Nadja Christin

Natascha


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starrte auf seinen Hals, sah sein Blut durch die Adern pulsieren, hörte das Rauschen, es klang wie leise Musik in meinen Ohren.

      Ich war ganz kurz davor, meinem Blutdurst nachzugeben … und auf die Konsequenzen zu pfeifen.

      Die Sekunden dehnten sich aus, ich hatte keinerlei Zeitgefühl mehr, alles drehte sich nur noch um die eine Sache, ich wollte ihn töten.

      Sein plötzliches, erschrecktes Keuchen weckte mich auf. Ich zwinkerte einmal und war wieder in der Wirklichkeit angelangt.

      Angewidert stieß ich ihn am Kragen zurück und rutschte zurück auf meinen Sitz.

      Meine Zähne wurden kleiner, ich konnte es ganz deutlich fühlen, ich drehte meinen Kopf hin und her um wieder klar zu werden.

      Fast, dachte ich grimmig, fast …

      Mit einem Seitenblick auf Justin sagte ich leise:

      »Diesmal hat dich dein Keuchen gerettet, ich hoffe, du hast fürs nächste Mal auch schon eine passende Unterbrechung parat.«

      Er zog sein Hemd glatt, das zweite Mal heute bereits.

      Er antwortete mir nicht, ich hatte allerdings auch nichts erwartet.

      Ich startete den Wagen und fuhr langsam wieder auf die dunkle Straße, unserem eigentlichen Ziel entgegen.

      Ich war immer noch wütend, auf mich und auf Justin. Ein Blick auf die Uhr in meinem Wagen verriet mir, dass es noch vier Stunden bis zur Vernichtung von Alexej waren. Wie angenehm wäre es gewesen, die Zeit im Desmodus zu verbringen. Aber Justin musste ja das Unheil anziehen, wie der Honig die Bienen.

      Wie es diesem widerwärtigen Halbblut jetzt in dem Raum voller Vampire wohl erging, fragte ich mich. Fielen sie über ihn her und töteten ihn, oder zügelten sie ihr Verlangen und verschlossen die gierigen Raubtieraugen vor dem sachte dahin tröpfelnden Blut?

      Ich werde es bestimmt in Kürze erfahren, dachte ich grimmig. Frank wird es mir unter die Nase reiben.

      Dieser Vorfall wird nicht spurlos an mir vorüber gehen.

      Erneut spürte ich die Wut hoch kriechen, ich wollte sie nicht zulassen, aber sie war da und ließ sich nicht mehr verscheuchen.

      So konnte ich mich nicht genug auf meinen Auftrag konzentrieren. Außerdem hatte der Geruch von Justin und die bloße Ahnung davon, wie sein Blut unter der warmen Haut dahin floss, in mir ein irres Verlangen ausgelöst. Das musste erst gestillt werden, bevor ich mich auf so eine unbefriedigende und banale Sache, wie die Jagd nach einem Verbrecher einließ.

      Ich überlegte, wie ich Justin loswerde, er sollte nicht dabei sein. Rasch warf ich ihm einen Blick zu, er sah müde aus, vielleicht könnte er im Wagen etwas schlafen, während ich … mich abreagierte.

      Wie aus dem Nichts traf es mich, schon wieder so ein süßer, köstlicher Geruch, ein Duft der sofort das Feuer in mir entfachte. Es war, als ob das nette Blondinchen von gestern auferstanden wäre, um mich erneut mit ihrem Duft zu verführen, zu umgarnen.

      Woher zum Teufel, kommt bloß dieser Geruch? Fragte ich mich und nahm die Augen zur Hilfe.

      Drei Wagen vor uns fuhr ein kleines Cabriolet, in ihm saßen drei Mädchen, junge Frauen, von vielleicht 20 Jahren. Sie hielten die Arme in die Höhe und ihr Lachen klang bis zu uns herüber. Eindeutig war eine von ihnen die Quelle dieses Wohlgeruchs.

      Wie stelle ich es nur geschickt an, überlegte ich, dass Justin nichts an Frank weitererzählt.

      Ich könnte ihn ohnmächtig schlagen, oder ihn töten, dann wäre er auch aus dem Weg. Vor lauter Verlangen konnte ich mich nicht mehr konzentrieren. Ich fuhr mir mit beiden Händen durch das Gesicht und anschließend durchs Haar.

      Alles Blödsinn, überlegte ich weiter, es musste noch einen anderen Weg geben, einen harmlosen, einen der mir auch später noch erlaubt, Frank wieder unter die Augen zu treten.

      Da sah ich plötzlich Joshs Buchladen. Das ist die Idee, dachte ich bei mir, er kann mir helfen und so gleichzeitig beweisen, ob er es wirklich ernst meinte.

      Vor dem Laden war ein Parkplatz, ich lenkte den Mustang hinein und stellte den Motor ab. Die Mädchen in ihrem Wagen fuhren lachend weiter, das ist nicht schlimm, den Geruch werde ich überall wiederfinden.

      Justin schreckte hoch, erstaunt sah er mich an.

      »Wo sind wir, ist es schon soweit?«, fragte er murmelnd.

      »Nein, es ist noch massenhaft Zeit. Aber du bist müde und ich kann dich nur dabei haben, wenn du ausgeruht bist. Darum wirst du hier im Wagen eine Runde schlafen und ich gehe kurz zu Josh rein«, damit zeigte ich auf den Hexenladen, »und halte mit ihm ein kleines Schwätzchen.«

      Lächelnd blickte ich Justin an, seine Augen waren schon ganz glasig, vor Müdigkeit.

      »Du bleibst im Wagen«, fuhr ich fort, »komm besser nicht rein. Josh ist ein Vampir und bei ihm weiß man nie, wie … hungrig er gerade ist.«

      Und du riechst einfach zu gut, fügte ich in Gedanken hinzu.

      »In Ordnung«, er lehnte seinen Kopf an die Kopfstützen und schloss seine Augen, »bis später.«

      Ein letztes Mal blickte ich sehnsüchtig auf seinen weißen, reinen Hals.

      Ich stieg aus und atmete den nur noch leicht vorhandenen Geruch des Mädchens ein, dann betrat ich den Hexenladen.

      Das Glöckchen über der Tür verriet mein Eintreten. Josh stand in seiner gewohnten Haltung hinter dem Verkaufstresen, der Laden war leer.

      Josh grinste mich frech an. »So schnell hatte ich nicht mit dir gerechnet.«

      Ich blieb ernst. »Ich bin aus einem anderen Grund hier, Josh.« Er hob seine Augenbrauen fragend in die Höhe, bis sie fast in den blonden Haaren verschwand. Dann warf er einen flüchtigen Blick an mir vorbei, durch sein Fenster, auf die Straße hinaus.

      »Wie ich sehe, hast du einen … Begleiter.« Er runzelte kurz die Stirn. »Wie kann man nur in deiner Gegenwart schlafen. Wie kann man es nur wagen, man verpasst so viele kostbare Augenblicke mit dir.« Er schüttelte leicht den Kopf.

      »Oder ist er etwa dein Nachtmahl?« Joshs Augen strahlten mich wissend an.

      »Nein, er ist Franks Halbblut. Ich soll nur auf ihn aufpassen«, erklärte ich ihm leise.

      »Im Moment bin ich froh, dass er schläft. Ich hab‘ nämlich noch was vor«, dabei sah ich Josh bedeutungsvoll in die Augen.

      Er ist ein Vampir vom richtigen Schlag, er verstand sofort, was ich meine.

      »Oh«, seine Augen wurden ein bisschen größer und er richtete sich auf, »du willst gegen die Regeln verstoßen.«

      Das breite Grinsen auf seinem Gesicht passte eigentlich gar nicht zu seiner Feststellung.

      »Nun ja, ich bin immer noch ein Mitglied des Clan«, ich straffte meinen Körper, »es liegt noch ein Auftrag vor mir, Josh. Ich habe es versprochen … denk daran.«

      Lachend winkte er ab. »Ja, ja, Süße. Was kann ich denn für dich tun?«

      Ich antwortete nicht sofort, ich dachte darüber nach, wie es wirklich werden könnte, wenn ich in Joshs Lager wechselte.

      Er beugte sich weit über die Theke und flüsterte heiser.

      »Sag es mir nur, soll ich diesen Blutsack da draußen von der Bildfläche verschwinden lassen, damit du freie Bahn hast?« Josh sah mich fragend an.

      »Nein«, ich kreischte fast, »nein, bloß nicht. Mit dem werde ich schon selber fertig. Ich brauche nur deinen Hinterausgang, mehr nicht. Nur … deinen Hinterausgang, damit ich ungesehen verschwinden kann.«

      »Okay und wann kommst du wieder, damit dieser Blutsack vor meinem Geschäft verschwindet. Er vergrault mir die Kundschaft.« Josh sah ein wenig enttäuscht aus.

      »Zwei bis drei Stunden, mehr brauche ich nicht.«

      Hoffe