kontakt zu dem Pseudonym „Kiki Klein“ in der Kategorie „under twelve“ aufgenommen zu haben. Sodann soll er in der Annahme, es handele sich um ein unter 12-jähriges Mädchen, weiter über Skype mit der Kontaktperson gechatted haben. Hierbei zeigte er seinen entblößten Penis und masturbierte vor der Kamera. Tatsächlich war das von ihm kontaktierte Pseudonym jedoch von einer verdeckt ermittelnden Polizeibeamtin benutzt worden.

      „Stirb, stirb“

      P. wird u.a. versuchter Totschlag zum Nachteil ihrer zur Tatzeit 8 Monate alten Tochter E. vorgeworfen. Sie soll das Mädchen auf ein Sofa im Wohnzimmer ihrer Wohnung gelegt und den Kopf des Kindes mit einer Decke bedeckt haben. Anschließend soll sie die Decke mit den Worten „stirb, stirb“ fest heruntergedrückt haben, so dass das Kind Atemnot bekam und vor Angst anfing zu schreien. Bevor es zu schweren Verletzungen oder zum Ersticken des Kindes kommen konnte, gelang es dem hinzukommenden Ehemann, die Angeklagte an den Haaren von dem Mädchen wegzureißen und so die weitere Tatausführung zu verhindern.

      Straßenteilnehmerkrieg

      Der Angeklagte soll auf dem Jungfernstieg – nachdem der Fahrradfahrer P., der durch den vom Angeklagten geführten PKW behindert worden war, auf das Fahrzeugdach geschlagen hatte – den P. zunächst mit seinem PKW verfolgt, dann das Fahrzeug verlassen und dem P. einen Schlag mit dem Ellenbogen oder der Faust in das Gesicht versetzt haben, wodurch P. von seinem