Nadja Christin

Natascha


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nur dort, um meinen nächsten Auftrag von Frank entgegen zu nehmen. Natürlich verdonnerte er mich sogleich dazu, Justin unter meine Fittiche zu nehmen, um ihn in unsere Welt einzuführen.

      Mich… ausgerechnet!

      Wie wäre nur alles gekommen, wenn Frank, statt meiner, Jeanie oder Thomas damit beauftragt hätte?

      Aber es war nicht nur Franks ausdrücklicher Wunsch, sondern es gehörte auch noch zu seinem hinterhältigen, blutigen Plan.

      Womit beginnt nun meine Geschichte?

      Mit meinem ersten Atemzug von Justins Geruch?

      Mit meiner Jagd auf die hübsche Blondine, die erst ein paar Stunden zurück lag?

      Mit meinem Treffen mit Frank? In dessen Verlauf er mich, wie üblich, maßregelte?

      Nein, ich habe noch so viel Zeit, dass ich abschweifen kann. In ein Jahrhundert, in dem es weder mich als Mensch, noch als Geschöpf der Nacht gab.

      In eine überaus dunkle Zeit.

      Hexenverbrennungen völlig normal, Ketzerei, Zauberei, Drachen, Helden, Tod und Teufel, alles war möglich, alles war denkbar.

      Die Menschen glaubten an diese Dinge. Sie waren noch nicht so aufgeklärt und abgebrüht wie heute.

      Schließlich war es das 18. Jahrhundert.

      Sie glaubten … Vielleicht auch, weil einige von ihnen

      … wussten.

      Damals berief der hohe Rat der Vampire eine Versammlung ein, um mit Ihresgleichen das weitere Zusammenleben zwischen Vampiren und Menschen zu erörtern.

      Es war einfach klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Die Vampire schlachteten wahllos Menschen ab, es würde früher oder später auffallen.

      Während verschiedener Kriege, Revolutionen oder sonstigen, von den Menschen angezettelten Massenvernichtungen, hatten die Blutsauger leichtes Spiel. Die Toten fielen nicht sonderlich auf. Aber in Friedenszeiten, wurde es immer schwieriger für die Vampire an frisches Blut zu kommen, ohne die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zu ziehen.

      Es wurde beschlossen, dass mehrere sogenannte Clans der Vampire in verschiedene Gegenden entsendet wurden, um für Ordnung zu sorgen. Sie sollten die Städte und umliegende Dörfer besetzen. Nur der Ausschuss sollte dran glauben, nur die Verbrecher und Taugenichtse. Im 18. Jahrhundert gab es davon noch mehr als genug, vielmehr, als heutzutage.

      Keine Unschuldigen sollten mehr von den Vampiren angefallen werden. So wurde der Vertrag beschlossen. Der Packt besiegelt, wahrscheinlich mit Blut.

      Aber man kann sich vorstellen, dass ein Haufen blutgieriger Vampire nicht so schnell ihr einfaches und überaus leichtes Leben änderten. Wenn auch alle dem Vertrag zustimmten.

      Der hohe Rat sah ein, dass es einer Kontrolle bedarf.

      Selbst wollten sie nicht in Erscheinung treten, um für die Durchsetzung ihres Vertrages zu sorgen.

      Aber wer kann einem Haufen blutrünstiger, mordlüsterner und vor allem sturer Vampire als Aufpasser gegenübergestellt werden?

      Man beschloss den Clans noch schlimmere Vampire vor die Nase, oder besser, vor die Reißzähne zu setzen.

      So entstand die Superioritas, die Obrigkeit.

      Bestehend aus einigen alten Vampiren, die schon so ziemlich alles gesehen, gerochen und geschmeckt haben. Vampire, wie sie schlimmer und eindrucksvoller nicht sein könnten.

      Die Obrigkeit griff hart durch, sie verschonte keinen Vampir der gegen den neuen Kodex verstieß. Es war eine schlimme Zeit, in der viele Vampire, auch schon sehr alte, in Flammen aufgingen.

      Aber irgendwann werden selbst Vampire vernünftig und sie hielten sich einigermaßen an die Regeln. Heute gibt es nicht mehr so viele Blutsauger auf der Welt, wie noch im 18. Jahrhundert.

      Einige ziehen wie Nomaden durch das Land, um trotz der Bedrohung durch den hohen Rat und die Obrigkeit, eine Spur des Todes und des Blutes hinter sich her zu ziehen.

      Andere sind in entlegene Städte und Dörfer abgewandert, um ausschließlich von Tieren zu leben.

      Dann gibt es diejenigen, die sich zwar niedergelassen haben, aber mit dem Clan nichts gemein haben. Sie leben allein und sind meistens selbst große Verbrecher. Auf sie hat die Obrigkeit ein waches Auge.

      Und es gibt immer noch den Clan der Vampire, mit unterschiedlicher Anzahl von Mitgliedern, die sich aber voll und ganz dem Kodex verschrieben haben. Sie jagen Menschen, böse Menschen. Mörder, Vergewaltiger, Kinderschänder, den Abschaum der Blutsäcke.

      Die Oberen des Clan setzen sich aus ganz unterschiedlichen Vampiren zusammen. Jeder hat andere Möglichkeiten, an Informationen über Verbrecher zu kommen.

      Da wir uns ungehindert unter Menschen bewegen können, gehen einige von uns normalen Berufen nach. So arbeiten sie unentdeckt bei der Polizei, als Staatsanwälte, Anwälte, Richter, in Gefängnissen oder bei anderen staatlichen Behörden. Sie sitzen an der Quelle und kommen so aus erster Hand an wichtige Informationen heran.

      Der Delinquent wird jetzt nur noch zu einer bestimmten Zeit, an einen bestimmten Ort gelockt, wo auch schon ein hungriger Vampir auf ihn wartet, um ihn von der Bildfläche verschwinden zu lassen.

      Es ist eigentlich wie in einer großen Firma, alle arbeiten Hand in Hand. Ein reibungsloser Ablauf ist nur gewährleistet, wenn jeder Mitarbeiter korrekt seine Arbeit verrichtet.

      Jeder Vampir, egal welchem Clan er auch angehören mag, der gegen die Regeln verstößt, der Unschuldige tötet, bringt sich selbst und natürlich auch die anderen in Gefahr. Ganz zu schweigen von der Verwandlung in celeritas, im Schnellverfahren. Sofern es im einundzwanzigsten Jahrhundert überhaupt noch eine Umwandlung eines Menschen in einen Vampir gibt, so erfolgt sie in kleinen Schritten. Der Vampir-Anwärter wird immer mal wieder gebissen, so geht seine Verwandlung langsam und für seine Umwelt fast unbemerkt, vor sich. In dieser Zeit wird der Mensch-Vampir Halbblut genannt.

      Die Verwandlung in celeritas ist verboten und zieht eine empfindliche Strafe nach sich. Das Ganze hat einen guten Grund. Im Schnellverfahren, wobei der Vampir das gesamte Blut des Opfers aussaugt, um ihm hinterher einen Teil seines eigenen Blutes wieder zurück zu geben, ist nicht sicher. Dem Menschen wird, mit seinem Lebenssaft, auch die Persönlichkeit, sein Charakter genommen, mit dem des Vampirs gemischt, um es ihm wieder zuzuführen. Nur selten kommt etwas Gutes dabei heraus.

      In den letzten Jahren hat es aber kaum ein Vampir des Clans gewagt, gegen den Kodex zu verstoßen und die Obrigkeit, oder gar den hohen Rat, der über alle ein waches Auge hat ohne selbst groß in Erscheinung zu treten, herauszufordern.

      Aber, wie so oft, irgendeinen völlig Verrückten gibt es immer.

      So auch in meinem Fall.

      Das wäre dann wohl … Ich.

      Mir ist es nicht möglich, mich nur darauf zu konzentrieren, Verbrecher zu schnappen. Ich muss ständig aus der Rolle fallen, ich muss einfach jagen.

      Es liegt mir sozusagen … im Blut.

      Plötzlich sehe ich alles ganz deutlich vor mir, es fing genau an dieser Stelle an, auf den Zinnen der Stadtmauer. Ich schließe die Augen und erinnere mich.

      Aber eigentlich ist es viel mehr.

      Es ist, als durchlebe ich die letzten Jahre ein weiteres Mal.

      Ich bin schon mittendrin … wieder einmal.

      Erinnerungen

      Es war ruhig, fast schon still, nur der Wind pfiff. Er wehte über meine kalte, weiße Haut, aber ich spürte ihn kaum. Er zerrte meine langen, schwarzen Haare nach hinten, presste mein T-Shirt an den Körper und ließ meine Sachen flattern. Der Wind versuchte mich von den Zinnen zu stoßen, mich in