seiner Seite hatte, glaubte er, daß ihm die Einwilligung des Vaters wohl auch nicht fehlen möchte. So kam er auf den Gedanken, sich eine größere Wohnung zu mieten und nach Maßgabe seiner augenblicklichen Verhältnisse und Mittel zu möblieren. Wenn er Mr. Hughes in eine freundliche und nette, wenn auch nicht eben elegante Wohnung führen und ihm zeigen könne, daß er seiner jungen Gattin ein behagliches Heim, das den Verhältnissen ihrer Eltern nicht allzu viel nachstände, zu bieten vermöchte, meinte er, schon viel gewonnen zu haben.
Er kündigte also seinem Wirte auf den nächstfolgenden März die Wohnung und machte sich in Fräulein Hughes' Gesellschaft auf die Suche nach einem Heim, wie es ihren beiderseitigen Wünschen entsprechen möchte. Daß »sie« dabei das große Wort führen durfte – und auch führte – möge nur nebenher bemerkt sein.
Damals war die Penton-Straße die Saint-James-Straße von Pentonville, der Regent's-Park der City-Road, und er pries sich als der glücklichste Erdensohn, dort das Haus Nr. 37 zu finden, das er vollständig so einrichtete, wie Miß Hughes es anzuordnen geruhte.
Da Sadlers-Wells-Theater zurzeit geschlossen war, blieb ihm reichlich Zeit, sich dem Vorgenusse des ersehnten Glückes hinzugeben. Ja, er durfte rechnen, daß ihm bis zum Weihnachtsfeste Zeit dazu bleiben werde, denn die Saison ging mit dem Oktober zu Ende, und im Drury-Lane-Theater gab's für ihn erst wieder um Weihnachten herum Arbeit, und auch dann noch nicht viel, sofern nicht eine Pantomime zur Aufführung gebracht wurde.
Die Besitzer des Drury-Lane-Theaters gaben aber, wie in früheren, so auch in diesem Jahre statt einer Pantomime ein brillantes Schau- und Spektakelstück – was nach Grimaldis Meinung nun freilich keine Wandlung zum Bessern war, wenn er auch nicht gerade eine solche zum Schlechtern darin erblicken mochte. Das Publikum war seit Jahren zum Weihnachtsfeste an Pantomimen gewöhnt und rechnete auf eine solche. Stücke, wie Blaubart, Lodoiska und dergleichen machten ja Kasse, aber ob die Pantomimen im Covent-Garden nicht doch noch bessere Kasse machten, darüber hätte Grimaldi doch noch streiten mögen. Darnach zu schließen, daß auch Drury-Lane schließlich sich der Pantomime wieder zuwandte, war Grimaldi mit seiner Auffassung freilich im Rechte.
In all diesen Stücken, wie Blaubart, Lodoiska usw., trat Grimaldi auf, doch immer nur in Rollen, die ihn wenig beschäftigten. Ihm konnte das nur recht sein, da ihm die Gesellschaft seiner jungen Miß weit lieber war als aller Theaterkram.
Gegen Ende Februar war die neue Wohnung eingerichtet, und da von der Aufführung einer Pantomime nichts verlautete, schien die Zeit für die Hochzeitsfeier außerordentlich günstig.
Grimaldi teilte der Dame seines Herzens seine Gedanken mit, und sie erklärte, den Hochzeitstag festsetzen zu wollen, sobald er mit ihrem Papa im reinen sei.
Davor graute es aber Grimaldi, und zwar einesteils, weil es ihm an sich zuwider war, dergleichen Auseinandersetzungen zu führen, andernteils weil ihm schwante, daß auf diese Weise das ersehnte Glück durch Hinausschiebung des Termins nur verkürzt werden möchte. Er erklärte also, daß er Mr. Hughes um seine Einwilligung nicht angehen könnte, da derselbe ja nicht in London sei.
»Es geht Dir eben alles nach Willen,« bemerkte darauf die junge Dame, »denn ich weiß ja doch, Du fändest im ganzen Leben nicht die Kurage, über die Angelegenheit mit ihm zu reden. Also schreibe ihm, was ich an sich auch für weit besser halte. Unfehlbar wird er Dir mit wendender Post Antwort geben.«
Mr. Hughes war in Exeter. Grimaldi setzte nun eine entsprechende Epistel auf, der momentanen Sachlage streng angemessen, Miß Hughes las sie durch, hieß sie gut, natürlich unter Vorbehalt einiger Änderungen im Stil und im Gedankengange. Dann wurde sie ins reine geschrieben, mit Briefumschlag versehen und der Post übergeben. Am andern Tage fand sich die Notwendigkeit, daß Mariechen auf ein Weilchen der Stadt Valet sagen mußte, da sie ein paar guten Freunden draußen in Gravesend ihren Besuch versprochen hatte. Trotzdem es Grimaldi gar nicht recht war, gerade jetzt ihre Gegenwart und ihren Trost zu missen, blieb ihm doch weiter nichts übrig, als sich in diese Trübsal zu finden. Fünf volle Tage vergingen, ohne daß von Mr. Hughes eine Antwort kam, Grimaldi war der Verzweiflung um so näher, als er nichts vorhatte, sich also trübseligen Gedanken recht ungehindert überlassen, von seinen schlimmen Ahnungen so recht beherrschen lassen konnte.
Um so größer war begreiflicherweise seine Freude, einen Brief von Mariechen zu erhalten, der ihm eine Aufforderung zur Teilnahme einer Fahrt auf der Themse nach Gravesend brachte.
Dazu ließ er sich nicht nötigen, ließ auch nicht auf sich warten, sondern war pünktlich zur festgesetzten Zeit am Trefforte. Das konnte er sich nicht hoch genug anrechnen, denn zur damaligen Zeit gab es bloß Segelboote, man war also abhängig von Ebbe und Flut und von Wind und Wetter, so daß man zufrieden sein mußte, wann und wie man sein Ziel erreichte, wenn man es überhaupt nur erreichte.
Mariechen erwartete ihn am Landungskai. Mit ihr zusammen fuhr er nach Chatham. Sie hatte, wie sie ihm erzählte, ihren Bruder in das Geheimnis eingeweiht, und bei ihm sollten sie den Tag verleben.
»Sepperl,« sagte sie, nachdem er seinem freuderfüllten Herzen Luft gemacht, »nun sage mir aber auch, wie sich alles bis jetzt gemacht hat. Was hat der Vater geschrieben?«
»Bis jetzt noch gar nichts.«
»Das ist wunderlich. Er ist doch sonst so pünktlich.« »Ich habe aber noch keine Zeile von ihm gesehen.«
»So mußt Du eben noch einmal schreiben, Sepp, und ohne allen Aufschub. Heute wird's ja kaum gehen, aber morgen tue es auf jeden Fall! Ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, weshalb er sich in Schweigen hüllt.«
»Ich auch nicht.«
»Er muß sehr viel zu tun haben, daß er Deinen Brief so ganz hat vergessen können.«
Wie so oft, war auch hier der Wunsch des Gedankens Vater, und so befaßten sie sich nicht weiter mit dem Papa und dessen Saumseligkeit, sondern verlebten einen recht frohen Tag in Gemeinschaft mit Mariechens Bruder. Abends fuhren sie nach Gravesend zurück, und kurz nach elf saß Grimaldi wieder an Bord seines Segelboots. Mariechen hatte ihm versprochen, am Sonnabend nachzukommen.
In der Kajüte traf Grimaldi Mr. Cleave, den Kassierer vom Sadlers Wells-Theater. An Intrigen und Eifersüchteleien fehlt beim Theater so wenig, wie bei Hofe, in Pensionaten und Ballsälen. Kein Wunder also, daß auch Mr. Cleave seine »Tort« wider Grimaldi hatte, nicht aber, weil er ihm selbst im Wege gestanden hätte, sondern weil durch ihn ein gewisser Hartland, den er für höchst talentvoll und auch für einen netten Kerl hielt, ins Hintertreffen geraten war. Besagter Hartland war nämlich gleichfalls in Sadlers-Wells für Pantomimen und Melodramen engagiert. Um dieses guten Freundes willen war ihm also Grimaldi ein gewisser Dorn im Auge, und lieber wäre er ihm aus dem Wege gegangen, als hier mit ihm zusammenzutreffen. Wäre nun gar Miß Hughes mit dabei gewesen, so hätte man sich mancherlei Unheils mit apodiktischer Gewißheit versehen dürfen. »Um alles in der Welt, Grimaldi, was haben Sie hier zu schaffen?«
»Ich bin auf der Fahrt nach London, wohin wohl die meisten Kollegen unterwegs sein dürften.«
»Das meine ich. Was Sie nach Gravesend hinaus geführt, wollte ich wissen.«
»In Gravesend habe ich gar nichts zu tun gehabt, bin vielmehr gleich nach Chatham weiter gefahren.«
»Hm!«
»Es ist aber ganz, wie ich Ihnen sage.«
Der Kassierer schnitt ein wunderliches Gesicht. Man hätte fast meinen können, er habe den ganzen Tag weiter nichts vorgehabt, als Grimaldi nachzuspüren. Eine Weile lang verhielt er sich still; dann sagte er:
»Ich habe bloß gefragt, weil ich dachte, Sie hätten vielleicht in Gravesend – mit einer jungen Dame zu Mittag speisen sollen?«
Hieraus folgerte Grimaldi, daß Mr. Cleave in Erfahrung gebracht haben müsse, daß Miß Hughes in Gravesend sei, und in der freundlichen Absicht, ihn auszuspionieren, die Spritzfahrt dorthin gemacht habe. Er lachte sich nun ins Fäustchen, daß der Kassierer ihn mit Mariechen nicht zusammen gesehen, überließ ihn schadenfroh seinen Gedanken und verfügte sich auf Deck, weil ihm die kalte Nachtluft lieber war als das fischblütige Temperament des Kassierers.
Auf