Nachtwächter bekamen jeder zehn Schilling, die vielen Dankesworte, mit denen sie bedacht wurden, nicht gerechnet, und an diesem Morgen frühstückten die Hausbewohner weit vergnügter als sie am verflossenen Abend genachtmahlt hatten. Begreiflicherweise wurde viel darüber diskutiert, wer die Diebe gewesen sein möchten. Augenscheinlich mußten sie in Erfahrung gebracht haben, daß für den Abend eine späte Probe angesetzt gewesen war, und ganz sicher wäre es ihnen auch geglückt, ihre Beute in Sicherheit zu bringen, wenn die Probe nicht unvermutet wieder abbestellt worden wäre.
Auch war, solange das Mädchen zuhause war, nie ein Einbruch versucht worden. Bei Frau Grimaldi, wie auch Frau Lewis schien halb und halb Neigung vorhanden zu sein, das Mädchen des Diebstahls zu verdächtigen. Bei schärferer Erwägung aller Umstände schien diese Kombination doch nicht recht stichhaltig, stammte das Mädchen doch von sehr rechtlichen Eltern und war doch auch die Tante schon vier Jahre bei Grimaldis im Dienst gewesen. Dazu kam weiter noch, daß ein Onkel des Mädchens vierzig Jahre lang beim Theater als erster Schneider beschäftigt war, daß das Mädchen eine gute Schulbildung genossen und auch schon fast vierzig Jahre bei Grimaldis gedient, sich auch niemals in dieser ganzen Zeit irgend etwas zu schulden hatte kommen lassen.
Gleichviel aber, wer die Diebe gewesen, darüber herrschte Klarheit, daß alles zur bessern Sicherung des Hauses geschehen mußte, was von nöten war. So bekam denn ein Zimmermann Auftrag, die Türen mit besonders starken Riegeln und Haspen zu versehen. Nichtsdestoweniger wollte die Furcht nicht aus den Gemütern der Frauen weichen, und noch lange Zeit befiel sie nervöses Zittern, wenn bei Dunkelwerden oder zur Nachtzeit ein ungewohntes Geräusch ertönte, oder gar geklopft wurde.
Ein Theaterdiener, der um elf Uhr den Nachtdienst anzutreten hatte, wurde angeworben, bis zu dieser Stunde das Grimaldische Haus zu bewachen. Früher kehrten Grimaldis niemals heim, und so lange das Mädchen noch seine Ferien hatte, bezog der Mann regelmäßig seine Wache.
Das Mädchen schien sich vor Schrecken und Staunen gar nicht fassen zu können, als sie nach ihrer Rückkehr hörte, was geschehen war. Ihr Benehmen schien aber durchaus nicht derart, daß sich der Argwohn gegen sie hätte festigen können. Es waren vielmehr alle der Meinung, daß zu einem wirklichen Verdacht nicht genug ausreichende Gründe vorhanden seien.
Als man das Mädchen fragte, ob sie sich allein zuhause zu bleiben fürchte, erklärte sie, Furcht sei ihr fremd, sie bliebe gern die halbe Nacht munter, wenn man ihr nur erlaubte, in der Wohnstube Feuer anzumachen, denn wenn die Räuber und Diebe Feuerschein sähen, bekämen sie doch sicher die Meinung, die Herrschaft sei zuhause; lieb wäre es ihr auch, wenn man ihr eine recht große Klapper kaufte, mit der sie die Nachbarschaft im Nu alarmieren könnte, wenn sich Gefahr zeige.
Die Erlaubnis, Feuer anzumachen, wurde ihr gern gegeben, auch eine Klapper wurde für sie gekauft, auch dem Nachtwächter, der in der Nähe seinen Stand hatte, ein gutes Trinkgeld verabfolgt, damit er das Haus in Obacht behalte und auf den ersten Hilferuf herbeieile.
Die Spitzbuben, welche mutwillige Gesellen gewesen, denn sie hatten sich nicht auf die Plünderung beschränkt, sondern mit herzloser Barbarei Grimaldis Insektenschrank erbrochen und alle Kästen zerstört, sogar die Bartford Bläulinge nicht verschont und mit Ausnahme eines einzigen Schächtelchens die ganze Sammlung nebst allen Zeichnungen, Modellen und Farben vernichtet.
Jahre wären notwendig gewesen, wenn der unermüdliche Sammler den großen Verlust hätte wieder wett machen wollen, und um ihn durch Ankäufe zu ersetzen, wären mindestens zweihundert Pfund bares Geld nötig gewesen.
Dieses unvorhergesehene Mißgeschick machte mit einem Schlage aller Insektenjagd ein Ende, Grimaldi schenkte, was von der Sammlung vielleicht noch brauchbar war, einem guten Bekannten, der gleich ihm Sammler war, griff aber auf seine einstmalige Lieblingsbeschäftigung nie mehr im Leben zurück.
Nach Verlauf einiger Wochen gewannen die Hausbewohner ihre Ruhe wieder zufolge der getroffenen Vorsichtsmaßregeln. Schließlich fühlten sie sich wieder ganz sicher, weil sie meinten, den Dieben sei durch den schlimmen Empfang, den sie gefunden, alle Lust zur Wiederkehr geraubt worden. Und doch sollten sie sich hierin bitter täuschen, denn in der vierten Woche nach Rückkehr des Dienstmädchens erneuerten die Einbrecher ihren Versuch, wovon wir aber in einem späteren Kapitel berichten werden.
Viertes Kapitel.
Die Diebesbande kehrt zurück. – Grimaldi sucht Beistand in Haton-Garden. – Unterredung mit Mr. Trott. – Kriegslist und ihr Erfolg beim dritten Diebesbesuche. – Was Pantomimen und Schaustücke bewirken. – Fahrt nach Gravesend und Chatam. – Unangenehmes Zusammentreffen mit einem übelgesinnten Freunde, und angenehme Weise zu reisen, wie sie auch anderen empfohlen sein soll.
Zwei Abende waren ohne alle Störung verlaufen. Am dritten meinte die in der Küche beschäftigte Magd ein Geräusch zu hören, wie wenn ein Versuch gemacht würde, die in den Garten führende Tür zu erbrechen. Leise ging sie nach dem Hausflur hinauf und sah nun, wie der Türgriff auf und nieder bewegt wurde, auch, daß jemand mit Gewalt gegen die Tür drückte.
Bestürzt fing sie gleich zu schreien an, was jedoch die Diebe durchaus nicht verscheuchte. Sie schienen vielmehr ihre Anstrengungen zu verdoppeln, so daß die Tür halb aus den Angeln gehoben wurde, wie man sie auch nachher fand. Hätte sie keinen Widerstand geleistet, wäre die Magd zweifellos ermordet worden; sie hatte jedoch ihre Geistesgegenwart wieder gewonnen, lief nach der Vordertür, riß sie auf und machte nun von ihrer Klapper Gebrauch und zwar so energisch, daß sehr bald nachher Nachtwächter und die ganze Nachbarschaft zur Stelle waren. Man ließ es an Nachforschungen nicht mangeln, allein der Diebe konnte man nicht habhaft werden.
Der zweite Versuch der Bande war so dreist und verwegen gewesen, daß den Herrschaften ihre Besorgnisse doppelt und dreifach wiederkehrten. Die ganze Nacht wurde durchwacht, und alles war Verwirrung und Schrecken im Hause.
Am andern Morgen wurde beschlossen, neue Sicherungsmaßregeln zu treffen, und der Anfang damit sogleich gemacht. Man verwahrte die Türen gleich Festungstoren, und Grimaldi begab sich auf das Bezirkspolizeiamt nach Hatton-Garden, um auch den Beistand und Schutz der Behörden in Anspruch zu nehmen.
Bei jenem Polizeiamte war damals ein sehr erfahrener und listiger Unterbeamter, namens Trott, angestellt, der bisweilen, wenn ein sehr volles Haus erwartet wurde, den regulären Konstablern im Theater beigegeben wurde.
Als Grimaldi anlangte, kam Trott ihm entgegen und kündigte ihm an, daß er eben hätte zu ihm kommen wollen.
»Sie haben also schon gehört?«
»Freilich, und wohl ein gut Teil mehr, als Sie wissen.«
»Haben Sie die Diebe festgenommen?«
»Das eben nicht, es waren mir ihrer noch immer zuviel. Da sie das Geschäft anfingen, waren ihrer nicht weniger als zwanzig in der Bande. Sechzehn oder siebzehn sind gehangen oder verschifft, und die anderen haben bei Ihnen den Einbruch versucht. Irgendwo in Pentonville haben sie ihren Schlupfwinkel, es sind die schlimmsten von allen, die alles wagen und vor nichts zurückschrecken.«
Das war keine erfreuliche Mitteilung. Trott gewahrte Grimaldis Unruhe und setzte hinzu:
»Seien Sie nur ohne Sorgen! Die Halunken wollen sich bloß dafür rächen, daß sie beim ersten Male so schlecht weggekommen sind.«
»Meine Situation ist höchst unangenehm,« meinte Grimaldi.
»Hm – ja – wenn man bedenkt, daß solche Leute niemals drohen, ohne ihre Drohung auch auszuführen. Aber, wie gesagt, seien Sie nur ganz ruhig, Grimaldi.«
»Gestern Abend sind sie wieder dagewesen.«
»Ich weiß es wohl. Will Ihnen auch noch etwas im geheimen mitteilen: Heut Abend kommen sie wieder.«
»Heute Abend?«
»So sicher wie der Tod, und wenn Sie nicht Leute genug im Hause haben, wenn Sie nicht stark genug sein sollten.«
»Es sind nur drei Frauen und eine Mannsperson außer mir im Hause.«
»Nicht