Peter Wolff

Im Bann von covid-19


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       Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

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       Inhaltsverzeichnis

      Oft schon „heute“, sonst die „Tagesschau“, wenn ich beides versäumt habe, dass „heute-journal“ oder die „Tagesthemen“ - die tagtägliche Dosis meist schlechter Nachrichten aus aller Herren Länder ist für mich Pflichtprogramm.

      Nicht immer voll konzentriert, aber zumindest als „Beiwerk“, neben dem Kochen, dem Aufräumen, dem Spielen mit dem Hund lasse ich mich zumindest einmal am Tag mit dem Neuesten aus aller Welt berieseln.

      Insbesondere intensiv in Zeiten, in denen es von Krisenherden auf diesem unseren Globus nur so wimmelt.

      Neben den Ereignissen vom Tage sind es vor allem folgende Schauplätze, die die Nachrichtenformate unserer TV-Sender Anfang „Zwanzigzwanzig“ beherrschen.

      Da ist zunächst das Thema Syrien. Zwar ist der Bürgerkrieg in Syrien längst entschieden, doch von einer politischen Konfliktregelung und einer Befriedung bleibt das Land weit entfernt. Denn nach wie vor verfolgen die am Konflikt beteiligten lokalen, regionalen und internationalen Akteure widerstreitende Interessen und sind entschlossen, diese auch militärisch durchzusetzen. So kommt es immer wieder zu Übergriffen auf die Bevölkerung.

      Zum Jahresanfang rückt auch die islamische Terrormiliz IS wieder stärker in den Brennpunkt des öffentlichen Interesses. Der „Islamische Staat“ meldet sich mit Anschlägen, Selbstmordattentaten und Feuergefechten in Syrien und im Irak verstärkt zurück.

      Im März wird zudem das Thema „Flüchtlingskrise“ wieder brandaktuell. Der türkische Präsident Erdogan hat erneut die Grenzen geöffnet, tausende Menschen stehen vor der türkisch-griechischen Grenze.

      Anfangs nehme ich kaum wahr, dass sich heimlich, still und leise ein weiteres Thema zu den die Nachrichtenblöcke unserer TV-Sender beherrschenden Standardthemen geschlichen hat. Kaum merklich noch, meist nur eine kurze, wenige Sekunden dauernde Meldung, aber: stetig, beinahe täglich wird von einem unbekannten, von einem geheimnisvollen Virus berichtet, das vor allem in China um sich greift und Ärzte wie Wissenschaftler vor ein Rätsel stellt.

      Mich interessieren diese Meldungen aus Fernost nur am Rande, schließlich wütet das Virus in China und ist damit noch ganz weit weg.

      Und als das Kind dann einen Namen hat, löst dieser zunächst durchaus positive Assoziationen in mir aus: Corona=Bier=Genuss=Sommer. Welch ein anheimelnder Name für solch' eine schlimme Bedrohung...

      Was niemand zu diesem Zeitpunkt ahnt: Das mysteriöse Virus, das bereits so nah ist, obwohl es noch so weit entfernt scheint, wird in den kommenden Wochen, Monaten, ja, Jahren unser Leben in vielfältiger Weise verändern. Auf eine Art und Weise, die sich niemand, der in diesen Tagen auf der Erde wandelt, auch nur im Entferntesten hätte vorstellen können.

      Die Pandemie trennt die Gegenwart von der Vergangenheit beinahe so, wie man sich durch Unfall oder Krankheitsdiagnose von einer Sekunde auf die andere aus dem bisherigen Leben gerissen fühlen kann. Die Ungewissheit trifft uns unvorbereitet. Für die breite Mehrheit der europäischen Staaten bedeutet die virale Pandemie einen Schock des Unermesslichen, der Mitte März 2020 binnen weniger Tage die Gesellschaft um Dekaden zurückwirft.

      Es kommt zur Rückkehr vom Hamstern, der temporären Aufhebung von Grundrechten – namentlich der Freizügigkeit und des Demonstrationsrechts-, zum Triumph der Exklusion über die Inklusion und einer Renaissance der Grenzschließungen.

      Mit dem Virus erreicht uns eine Bedrohungswahrnehmung: Dieses Corona-Virus ist für den Menschen neu, die Übertragung verläuft sehr schnell von Mensch zu Mensch, der Ausbreitungs- und Krankheitsverlauf ist schwer vorherzusagen, es entfaltet sich ausbruchsartig auch in Europa und überfordert selbst unsere Gesundheitssysteme.

      Die „Corona-Krise“, die flugs ausgerufen wird, als das Virus auch in unseren Breitengraden zu unserem ständigen Begleiter wird, verursacht dabei vor allem eins: Ein Gefühl der Unsicherheit, ausgelöst durch die Ungewissheit über das, was der Erreger kurzfristig auszulösen imstande ist, über seine möglichen Langzeitfolgen und nicht zuletzt darüber, wie wir seiner Herr werden können. Die mediale Bericht-erstattung über das Virus befeuert dieses Gefühl noch zusätzlich. Sie nimmt Ausmaße an, die das Erträgliche hart auf die Probe stellen. Von morgens bis abends wird man mit Informationen bombardiert, mit konträren Meinungen von Politikern, Virologen und vielen, die sich darüber hinaus berufen fühlen, ihren Senf zum Thema abzugeben.

      Wie soll man da noch den Durchblick, noch einen klaren Kopf behalten? Wie mit seinen Emotionen in dieser seltsamen Zeit umgehen?

      Vielleicht hilft es, sich dem Phänomen „Covid-19“ durch grundlegende Fragen, die einen Großteil der Bevölkerung im Zusammenhang mit Corona bewegen und durch die Empfindungen, die die Pandemie-Situation in jedem Einzelnen hervorruft, zumindest anzunähern, um den Schleier ein wenig zu lüften.

      Denn auch im letzten Drittel des Jahres 2021, nach gut anderthalb Jahren Covid-19, sind die Verantwortungsträger aus Politik und Medizin weit davon entfernt, sämtliche Fragen hinsichtlich des Virus und seiner möglichen Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft zufriedenstellend beantworten zu können.

      Köln, im September 2021

      Peter Wolff

I Seuchen, Viren und das Corona-Virus

      01 Seuchen gab es schon immer

      Es gibt Berge, über die man hinübermuss, sonst geht der Weg nicht weiter“

      Ludwig Thoma (Deutscher Schriftsteller, 1867-1921)

      Angesichts der aktuellen Corona-Pandemie und ihrer einschneidenden Folgen fragen sich viele Menschen, ob und welche Seuchen es früher gab, wie mit ihnen umgegangen wurde und ob der Umgang damals ein anderer war als heute.

      Wie sieht es also aus mit unserer Seuchenhistorie? Und was ist das überhaupt – eine Seuche?

      Das Wort „Seuche“ ist ein Abstraktum zu siech („schwach, krank“) und geht zurück auf das althochdeutsche siuhhī, unter anderem im Sinne von „allgemeine Krankheit, die den ganzen Körper schwächt oder eine Krankheit der ganzen Gegend, der ganzen Sippe oder Herde“ (01).

      Als Seuche bezeichnet man früher eine „ansteckende Krankheit, die allgemeiner sich ausbreiten kann, da die Gesunden durch die an derselben Krankheit Leidenden angesteckt werden können“, ab dem 17. Jahrhundert auch den „Krankheitsstoff, der durch den ganzen Körper oder das Land geht“.

      Im 18. Jahrhundert wird der Begriff als Ersetzung des Begriffes Pest beziehungsweise Pestilenz in Gebrauch gekommen, wobei letztere als Oberbegriff für massenhaftes Erkranken und Sterben dient. Dieser Seuchenbegriff beschreibt nunmehr mehr oder weniger plötzlich auftretende Massenerkrankungen, Seuche wird nicht von der Ursache her definiert, sondern durch die Intensität und Plötzlichkeit des Auftretens.

      Die Kontagiosität (Übertragungsfähigkeit) und Infektiosität (Fähigkeit, bei einem Wirt eine Infektion hervorzurufen) sowie Art, Schweregrad und Letalität (Sterblichkeit) der hervorgerufenen Krankheit bestimmen dabei Art und Ausmaß einer Seuche. Typisch ist ein schwerer Verlauf solch virulenter Infektionskrankheiten, der zu „Siechtum“ oder Tod führen kann.

      Heute verwendet man den Begriff Seuche im Sinne einer sich schnell ausbreitenden ansteckenden Infektionskrankheit. In einem engeren Sinne kann man sie auch als eine zeitlich und örtlich gehäuft auftretende