Peter Wolff

Im Bann von covid-19


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vermehrten Blutgerinnung zudem ein erhöhtes Risiko für Blutgerinnsel (Embolien) in den unteren Extremitäten, in der Lunge sowie im Gehirn.

      Nierenerkrankungen: Insbesondere bei schwer an Corona erkrankten Personen, die beatmet werden müssen, kann ein akutes Nierenversagen auftreten, was eine Dialyse erforderlich machen kann.

      Erkrankungen der Haut: An der Haut kann es unter anderem zu juckenden Ausschlägen, Bläschen, Knötchen und Rötungen kommen. In seltenen Fällen sind schwere Durchblutungsstörungen in den Körperspitzen wie Nase, Kinn, Finger oder Zehen beschrieben.

      PIMS: Mehrere Länder berichten von Fällen eines sogenannten Pädiatrischen Inflammatorischen Multisystemischen Syndroms (PIMS) - einer Entzündungskrankheit mit Fieber, Magen-Darm-Beschwerden und Herzproblemen - in Kombination mit einem Schocksyndrom (toxic shock syndrome, TSS), bei dem unter anderem ein Blutdruckabfall hinzukommt.

      Schwere Entzündungsreaktion: Einige schwer Erkrankte entwickeln acht bis 15 Tage nach Erkrankungsbeginn eine Verschlechterung ihres Krankheitszustandes infolge schwerer Entzündungsreaktionen (Hyperinflammations-syndrom). Dabei können mehrere Organe versagen; viele der Betroffenen versterben (15).

      Die Schleimhäute von Mund und Nase sind das Einfallstor für das neuartige Coronavirus. Es vermehrt sich zunächst in Nase und Rachen. Darum ist es auch ansteckender als sein Verwandter SARS-CoV, weil es sich aus Nase und Rachen leichter verbreiten kann (16).

      Die Inkubationszeit, das heißt die Dauer von der Ansteckung bis zum Beginn der Erkrankung, beträgt beim Coronavirus SARS-CoV-2 im Mittel fünf bis sechs Tage. In verschiedenen Studien wurde berechnet, dass bei 95% der Infizierten, die Krankheitszeichen entwickelten, diese spätestens nach 10 bis 14 Tagen aufgetreten waren. Und: Jeder Infizierte kann Überträger sein und das Virus an die Risikogruppe weitergeben. An die Menschen also, die ein deutlich höheres Risiko haben, schwer zu erkranken und eventuell sogar zu sterben.

      Nach Angaben der WHO nehmen rund 80% der Fälle einen milden Verlauf. Knapp 14% der Betroffenen entwickeln schwere Symptome wie Atemnot, nur knapp 5% lebens-bedrohliche Auswirkungen wie Atemstillstand, septischen Schock oder Multiorganversagen.

      Schwere Verläufe sind also eher selten. Sie können jedoch auch bei Personen ohne bekannte Vorerkrankung und bei jüngeren Menschen auftreten. Bei folgenden Personen- gruppen werden schwere Krankheitsverläufe häufiger beobachtet:

       ältere Personen (stetig steigendes Risiko für schwere Verlauf ab etwa 50 bis 60)

       Raucherinnen und Raucher (schwache wissenschaftliche Datenlage)

       Menschen mit sehr starkem Übergewicht.

       Personen mit bestimmten Vorerkrankungen:Besonders gefährdet sind Personen mit chronischen Atemwegserkrankungen, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems wie einer koronaren Herzerkrankung oder erhöhtem Blutdruck, chronischen Lungenerkrankungen wie COPD, Diabetes, chronischen Nieren- und Lebererkrankungen, Krebspatienten und solche, deren Immunsystem durch eine Therapie geschwächt ist. Bei diesen Personen kann Covid-19 einen lebensbedrohenden Verlauf nehmen. Schätzungsweise 22 Millionen Menschen in Deutschland haben mindestens eine relevante Vorerkrankung. Diese Personen entwickeln häufiger eine Lungenentzündung und müssen auf der Intensivstation beatmet werden.

      Das Risiko wird außer von der Art der Vorerkrankung auch von deren Schweregrad und einer adäquaten therapeutischen Einstellung sowie von zusätzlichen Begleiterkrankungen und weiteren Einflussfaktoren beeinflusst (17).

      Menschen mit milden Symptomen erholen sich der WHO zufolge in zwei Wochen, solche mit schweren Symptomen brauchen drei bis sieben Wochen. Es gebe zudem relativ wenige Fälle bei Kindern, ergänzt der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus. Noch sei aber unklar, warum das so sei (18).

      Soviel zu den kurzfristigen Symptomen einer Infektion mit dem Corona-Virus. Wie aber sieht es mit den Langzeitfolgen aus, die, wen wundert's, mittlerweile als „Long Covid“ bezeichnet werden. Genesen, aber nicht gesund?

      Nach der Genesung ist Covid-19 längst nicht überstanden. Zehn bis 20% der Patienten leiden unter Langzeitfolgen – und zwar auch jene, die einen milden Krankheitsverlauf hatten.

      Auch Monate, nachdem der Sars-CoV-2 Erreger bei Patienten nachgewiesen wurde, leiden viele Erkrankte an langfristige Folgeschäden, dem sogenannten "Long Covid" - und das längst nicht nur im Bereich der Lunge.

      "Die Beine vieler Patienten, die zu uns in die Klinik kommen, sind wie Wackelpudding", sagt Per Schüller, Chefarzt der Abteilungen Kardiologie und Pneumologie der Median-Klinik Flechtingen, dem rbb im November 2020.

      Bei allen Patientinnen und Patienten, die in der Pneumologie behandelt werden, ist die Lunge betroffen, meistens in Form einer Gasaustauschstörung. Doch auch ausgeprägte Muskelschwächen seien eine häufige Begleiterscheinung, erklärt Schüller. "Wir haben auch Hinweise auf eine neurologische Beteiligung am Krankheitsbild unserer Patienten gesehen", sagt Schüller. Diese Patienten hätten neurologische Symptome wie ataktische Gangstörungen, Geruchs- und Geschmacksstörungen, Konzentrationsstörungen und Einschränkungen der Merkfähigkeit.

      "Diese Folgen hatten wir aber auch bei jüngeren Patienten", betont Schüller. Ebenfalls falle auf, dass neurologische Folgen nicht von der Schwere der Covid-Erkrankung abhängen. Auch bei milden Krankheitsverläufen könne es neurologische Begleiterkrankungen geben.

      Schon länger häufen sich Berichte, dass Covid-19-Patienten einen Verlust ihres Geruchssinns erleiden. Dieser kann wochenlang andauern - und ist auch ein Hinweis darauf, dass das Virus das Nervensystem angreift. Ob hinter dem Verlust des Geruchssinns auch schwerwiegendere Folgen für das Gehirn liegen, ist noch nicht abschließend geklärt.

      Manche Betroffene mit leichten Verläufen leiden noch Monate nach einer Covid-19-Erkrankung an anhaltender Erschöpfung und Müdigkeit, Atembeschwerden und Konzentrationsschwäche.

      Laut einer Studie des St.James's Hospitals in Dublin vom November 2020 leiden rund 52% der Befragten auch zehn Wochen nach ihrer Genesung noch unter Müdigkeit und Konzentrationsschwäche – ganz unabhängig von der Schwere der Corona-Erkrankung. Ähnliche Erkenntnisse gewinnt man bereits im Juli des Jahres. 87% der 143 genesenen Patienten eines Krankenhauses in Italien leiden noch zwei Monate nach ihrer Behandlung unter Müdigkeit.

      Studienergebnisse wie diese haben auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) alarmiert. "Für eine bedeutende Zahl von Menschen hat dieses Virus eine Reihe ernsthafter Langzeitfolgen", sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus im Oktober 2020. Berichte über anhaltende Komplikationen nach Covid-19 gebe es von Krankenhauspatienten ebenso wie von daheim behandelten, jungen sowie alten Menschen. "Besonders besorgniserregend ist die große Bandbreite an Symptomen, die sich im Laufe der Zeit verändern, oft überschneiden und jedes System im Körper betreffen können", sagte Tedros.

      Pneumologische und neurologische Folgen sind die häufigsten Langzeitfolgen, sagt Wolfgang Galetke, Ärztlicher Direktor und Chefarzt Pneumologie der auf Covid-19 spezialisierten Rehaklinik Hagen-Ambrock. Dabei seien die neurologischen Folgen überrepräsentiert. "Bei vielen Patienten bleibt die Störung im Geruchssinn über Monate persistierend.", so Galetke im November 2020. Auch Schwindel und Gangstörungen seien bei Patienten, die keine Lungenschäden hätten, auffällig. "Auf der anderen Seite beobachten wir Lungenveränderungen bei Patienten, bei denen Geschmacksstörungen nicht im Vordergrund stehen", fügt Galetke hinzu.

      Das lässt darauf schließen, dass bei Betroffenen mit einem milden Krankheitsverlauf häufig neurologische Folgen im Vordergrund stehen - bei Patienten mit schwerem Verlauf pneumologische Folgen. "Bei einigen scheint das Virus durch den ACE-Rezeptor in der Zunge und im Rachenbereich in das Nervensystem einzudringen, das Geruch und Geschmack meldet", erklärt Galetke. Bei einem Drittel der Patienten bleibe es jedoch nicht dabei, sondern das Virus könne neben Gangstörungen oder kognitiven Beeinträchtigungen beispielsweise auch Schlaganfälle hervorrufen.

      Ob sich die Langzeitfolgen erfolgreich behandeln lassen, kann Galetke noch nicht sagen. Bei den Krankheiten Mers und Sars, die ebenfalls durch ein Coronavirus hervorgerufen werden, habe jedoch die Hälfte der Patienten ein halbes Jahr nach der Erkrankung