Nadja Christin

Natascha


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den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen. Nur mein Geruchssinn arbeitete. Er arbeitete gründlich, immer wieder saugte ich die kühle Nachtluft durch meine Nase ein, versuchte die verschiedenen Gerüche auseinander zu halten, sie in ihre Bestandteile zu zerlegen. Ich suchte einen bestimmten Geruch: Den Geruch, ihren Geruch.

      Ihr Duft, so köstlich und verführerisch, so unwiderstehlich, dass es vor Verlangen tief in mir pochte und brannte.

      Meine Kehle war eine Wüstenlandschaft, meine Zunge, mein Mund trocken, der restliche Körper glich einem Flammenmeer.

      Verzweifelt versuchte ich ihren Geruch wiederzufinden. Warum nur hatte ich ihn verloren, weshalb ließ ich ihn ziehen, ich war doch schon so nah. Ich hätte nur nach ihr greifen, sie nur packen müssen. Dann würde ihr Duft bereits mir gehören, mir allein.

      Ich würde ihn in mich aufsaugen, verschlingen, ihn einatmen. Mein Feuer wäre gelöscht.

      Der Wind wurde plötzlich stärker, die verschiedenen Gerüche intensiver.

      Da, endlich, wieder ein kleiner Fetzen von ihrem Duft. Lieblich und teuflisch zugleich. Ich ließ ihn nicht mehr los, hielt ihn in meiner Nase fest, versuchte die genaue Richtung zu bestimmen.

      Westlich, fast am anderen Ende der Stadt. Ich roch sie wieder, ein eigenartiges Glücksgefühl schoss durch meinen Körper, ich wusste, wo sie sich befand.

      Mein Kopf ruckte hoch und ich riss die Augen auf.

      Lächelte, mein Feuer loderte kurz und heftig, es wollte gelöscht werden. Ich wollte, dass es gelöscht wird, mit ihrem herrlichen Duft und … Geschmack.

      Ich ging einen Schritt nach vorne und fiel in die Tiefe, flog auf den harten Boden zu.

      Der plötzliche Wind riss meine Haare hoch und zerrte an meinen Sachen. Das Rauschen und Pfeifen der Luft begleitete mich auf dem kurzen Weg nach unten.

      Sanft landete ich auf den Füßen, ich stand noch nicht richtig, da sprintete ich bereits los, ihrem Duft entgegen.

      Zu ihr und ihrem köstlichen, unwiderstehlichen Geruch, damit er mein Feuer löschte und mein Monster beruhigte.

      Ich huschte lautlos durch die noch feuchten Straßen. An einer Bushaltestelle sah ich sie endlich auch mit meinen Augen.

      Sie war wunderschön, blonde, glatte Haare, die zwischen den Schulterblättern endeten. Porzellangleiche Haut, ein schlanker Körper mit schier endlosen Beinen, die in Jeans steckten.

      Ihr Duft, der mich magisch anzog, ließ sie auf mich wirken, als sei sie das schönste Geschöpf auf Erden.

      Selbst für mich, als Mädchen, schien sie mir schöner, als jeder Engel zu sein.

      Ich rannte auf sie zu, mitten im Lauf griff ich sie mir.

      Sie hörte mich weder, noch sah sie mich. Mit einer Hand umfasste ich ihre Beine, mit der anderen ihre Schulter, gleichzeitig hielt ich ihr den Mund zu. Außer einen verschreckten Humpf konnte sie nichts mehr sagen.

      Nur ihre Augen, diese wunderschönen blauen Augen, wurden immer größer und größer.

      Mit meiner Beute im Arm stürmte ich durch den nächstgelegenen Hausdurchgang, dieser führte in einen schäbigen Hinterhof.

      Genau der richtige Platz für mich.

      Ich lächelte und spürte, wie sich mein süßes Opfer in meinen Armen windete.

      Ich blickte ihr direkt in die, vor Schreck, weit aufgerissenen Augen, hörte wie ihr Blut rauschte. Ihr köstlicher, warmer Lebenssaft, er schoss förmlich durch ihre Adern.

      Ein herrlicher Duft wehte zu mir hoch, betäubte meine Sinne, ließ mein inneres Monster jaulen und vor Gier laut schreien.

      Mit der Hand bog ich ihren Kopf langsam nach hinten, nur so viel, dass ihr Hals in all seiner Schönheit vor mir entblößt lag. Unter der zarten Haut sah ich das Blut in ihren Adern pulsieren, es rauschte schneller, als ich es je für möglich hielt. Das war der schönste Anblick, den es für mich gab.

      Langsam bewegte ich meinen Mund in Richtung ihres Halses.

      In meinen Armen fing sie an, hektischer zu strampeln. Aber mit eisernem Griff hielt ich sie fest. Meine Beute war mir sicher, sie kam nicht mehr weg.

      Weit öffnete ich meinen Mund und stellte mir schon vor, wie sie schmeckte, wie ihr heißes Blut durch meine Kehle lief und augenblicklich das Feuer in mir löschte.

      Ich schlug ihr meine spitzen Zähne in den Hals.

      Sie versteifte sich in meinem Arm.

      Sofort schoss ein Strom von warmem, köstlichem Lebenssaft aus dem Mädchen. Meine Lippen umschlossen die Bisswunde und ich saugte das warme Blut in mich hinein.

      Es spülte die Wüstenlandschaft in meiner Kehle fort und löschte das Feuer in meinem Innersten.

      Sie schmeckte einfach köstlich.

      Ich löste mich erst wieder von ihrem Hals, als sie fast leer war.

      Ein letztes Mal schluckte ich, dann fuhr ich mit meiner Zunge über die zwei Einstichstellen an ihrem Hals, die meine Eckzähne hinterlassen hatten.

      Sofort verschlossen sich die Wunden und ihre Haut sah so aus wie vorher. Rein, weiß und makellos.

      Ich ließ sie einfach fallen.

      Schwer plumpste sie auf den schmutzigen Boden.

      Sie war jetzt nur noch eine leere Hülle für mich.

      Ihr Duft, ihr ganz spezieller Geruch war verschwunden.

      Ein bisschen hing er noch in der Luft, umgab mich, umkreiste und umschmeichelte mich. Aber ich hatte genug von ihr aufgesogen, ihre Überreste interessierten mich nicht mehr.

      Ich lehnte meinen Kopf an die Wand und schloss die Augen. Ein lang gezogenes Stöhnen entglitt meiner Kehle.

      Ich spürte deutlich, wie meine Zähne schrumpften, wie sie zu ihrer normalen Größe zurückkehrten.

      Langsam öffnete ich die Augen, nun waren sie wieder braun, mit kleinen gelben Pünktchen, die wie Goldflitter aussahen.

      Ein paar Stunden später stand ich auf der Brücke, die sich elegant über den Fluss spannte. Sie verband die rechte mit der linken Hälfte unserer Stadt.

      Zyniker behaupteten, sie würde die arme mit der reichen Seite koppeln und ich war geneigt, ihnen zuzustimmen. Tatsächlich wurden auf der rechten Seite, also östlich, viel mehr schäbige Hochhäuser gebaut, als im westlichen Teil. In dem sich fast alle Geschäfte, Schulen und sonstige interessante Sehenswürdigkeiten, befanden.

      Ich stand schon häufig mitten auf der Brücke und starrte in das dunkle, rauschende Wasser unter mir.

      Es war heute Nacht nicht meine Aufgabe gewesen, der Blonden aufzulauern und sie zu töten. Mein eigentlicher Auftrag bestand in der Vernichtung eines Kinderschänders. Blondie kam mir nur dazwischen, sie war sozusagen, ein kleiner Unfall, ein klitzekleines Versehen.

      Der vereinbarte Zeitpunkt zur Tötung des Kindermörders war längst verstrichen, meine Chance vertan.

      Tief in mir drin regte sich etwas, das man vielleicht als schlechtes Gewissen bezeichnen konnte. Schuldgefühle darüber, dass in naher Zukunft erneut ein Kind den Tod finden würde. Indirekt wäre ich mit schuldig, da ich den Verbrecher laufen ließ.

      Mitten in meine Überlegungen hinein, schlug plötzlich eine Hand, schwer auf meine Schulter. Ich zuckte erschreckt zusammen, entspannte mich aber sofort wieder, da ich wusste, es konnte nur einen geben, der mich und meine Lieblingsplätze genau kannte.

      Es war Frank.

      »Es ist schon spät, Frank«, murmelte ich, »was führt dich hier her?«

      Ich lehnte meine Arme auf das eiserne Geländer der Brücke und starrte demonstrativ hinunter auf den dunklen Fluss und die um sich wirbelnden Strudel.

      Er lachte