Selma Lagerlöf

Nils Holgerssons wunderbare Reise


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Rechts, links und geradeaus war nichts zu sehen als waldbedeckte Bergrücken, die nach und nach in kahle Felswände übergingen und sich allmählich zu hohen Berggipfeln erhoben.

      Der Storaa warf den Blick nach links. Dort hatte er den Langfjeld mit dem Djupgravstöt, Barrfröhågna und Storvätteshågna. Er sah gen Norden; dort hatte er den Näsfjeld, im Osten stand der Nipfjeld und im Süden der Städjan. Er war nahe daran zu denken, ob es nicht am klügsten sei, wieder in den See zurückzukehren. Aber dann fand er, daß er doch wenigstens einen Versuch machen müsse, den Weg zum Meer zu finden, und so machte er sich denn auf die Wanderschaft.

      Es ist leicht zu verstehen, daß es ein hartes Stück Arbeit war, sich den Weg durch dies wilde Bergland zu bahnen. Lag ihm nichts weiter im Wege, so war da doch immer der Wald. Er mußte eine Fichte nach der anderen umreißen, um sich freien Lauf zu schaffen.

      Am mächtigsten und stärksten war er im Frühling, wenn der erste Zufluß kam und ihn mit Schneewasser aus den Tannenwäldern speiste, und wenn dann der Zufluß aus den Bergen ihn mit Gebirgswasser füllte. Da sammelte er seine ganze Kraft und stürzte dahin, fegte Steine und Erde zur Seite und grub sich durch Sandrücken. Auch im Herbst konnte er eine tüchtige Arbeit schaffen, wenn ihn der Herbstregen gestärkt hatte.

      Eines schönen Tages, als der Storaa wie gewöhnlich geschäftig dabei war, sich seinen Weg zu bahnen, hörte er plötzlich ein Bubbeln und Brausen rechts vor sich, weit weg im Walde. Er lauschte so eifrig, daß er fast stillstand. ›Was in aller Welt kann das sein?‹ fragte er sich.

      Der Wald, der rings um ihn her stand, konnte sich nicht enthalten, sich ein wenig lustig über ihn zu machen. ›Du bildest dir wohl ein, daß du ganz allein auf der Welt bist,‹ sagte er. ›Aber ich kann dir erzählen, daß der, den du da brausen hörst, niemand anderes ist als der Gröfvelaa aus dem Gröfvelsee. Der hat sich gerade durch ein schönes Tal hindurchgegraben, und kommt wohl ebenso schnell wie du an das Meer.‹

      Aber der Storaa hatte seinen eigenen Kopf, und als er diese Antwort erhielt, sagte er, ohne sich einen Augenblick zu besinnen: ›Der Gröfvelaa ist nur ein armseliges Ding, das sich nicht allein helfen kann. Grüße ihn von mir und sage, der Storaa aus dem Vånsee sei auf dem Wege ans Meer, ich würde mich seiner gern annehmen und ihm weiterhelfen, wenn er sich mir anschließen will.‹

      ›Du bist ein tüchtiger Bursche, so klein du bist,‹ sagte der Wald. ›Ich will dem Gröfvelaa gern deinen Gruß überbringen, aber ich bin nicht sicher, daß er sich darüber freuen wird!‹

      Am nächsten Tage stand der Wald da und sollte von dem Gröfvelaa grüßen und sagen, er habe so schwer zu kämpfen, daß er sich freue, Hilfe zu erhalten, er werde schon kommen und sich mit dem Storaa vereinen, sobald er könne.

      Nun ging es natürlich noch schneller mit dem Storaa, und es währte nicht lange, bis er sich soweit vorwärts gearbeitet hatte, daß er einen langen, schmalen, schönen See erblickte, in dem sich der Jdreberg und der Städjan widerspiegelten.

      ›Was ist denn das?‹ sagte er, und wieder war er nahe daran, vor Staunen still zu stehen. ›Ich habe mich doch nicht so töricht benommen, daß ich wieder nach dem Vånsee zurückgekommen bin?‹

      Aber der Wald, der zu dieser Zeit überall zugegen war, antwortete sogleich: ›Nein, du bist nicht nach dem Vånsee zurückgekommen. Dies ist der Jdresee, der mit Wasser aus dem Sönderelf angefüllt ist. Das ist ein tüchtiger Elf. Er ist eben damit fertig geworden, den See zu machen, und ist nun dabei, sich einen Ablauf aus ihm zu schaffen.‹

      Als der Storaa das hörte, sagte er sofort zu dem Walde: ›Du, der du überall vordringst, willst du nicht den Sönderelf grüßen und ihm sagen, der Storaa aus dem Vånsee sei gekommen. Falls er mich durch den See laufen lassen will, werde ich zum Dank den Elf mit mir an das Meer hinausnehmen. Du kannst ihm sagen, er brauche sich keine Sorge zu machen, wie er vorwärtskommen soll, das werde ich schon einrichten.‹

      ›Ich will deinen Vorschlag gern überbringen,‹ sagte der Wald, ›aber ich glaube nicht, daß der Sönderelf darauf eingeht, denn er ist ebenso mächtig wie du.‹

      Aber am nächsten Tage konnte der Wald erzählen, daß der Sönderelf ebenfalls ermüdet sei, sich seinen Weg allein zu bahnen, und daß er bereit sei, sich mit dem Storaa zu vereinen.

      Der Bach lief nun durch den See und fuhr dann fort, mit dem Wald und den Bergen zu kämpfen, so wie bisher.

       Eine Weile ging alles gut, aber dann kam er in ein Gebirgstal, das war so fest verschlossen, daß er keinen Ausweg zu finden vermochte. Der Storaa lag da und schäumte vor Wut, und als der Wald hörte, wie rasend er war, sagte er: ›Nun ist es doch wohl aus mit dir!‹

      ›Aus mit mir?‹ sagte der Storaa. ›Nein, ich bin nur eifrig beschäftigt mit einer Großtat. Ich will versuchen, ob ich nicht ebensogut wie der Sönderelf einen See machen kann.‹

      Und dann begann er, den Särnasee zu füllen, und das war die Arbeit eines ganzen Sommers. Allmählich, als das Wasser im See stieg, wurde der Storaa höher in die Höhe gehoben, und schließlich brach er sich einen Ausweg nach Süden zu.

      Als er glücklich aus der Klemme herausgekommen war, hörte er eines Tages ein mächtiges Sausen und Brausen links von sich. Ein so mächtiges Brausen hatte er noch nie im Walde gehört, und er fragte gleich, was das sei.

      Der Wald war wie gewöhnlich sogleich mit der Antwort bei der Hand: ›Das ist der Fjätelf‹ sagte er. ›Kannst du hören, wie er braust und schäumt? Er ist auf dem Wege zum Meer hinaus.‹

      ›Falls du so weit reichst, daß dich der Elf hören kann,‹ sagte der Storaa, ›so grüße, bitte, den armseligen Elf und sage, der Storaa aus dem Vånsee erbiete sich, ihn mit an das Meer hinauszunehmen, aber unter der Bedingung, daß er meinen Namen annimmt und sich gehorsam in mein Flußbett legt.‹

      ›Ich kann doch nicht glauben, daß der Fjäteelf es aufgeben wird, die Reise auf eigene Hand zu machen‹ sagte der Wald. Am nächsten Tage aber mußte er zugestehen, daß auch der Fjäteelf müde sei, sich seinen eigenen Weg zu graben, und daß er sich bereit erkläre, sich mit dem Storaa zu vereinen.

      Nun ging es beständig vorwärts mit dem Storaa. Er war freilich nicht so groß, wie man hätte erwarten sollen, da er so viele Hilfskräfte zu sich gezogen hatte. Aber stolz war er. Er schritt fast in lauter Wasserfällen dahin und mit mächtigem Dröhnen rief er alles zu sich heran, was im Walde buddelte und brauste, wenn es auch nichts weiter war als ein Frühlingsbach.

      Eines Tages hörte er weit, weit nach Westen zu etwas brausen. Und als er den Wald fragte, wer das sei, erhielt er die Antwort, es sei der Fuluelf, der Wasser von dem Fuluberg aufnähme und bereits eine lange und breite Rinne gegraben habe.

      Sobald der Storelf das erfuhr, entsandte er seinen gewohnten Gruß, und der Wald übernahm es wie gewöhnlich, ihn auszurichten. Am nächsten Tage kam er mit der Antwort vom Fuluelf. ›Sage dem Storaa,‹ hatte der Elf geantwortet, ›daß ich seine Hilfe durchaus nicht wünsche. Es hätte sich besser für mich als für den Storaa geziemt, einen solchen Gruß zu senden, da ich der mächtigere von uns beiden bin, und ich sicher zuerst an das Meer gelangen werde.‹

      Kaum hatte der Storaa den Bescheid erhalten, als er seine Antwort schon bereit hatte. ›Willst du dem Fuluelf sofort bestellen,‹ sagte er zu dem Wald, ›daß ich ihn zum Kampf herausfordere. Hält er sich für mächtiger als mich, so muß er es beweisen, indem er mit mir um die Wette läuft. Wer zuerst ans Meer kommt, hat gewonnen.‹

      Als der Fuluelf diesen Gruß bekam, antwortete er:

      ›Ich habe nichts mit dem Storaa auszustehen, und ich wäre meinen Weg am liebsten in Ruhe und Frieden gewandert. Aber ich kann auf soviel Hilfe von dem Fuluberg rechnen, daß es feige von mir sein würde, wenn ich die Herausforderung nicht annehmen wollte.‹

      Und so begannen die beiden Ströme ihren Wettlauf. Sie brausten mit noch größerer Eile als bisher dahin, und hatten weder Sommer noch Winter Ruhe.

      Aber es schien, als sollte der Storaa bereuen, daß er so verwegen gewesen und den Fuluelf herausgefordert hatte, denn ihm trat ein Hindernis