Nadja Christin

Natascha


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her.

      »Kein Problem, meine Süße.« Er ging um seine Theke herum und kam gelassen auf mich zu.

      Dabei fiel mir ein, das Josh der einzige ist, der mich Natascha und meine Süße nennt. Das machte sonst keiner, jedenfalls würde es derjenige nicht zweimal hintereinander schaffen.

      »Ich habe Zeit«, sagte er leise und seufzte, »sehr viel Zeit.«

      Er umarmte mich kurz und drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

      »Du musst jetzt gehen, Natascha. Komm schnell wieder, bitte.« Seine Stimme war wie Honig, zähflüssig, klebrig und sehr süß.

      »Ja. Passt du für mich so lange auf Justin auf? Und …«, ich hob spielerisch den Zeigefinger und setzte eine ernste Miene auf, »…keine Dummheiten, lass den armen Jungen leben, wenigstens so lange, bis ich ihn mir kralle.«

      Ich grinste ihn frech an.

      »Riecht er gut?« Josh zog eine Augenbraue hoch in seine blonden Haare.

      Ich verdrehte die Augen. »Du glaubst gar nicht, wie gut. Lange kann ich nicht mit ihm zusammen sein, ohne auf seinen Hals zu starren.« Ich hielt meine Hände neben mein Gesicht und ließ sie wie Raubtierkrallen aussehen.

      »Grr. Das macht mich ganz irre.«

      Josh lachte kurz auf.

      Frustriert ließ ich die Hände sinken, zuckte mit den Schultern und sah ihn an.

      »Ich muss jetzt gehen. Vielen Dank für alles. Ich bin bald wieder da.«

      »Auf bald, Natascha«, er gab mir den Weg frei.

      Schnell lief ich durch den Hinterausgang und befand mich in einem quadratischen Hinterhof. Hier sind die Höfe alle miteinander verbunden. Es wird mir ein leichtes sein, wieder auf die Straße, weit vor meinem Mustang mit dem schlafenden Justin, zu gelangen. Um den Geruch wieder zu finden, diesen herrlichen, köstlichen, betörenden Duft.

      Um ihn in mich aufzusaugen.

      Um wieder einmal gegen die Regeln zu verstoßen.

      Ich lief durch die Hinterhöfe in Richtung Straße. Zwischen zwei kleineren Geschäften kam ich weit vor dem Mustang wieder raus. Die Stadt war noch sehr belebt. Einige Fußgänger waren unterwegs, die mich misstrauisch beäugten, als ich zwischen den Geschäften heraus schoss.

      Ich beachtete sie gar nicht, ging in Richtung Norden, wohin der süße Duft entschwand.

      Immer wieder zog ich vorsichtig eine Nase voll Luft ein. Die Mädchen waren nicht sehr weit gefahren, denn der Duft hing noch dick und schwer in der Luft. Plötzlich sah ich das kleine Cabrio, es stand auf einem Parkplatz, vor der größten Diskothek hier in der Stadt, ein richtiger In-Laden.

      Sie waren bestimmt noch nicht hineingegangen, überlegte ich, da der Geruch viel zu intensiv war.

      Plötzlich hörte ich ihr Lachen wieder, es schallte quer über den Parkplatz bis zu mir. Ein herrliches, perlendes und köstliches Lachen.

      Ohne den wundervollen Geruch, der dieses Lachen unterstrich, hätte es wahrscheinlich dumm, hysterisch und quakend für mich geklungen, wie sich das Lachen der Menschen eben anhört, aber zusammen mit dem Duft … Eine Komposition, die meine Nervenenden vibrieren ließ.

      Plötzlich sah ich die Mädchen, sie hatten sich neben die Disco verzogen und standen dicht beisammen. Ich überlegte, welche von ihnen so betörend duftete und wie ich sie voneinander trennen konnte.

      In diesem Moment war das Schicksal scheinbar gegen mich.

      Es donnerte, ein Gewitter zog auf. Hoffentlich fängt es nicht an zu regnen, dachte ich, sonst ertrinkt Justin in meinem Mustang.

      Die Mädchen blickten ängstlich zum Himmel und kicherten unsicher. Sie machten sich auf den Weg. Grimmig verfolgte ich sie mit meinem Blick, wie sie zum Eingang gingen und in der Disco verschwanden.

      »Verdammt«, zischte ich, »hier draußen wäre es ein Leichtes gewesen. Da drinnen, zwischen all den anderen Blutsäcken, kann ich mich nicht so bewegen, wie ich gerne möchte. Das wird ein Problem.«

      Ich muss also auch da rein, oder ich blase die ganze Aktion ab. Ich überlegte gründlich und wägte die verschiedenen Möglichkeiten ab. Der Geruch zog mich magisch an und hatte natürlich die höchste Priorität.

      Aber in dem Laden könnten auch noch andere Vampire sein, die Ausschau nach blutigem Nachschub halten. Ihr feiner, dünner Geruch könnte mir entgehen. Das war alles sehr riskant. Ich konnte mich tatsächlich nicht entscheiden. Über mir grollte abermals der Donner und ein heller Blitz durchzuckte die Nacht. Ich schloss meine Augen und ballte die Hände zu Fäusten. Es hatte alles keinen Sinn. Die Mädchen waren da drin, ich konnte nicht, ohne ein völlig idiotisches Risiko einzugehen, da rein. Bei dem Donnerwetter könnte Justin aufwachen und mich, trotz meiner Warnung, in Joshs Laden suchen. Somit hatte ich wieder zwei neue Probleme. Justin könnte mich an Frank verpfeifen, oder noch schlimmer, Josh würde über Justin herfallen. Ich verdrehte die Augen, immer wieder etwas Neues, nie lief mal was glatt.

      Ein Donnerknall, scheinbar frisch aus der Hölle entsprungen, ließ mich zusammenfahren. Der nahm mir die Entscheidung ab. Ich musste zurück, das hier hatte keinen Sinn. Wenn Frank davon Wind bekommt, bin ich geliefert. Ich will ihn und den Clan zwar sowieso verlassen, aber es war mehr in meinem Sinne, wenn das auf eine, für alle Seiten, angenehme Weise geschehen würde.

      Fast schon körperliche Schmerzen bereitete es mir, mich umzudrehen, und diese süße Köstlichkeit ziehen zu lassen. Ich werde später versuchen, ihren Geruch wieder zu finden, sie wird mir gehören, es ist nur eine Frage der Zeit.

      Ich lief, zu den Hinterhöfen zurück, durch Joshs Hintertür betrat ich seinen Hexenladen.

      Es roch jetzt anders hier, frischer, süßer und eindeutig viel besser. Zwei Menschen, ein Mann und eine Frau, hatten seinen Laden betreten und schauten sich interessiert und auch ein bisschen verwundert um. Josh stand in einiger Entfernung und beobachtete sie. Als ich um den Tresen herumging, wendete er den Kopf und nickte mir kurz zu. Ich blickte durch das große Fenster und sah Justin in meinem Mustang noch schlafen. Über uns grummelte immer noch das Gewitter. Der hat aber einen tiefen Schlaf, dachte ich, und war erleichtert. Da zog mich Josh ganz plötzlich am Arm hinter seinen Tresen.

      »Und?«, fragte er mich flüsternd.

      Ich schüttelte den Kopf. »Zu riskant, hab sie ziehen lassen.« Ich blickte ihn an und war leicht irritiert. Er hat normalerweise blaue Augen, ein schönes dunkles Blau. Aber jetzt waren sie fast gelb, ähnlich einem Raubtier. Was hatte ihn bloß so erregt, fragte ich mich und bemerkte gleichzeitig, dass auch sein Atem schneller ging.

      »Was sagst du zu den zwei Süßen?«, dabei zeigte er mit dem Daumen hinter sich, in Richtung der Menschen in seinem Laden. Er grinste mich an und ich sah, dass seine Zähne schon im Blutrausch waren.

      »Ich teile auch mit dir, willst du das Weib?«

      Ich blickte zu den Beiden und zog ihren Duft in die Nase ein. Süß, blumig, recht köstlich. Nicht so toll wie eines der Mädchen von eben, aber besser als völlig leer auszugehen.

      Ich lächelte Josh frech an und spürte gleichzeitig, wie meine Zähne ein Eigenleben führten.

      »Klar, ich bin dabei.«

      Seine Augen strahlten.

      Blitzschnell war er an seiner Eingangstür und verschloss sie. Die Beiden hatten davon nichts mitbekommen. Sie unterhielten sich leise miteinander. Die Fenster musste Josh nicht tarnen, da es getönte Scheiben waren, man konnte von außen nicht sehen, was sich im Inneren abspielte.

      Josh lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür. Seine ganze Haltung verriet die Anspannung, seine Gier war ihm an den Augen abzulesen. Ein leises Knurren erklang aus seinem Inneren.

      Auch mir erging es nicht anders. Wie schnell sich das Blatt doch wendete. Eben jagte ich noch einem köstlichen Mädchenduft hinterher, in der nächsten Sekunde musste ich sie wieder ziehen lassen. Nun bescherte mir