Irene Dorfner

Der perfekte Sündenbock


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die man als angenehm bezeichnen konnte.“

      „Und was viel wichtiger ist, ist die Tatsache, dass nicht einer dem Kollegen Fuchs die Tat zutraut. Alle beschreiben ihn als distanziert und kühl, aber als ordentlich, freundlich und angenehm. Es scheint so, als würden ihn die Nachbarn mögen.“

      „Und das verstehst du nicht?“

      „Nein. Ich kenne Fuchs als mürrisch, rechthaberisch und übellaunig. Als freundlich und angenehm würde ich ihn nicht bezeichnen.“

      „Ich auch nicht. Allerdings erleben wir den Mann nur beruflich, die Nachbarn nur privat. Das ist ein Unterschied. Trotzdem kann das Verhältnis nicht allzu eng gewesen sein, sonst wäre bekannt, was Fuchs beruflich macht.“

      „Woher wissen wir, dass Fuchs der Schuldige ist? Welche Beweise liegen gegen ihn vor? Ich habe diesbezüglich nichts in den Unterlagen gelesen und nach den Gespräche mit den Nachbarn sind wir auch nicht schlauer.“

      „Dann fragen wir Olaf Zimmermann persönlich. Nur er kann uns sagen, was wirklich passiert ist.“

      „Du willst ins Krankenhaus und ihn dort befragen?“

      „Du etwa nicht?“

      „Auf jeden Fall. Du weißt, dass wir riesigen Ärger bekommen, wenn das rauskommt?“

      „Das Risiko gehe ich gerne ein.“

      „Aber vorher erkundigen wir uns bei Tatjana, was sie und Werner herausgefunden haben. Vielleicht ist etwas dabei, mit dem wir Olaf Zimmermann konfrontieren können.“

      „Übernimm du das. Wenn du erlaubst, machen wir einen kurzen Umweg zu Metzger Schönhuber und holen uns warme Leberkässemmeln, schließlich müssen wir wegen Fuchs nicht verhungern.“ Leo hatte einen gesunden Appetit entwickelt, seit er eine Frau an seiner Seite hatte. Außerdem mochte er seit neuestem lange Spaziergänge, auch wenn das Wetter noch so schlecht war. Und er liebte ausgedehntes Essen mit gutem Wein, was sich langsam auf der Waage bemerkbar machte. Aber das war ihm gleichgültig. Er fühlte sich gut und alles lief prima – und nur das allein zählte.

      Die Beamten wurden von der geschwätzigen Henriette Albrecht aufgehalten, als sie gerade in ihren Wagen einsteigen wollten. Sie erhofften sich Informationen, aber stattdessen wollte die alte Dame nur wissen, ob es Neuigkeiten gab und schob ihrerseits noch einige Geschichten über die Zimmermanns nach. Dabei wurden sie beobachtet.

      „Die Polizei war jetzt hier. Zwei Beamte: Schwartz und Hiebler. Sie haben nochmals alle Nachbarn befragt. Sie stehen noch am Wagen, die alte Albrecht quatscht sie voll.“

      „Was wissen sie?“

      „Überhaupt nichts, du kannst beruhigt sein. Die stochern völlig im Dunkeln.“

      „Gut. Ich kümmere mich um Olaf.“

      „Dass er heute Nacht überlebt hat, war ein grober Fehler. Das hätte dir nicht passieren dürfen.“

      „Das weiß ich auch. Ich kümmere mich um ihn, du kannst dich darauf verlassen.“

      „Du musst dich beeilen. Ich vermute, dass die Polizei auf dem Weg ins Krankenhaus ist. Wenn Olaf plaudert, ist alles vorbei.“

      „Mach dir keine Sorgen, ich bin bereits unterwegs. Und ruf mich bitte nicht mehr an, wir dürfen jetzt kein Risiko eingehen.“

      Leo verschwand in der Metzgerei. Hans gefiel es, wie Leo sich verändert hatte. Das letzte Jahr war hart für seinen Freund und Kollegen gewesen. Hilflos musste er mit ansehen, wie Leo unter der Trennung von Viktoria litt und immer mehr in Selbstmitleid zerfloss. Seit dem Ägypten-Urlaub hatte sich viel verändert, denn dort hatte Leo Sabine kennengelernt, die ihm sehr guttat. Die Journalistin strotzte nur so vor Lebensfreude und Energie, was sich auch auf Leo übertrug.

      Hans berichtete seiner Kollegin Tatjana Struck ausführlich, was die Befragungen ergaben.

      „Die Nachbarn mögen Fuchs?“

      „Ja, wir konnten es auch nicht glauben. Sie beschreiben Fuchs als distanziert, aber freundlich. Niemand traut ihm die Tat zu.“

      „Ihr ja auch nicht, ich bin da immer noch skeptisch. Ihr habt nicht viel herausbekommen, ich bin enttäuscht. Die Aussagen der Nachbarn die Zimmermanns betreffend kann ich mit unseren Recherchen bestätigen. Es gab jede Menge Anzeigen von Seiten der Zimmermanns gegen die Nachbarn, die in den letzten Jahren hauptsächlich Fuchs betrafen. Allerdings verliefen die alle im Sande. Die Gründe für die Anzeigen waren ja auch lächerlich. Dass die überhaupt alle aufgenommen wurden, grenzt an ein Wunder. Ich hätte mich mit diesem Schwachsinn nicht befasst. Es liegen auch einige Anzeigen von Fuchs gegen die Zimmermanns vor, die in den letzten Monaten erstattet wurden und alle noch offen sind. In vier Wochen steht eine Gerichtsverhandlung bevor.“

      „Worum geht es?“

      „Hausfriedensbruch. Offenbar haben sich die Zimmermanns auf Fuchs‘ Grundstück herumgetrieben. Ich habe die Akte angefordert.“

      „Gut. Habt ihr noch etwas?“

      „Nicht viel. Josef Zimmermann hat wegen Trunkenheit vor vier Jahren den Führschein abgeben müssen, aber den hat er längst wieder zurück. Vater und Sohn arbeiten nur sporadisch. Seit vier Jahren ist der Vater in Rente, die mehr als spärlich ausfällt. Der Sohn bekommt zurzeit Hartz IV. Auf beider Konten sieht es dürftig aus, aber sie kommen über die Runden.“

      „Was ist mit dem Haus?“

      „Das gehörte Josef Zimmermann und ist abbezahlt.“

      „Das kann ich mir nur schwer vorstellen. Wie soll das gehen?“

      „Eine Erbschaft vor zwei Jahren hat das Wunder möglich gemacht. Bis dahin sah es schlecht aus.“

      „Und die Erbschaft ist sauber?“

      „Ja, daran gibt es nichts zu rütteln. Eine reiche Tante verstarb, ohne ihren Nachlass geregelt zu haben. Die Zimmermanns waren die nächsten Verwandten, an sie ging das ganze Vermögen. Immerhin fast zweihunderttausend Euro, mit denen die Zimmermanns die Schulden des Hauses in Höhe von rund einhundertsechzigtausend beglichen.“

      „Dann muss doch noch ein hübscher Batzen übrig sein.“

      „Auf dem Konto sehe ich nichts. Vermutlich haben die beiden inzwischen alles verprasst, das kann schnell gehen.“

      „Was ist mit Frau Zimmermann? Nach Aussagen der Nachbarn ist sie vor Jahren verschwunden. Niemand weiß, wo sie abgeblieben ist.“

      „Da sind wir noch dran. Marion Zimmermann war bis April 2007 in Mühldorf gemeldet, danach verliert sich die Spur. Wie gesagt, wir arbeiten daran.“

      „Wir fahren jetzt ins Krankenhaus und versuchen, mit Olaf Zimmermann zu sprechen. Es sind einige Fragen aufgetaucht, die nur er uns beantworten kann.“

      „Ihr seid vorsichtig, hörst du?“

      „Klar. Nach dem Gespräch mit Zimmermann kommen wir ins Präsidium.“

      Leo und Hans aßen Leberkässemmeln, die sehr dick belegt waren.

      „Sehr lecker! Aber ich muss aufpassen. Wenn ich mich weiter dazu hinreißen lasse, so viel zu essen wie du, werde ich auch so massiv zunehmen. Und dick werden möchte ich nicht.“

      „Ich habe nicht massiv zugenommen, das sind lediglich ein paar Kilos, mehr nicht. Du übertreibst schamlos!“

      „Mach die Augen auf: Du wirst dicker und dicker. Seit du mit Sabine zusammen bist, hast du eine ordentliche Wohlstandsplauze bekommen.“

      „Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“ Leo wusste selbst, dass die Hosen immer enger wurden, aber das war ihm egal. Er fühlte sich wohl und nur das war wichtig. „Weißt du, dass mich diese Erbschaften langsam nerven? An allen Ecken und Enden wird geerbt. Ich habe noch nie etwas geerbt und das wird vermutlich auch so bleiben.“

      „Neidisch?“

      „Ein wenig schon.“

      Als