Charles Dickens

Clown Grimaldi


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außer dem Dartforder Freunde, bei diesen Ausflügen war Nobert Gomery, oder »Freund Bob«, wie er von seinen näheren Bekannten genannt wurde, zu jener Zeit Schauspieler beim Sadlers Wells-Theater, und später während vieler Jahre ein Liebling des Publikums in den kleineren Theatern der Hauptstadt. Er lebt oder lebte wenigstens bis vor kurzem von seinem Gelde in Bath. Grimaldi hatte ein kleines Abenteuer mit ihm, das er mit großem Vergnügen zu erzählen pflegte.

      Er war eines Tages mit Freund Bob vom frühen Morgen bis an den Abend auf der Insektenjagd gewesen, und sie hatten an nichts anderes gedacht.

      »Bob,« sagte Grimaldi endlich, »ich bin sehr hungrig.«

      »Ich auch,« erwiderte Bob.

      »Da ist ein Wirtshaus,« bemerkte Grimaldi.

      »Kommt uns gerade recht,« sagte Nobert Gomery.

      Grimaldi war dessen minder gewiß. Es war ein sehr gutes Gasthaus, allein er hatte kein Geld, und zweifelte auch stark, ob sein Freund damit versehen wäre.

      »Laß uns hineingehen,« fuhr Bob fort. »Es wird spät – Du bezahlst.«

      »Nein, nein; Du!«

      »Ich würde es gern tun, habe aber kein Geld bei mir.«

       Grimaldi griff mit einem seiner lächerlichsten Gesichter erst in die rechte, dann in die linke, dann in die Rock- und die Westen-Taschen, nahm zuletzt den Hut ab und schaute hinein, allein nirgend wollte sich Geld finden.

      Sie näherten sich inzwischen dem Gasthause, und berieten äußerst niedergeschlagen mit sich selbst, als Grimaldi plötzlich unter einem Baume ein Geldstück erspähte, es aufhob und unter vielen pantomimischen Freuden-Bezeugungen ausrief: »Ein Sixpence, ein Sixpence!«

      Die Mienen des hungrigen Freundes erheiterten sich, nahmen jedoch bald wieder ihren trübseligen Ausdruck an. »Es ist ein Stück Blech,« sagte er.

      Grimaldi rieb und beschaute den Fund um und um, und behauptete das Gegenteil. Der Freund drückte kopfschüttelnd fortwährend Zweifel aus.

      »Ich will Dir etwas sagen,« entgegnete Grimaldi, »wir wollen hineingehen und den Wirt fragen. Diese Leute wissen dergleichen am besten.«

      Bob stimmte bei; sie eilten weiter, und hörten nicht auf zu streiten, ob der Fund ein Stück Geld, oder ein Stück Blech wäre. Das Geld war zu jener Zeit so abgegriffen, daß über eine Frage dieser Art allerdings Zweifel obwalten konnten.

      Der Wirt, ein munterer beleibter Mann, stand vor der Tür und sprach mit jemand. Das Haus sah so einladend aus, daß sich Gomery, als sie bis auf wenige Schritte herangekommen waren, nicht enthalten konnte, Grimaldi zuzuflüstern, es möchte das beste sein, daß sie sich vor allen Dingen Brot und Käse geben ließen und dann erst die große Frage an den Wirt richteten.

      Grimaldi nickte ihm Billigung zu, sie gingen hinein und forderten Brot, Käse und einen Trunk Bier. Sobald sie die ungestümsten Forderungen ihres Hungers befriedigt hatten, bedienten sie sich eines Hellers, den Grimaldi noch in einer seiner Taschen entdeckt, um nach »Schrift oder Bild« entscheiden zu lassen, wer den Sixpence vorzeigen sollte. Das Los traf Grimaldi; er trat gravitätisch zu dem Wirte, legte die zweifelhafte Münze mit seiner ganzen eigentümlichen Würde vor ihm auf den Tisch und forderte ihn auf, sich davon bezahlt zu machen.

      »Ganz recht, Sir,« sagte der Wirt, nach der wunderbaren Miene, die Grimaldi angenommen, statt nach dem Sixpence zu sehen.

      »Ist es auch recht, Sir?« fragte Grimaldi.

      »Allerdings, ich danke Ihnen, meine Herren,« erwiderte der Wirt und steckte die Münze, oder was es sonst war, in die Tasche.

      Gomery sah Grimaldi an, und Grimaldi ging mit einer Miene und einem schlechterdings unbeschreiblichen Wesen, gefolgt von seinem Freunde, aus dem Hause hinaus.

      »Solch ein Glück ist mir noch niemals begegnet,« sagte er. »Der Sixpence war eine wahrhaftige Gottesgabe.«

      »Das Blechstück willst Du sagen,« bemerkte Gomery.

      Ob der Fund das eine oder andere war, ist ungewiß, allein Grimaldi besuchte dasselbe Gasthaus späterhin noch öfter, und da der Sache nicht wieder erwähnt wurde, so hielt er sich vollkommen überzeugt, daß es ein guter wirklicher Sixpence gewesen sei.

      Anfangs 1794 bezog er mit seiner Mutter ein sechs Zimmer enthaltendes Haus in Penton Place, Pentonville, mit einem Garten. Sie überließen einige der Zimmer einem Mr. Lewis und dessen Frau, welche in Sadlers Wells engagiert waren, lebten so drei Jahre. Da Grimaldi's Gehalt eine Steigerung erfahren hatte, so fing er an, sich als vollkommen unabhängig zu betrachten. Zu Ostern nahmen die Vorstellungen in Sadlers Wells wie gewöhnlich ihren Anfang. Er machte Furore in einer neuen Rolle, und sein Ruf nahm rasch bedeutend zu. Er knüpfte zu dieser Zeit eine neue Bekanntschaft an, die für viele Jahre einen wesentlichen Einfluß auf sein Lebensglück gewann. Es ging damit folgendermaßen zu.

      Wenn Probe in Sadlers Wells war, pflegte seine, bei dem dortigen Theater gleich ihm selbst engagierte Mutter den ganzen Tag im Schauspielhause zuzubringen, im Ankleidezimmer zu essen und sich mit Nähtereien zu beschäftigen. Sie hatte dies angefangen, weil die Great-Wildstraße von Sadlers Wells sehr weit entfernt war, und als sie in Penton Place dem Schauspielhause so viel näher wohnte, setzte sie es fort, weil sie sich einmal daran gewöhnt hatte. Mr. Hughes, der zu dieser Zeit Haupteigentümer des Theaters geworden war und ein anstoßendes Haus bewohnte, hatte mehrere Kinder. Das älteste derselben war eine Tochter. Miß Maria Hughes war eine ausgezeichnete junge Dame. Sie hatte immer sehr viel von Grimaldi's Mutter gehalten und benutzte jede Gelegenheit, in ihrer Gesellschaft zu sein; sie pflegte bei ihr von drei oder vier bis sechs Uhr, mit einer weiblichen Arbeit beschäftigt, im Ankleidezimmer zu verweilen, und ging, wenn die anderen beim Theater engagierten Frauenzimmer sich einstellten. Grimaldi pflegte sich zwischen vier und fünf Uhr einzufinden, trank zur letztgenannten Stunde den Tee mit seiner Mutter und blieb ebenso lange wie sie. So entstand zwischen ihm und Miß Hughes eine genauere Bekanntschaft, die allmählich wärmere Gefühle erweckte.

      Den folgenden Tag, nachdem er in seiner neuen Rolle so großen Beifall geerntet, begab er sich wie gewöhnlich in das Ankleidezimmer, wo ihn seine Hausbewohnerin, Mrs. Lewis, die Garderobemeisterin, die zufällig anwesend war, mit Lobsprüchen überhäufte. Miß Hughes war gleichfalls zugegen, sagte aber lange Zeit nichts, und Grimaldi hörte so ungeduldig, als er konnte, Mrs. Lewis zu. Er hätte Miß Hughes lieber eine Minute, als die letztere eine Stunde reden hören. Endlich schwieg sie, um Atem zu schöpfen, wie die besten Redner von Zeit zu Zeit nicht umhin können, und nun blickte Miß Hughes auf und sagte mit einigem Stocken, Mr. Grimaldi hätte ihrer Meinung nach die Rolle außerordentlich gut gespielt, so gut, daß es ihm sicher niemand gleich tun könnte.

      Grimaldi hatte auf dem Wege nach Sadlers Wells die Sache überlegt und beschlossen, wenn Miß Hughes sein Spiel loben würde, mit einer feinen und wohlgesetzten Schmeichelei zu erwidern, die eine Andeutung auf den Zustand seiner Gefühle enthielte. Er hatte mehrere ausgesonnen, vermochte aber, sobald ihm Miß Hughes ihr Lob ausgesprochen, kein Wort hervorzubringen, errötete stark, nahm eine sehr spaßhafte Miene an, fühlte sich äußerst verlegen, machte endlich eine ungeschickte Verbeugung und ging nach der Tür, um sich zu entfernen.

      Es war sechs Uhr, und die Damen traten eben herein. Er war stets eine Art Liebling derselben gewesen, und ein paar der lebhaftesten und mutwilligsten – deren einige es in fast allen Schauspielerinnen – wie anderen Gesellschaften gibt – lobten zuerst sein Spiel und zogen ihn sodann mit einem anderen Gegenstande auf.

      »Joe ist so unendlich beliebt geworden,« sagte die eine, »daß er sich nach einem Liebchen umsehen sollte.«

      Hier blickte Joe nach Miß Hughes, und errötete noch weit stärker. »Sehr wahr,« fiel die zweite ein. »Was sagen Sie zu einer von uns, Joe?«

      Joe wurde so betreten, daß sein Aussehen ein allgemeines Gelächter erregte.

      »Wenn ich nicht sehr irre, meine Damen,« nahm Mrs. Lewis das Wort, »so hat Joe bereits ein Liebchen.«

      Eine andere Dame sagte, sie wisse bestimmt, daß er deren zwei, noch eine andere,