Roberta C. Keil

Sommer des Zorns


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      Unerträglich war der Schmerz, der durch mein Herz zog, jedes Mal wenn ich an ihn dachte. Frank.

      Ich lag seit Stunden im Gras und starrte in den Himmel. Die Wolken zogen durch das Blau der Unendlichkeit und ich versuchte, Figuren in ihnen zu erkennen. Wie wir es früher schon getan hatten. Ständig in Bewegung, wechselten die Bilder in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Während der Hund, der Männchen machte, im Nu zu einem feuerspeienden Drachen wurde, löste sich der behäbige, dunklere Elefant nur langsam in seine Bestandteile auf und entwickelte sich zu einer formlosen Wolkenmasse. Die Bilder linderten den Schmerz, der wie ein Stein in meinem Magen lag und in den Rest meines Seins strahlte.

      Ein Grashalm kitzelte mich am Ohr. Ich liebte diese Wiese, kurz bevor sie gemäht wurde. Nächste Woche würde Aiden den ersten Schnitt durchführen. Und jetzt nahm ich das leise Säuseln des Windes wahr. Ich drehte mich auf den Bauch und stützte den Kopf in meine Hände, die Gräser beobachtend, die sich im leichten Sommerwind geschmeidig wiegten. Jedes war anders und doch bildeten sie eine harmonische Oberfläche, die weich wirkte. Weich und rund, wie ein Meer aus Samt, in dem ich jetzt gerne versinken mochte.

      Am Horizont, dort wo der Himmel die Berge berührte, bauten sich dunkle Quellwolken auf, die Vorreiter eines heftigen Gewitters. Das hatte der Wetterdienst bereits am Morgen angekündigt und die fast nachtschwarze Wolkenwand hinter den in unterschiedlichen Grautönen leuchtenden Kumuluswolken, bestätigten mir den Wetterbericht. Es würde gleich ein Unwetter geben. Die jungen Felder mussten in den letzten Wochen bewässert werden, um nicht zu verdorren. Und unsere Zisternen warteten dringend darauf, aufgefüllt zu werden. Ebenso drohten die Sommerweiden der Rinder und Pferde auszudörren. Das Gras nahm langsam die bräunliche Farbe des Bodens an. Die Sehnsucht nach Regen war mit jeder Faser spürbar.

      Mein Blick verweilte an den aufgebauschten Wolkenformationen. Sie waren auch damals dort erschienen, als ich Frank das erste Mal hierherbrachte.

      Ich zeigte ihm die riesige Ranch und spürte wie ich in seinem Ansehen stieg. Mein Großvater und mein Vater hatten sie aufgebaut. Mit unermüdlich harter Arbeit hatten sie ein Paradies geschaffen, und ihrer Familie Wohlstand beschert. Und ich arbeitete mit solange ich denken konnte. Eines Tages würde mir Diamond Valley allein gehören. Und fortan nannte mich Frank „seine Prinzessin“.

      Damals, bei seinem ersten Besuch ritt ich mit ihm in einen entlegenen Teil unseres Besitzes, als diese Wolken am Horizont erschienen und ein heftiges Unwetter ankündigten. Er, der in Texas aufgewachsen war, kannte sich mit den Wolken hier nicht aus. Es überraschte ihn, schon nur eine halbe Stunde später vor dem starken Regen Schutz suchen zu müssen.

      Dafür hatten wir überall auf unserer Ranch diese kleinen Schutzhütten eingerichtet, die mit den notwendigsten Dingen ausgestattet waren. Sie machten es möglich, notfalls auch für Tage in einem Unwetter Schutz und Unterkunft zu bekommen. Von diesem Wetter beeindruckt, nahm Frank brav auf der alten Holzbank vor dem Fenster Platz und sah dabei zu, wie der Regen einen undurchdringlichen Schleier über das Land legte.

      Erst später, als es mir gelungen war, ihn davon zu überzeugen, dass mein Vater uns nicht überraschen würde, liebten wir uns in dem kleinen Hinterzimmer, das nur mit einem großen Doppelbett ausgestattet war.

      Nur zwei Jahre danach hielt Frank Hoover, der wie ich Agrar- und Wirtschaftswissenschaften studierte, um meine Hand an. Im folgenden Sommer heirateten wir und er zog in das große weiße Ranchhaus ein, das jetzt vor dem schwarzen Unwetterhimmel wie eine weiße Perle leuchtete.

      Ich erhob mich, die Erinnerungen abschüttelnd, wie die ersten Regentropfen, die ich im Nacken spürte. Die Regenschwaden am Horizont würden mich in wenigen Minuten erreichen. Ich beeilte mich, um das Haus trocken zu erreichen.

      „Wo warst du?“, fragte Jack in strengem Tonfall, als ich ihm im Wohnzimmer begegnete. „Ich habe nach dir gerufen und keine Antwort erhalten.“

      „Ich war draußen.“

      Er quittierte meine Antwort mit einem Brummen. Mein Vater, der große Jack Springfield, mochte es nicht, wenn er nichtssagende Antworten erhielt. Doch er hatte einsehen müssen, dass ich erwachsen war. Ich musste vor ihm keine Rechenschaft ablegen. Manchmal wusste ich selbst nicht, was ich tat.

      Wie heute. Den ganzen Nachmittag hatte ich darauf verwendet, auf der Wiese zu liegen, in den Himmel zu träumen und die Vergangenheit zu zelebrieren. Frank.

      In dem ersten Jahr nach seinem Tod war ich fast vor Trauer vergangen. Auf der Ranch arbeitete ich nicht mit und sie hätte nicht bestehen können, wäre Jack, den ich nur selten Vater oder Dad nannte, nicht in seinem Alter noch so rüstig gewesen. Er und Aiden schafften es gemeinsam, den Ranchbetrieb aufrecht zu erhalten. So hatte sie meine Unfähigkeit mitzuarbeiten verkraftet.

      Eines Tages suchte Jack mich in meinem Zimmer auf und sah mich lange an.

      „Ich denke, du hast nun genug geweint, Jacklyn! Es ist an der Zeit, dein Leben wieder in die Hand zu nehmen. Und wenn du das nicht schaffst, müssen wir darüber nachdenken, ob wir die Ranch nicht direkt an Aiden verkaufen, denn ich schaffe das nicht mehr allein. Es wäre wirklich angebracht, du würdest dich jetzt zusammenreißen. Ehrlich!“

      Diamond Valley an Aiden abzutreten, war ein Gedanke, der mich um Fassung ringen ließ. Das würde nicht passieren. Nicht, weil ich Aiden nicht gönnte, Besitzer einer Ranch zu werden, aber diese Ranch gehörte doch mir. Ich war Diamond Valley! Nicht Aiden. Jacks Argumentation brachte mich zur Besinnung und ich verbrachte den Rest der Nacht trauernd und fasste den Beschluss, nun der Trauer ein Ende zu setzen.

      Am nächsten Morgen fuhr ich nach Prescott und änderte auf dem Amt meinen Namen. Ich besann mich auf meine Wurzeln, kehrte zu ihnen zurück. Diamond Valley hatte schon immer den Springfields gehört und nicht einem Fremden aus Texas, dessen Namen ich bei unserer Eheschließung angenommen hatte.

      Als die Arbeiter sich zum zweiten Frühstück trafen, verkündete ich meine Rückkehr ins Ranchgeschehen als Jacklyn Springfield. Unsere Mitarbeiter fassten das wohlwollend auf. Aiden lächelte zu meiner Ankündigung. Ich wusste, seine Freude war ehrlich.

      Unsere Cowboys respektierten Jacks Entscheidung, Frank zu seiner rechten Hand zu erklären, aber er stammte nicht von hier. Jack hatte Franks Qualitäten schon erkannt, als er das erste Mal auf die Ranch kam. Und es freute ihn zu sehen, wie glücklich ich mit ihm war. Unsere Leute, einschließlich Aiden hatten mit dem gleichen Respekt und Arbeitseifer für Frank gearbeitet, wie zuvor für Jack allein. Dennoch blieb er ein Fremder, der in unsere Welt eindrang. Doch das wusste ich erst heute. Damals genoss er meine volle Bewunderung.

      Ich übernahm während meiner Ehe immer mehr die Rolle meines Vaters, der sich langsam aus dem Geschäftsleben zurückziehen wollte. Das gelang ihm in den letzten fünf Jahren fast vollständig. Bis zu dem Ereignis, welches ich immer noch als ein Unglück bezeichnete. Doch es gab Menschen, die unterstellten mir eine gewisse Mitschuld an Franks Unfall.

      Ich starrte aus dem Fenster, Richtung Osten, und war froh, dass Jack und sein Vater, der ebenfalls Jack hieß, unser Haus mit dieser überdachten Loggia ausgestattet hatten. Sie verschaffte uns Schutz vor dem Regen für unsere Fenster.

      In feinen Streifen peitschte der Regen übers Land. Und ich wusste, die Rinder suchten jetzt Schutz bei den Unterständen. Oder unter den Bäumen, die in kleinen Gruppen überall auf den Weiden standen. Gaben sie bei Hitze Schatten und Schutz vor der sengenden Sonne, schützten sie jetzt vor dem Regen und Sturm. Als Kind hatte ich mir Sorgen um die Tiere gemacht, wenn es ein Unwetter gab. Und einmal zog Großvater Jack mir Regenkleidung an, nahm mich bei der Hand und brachte mich nach draußen auf eine der Weiden in der Nähe des Hauses. Als ich dort sah, wie die Tiere dichtgedrängt unter einem Unterstand aus Holz Schutz gefunden hatten, ging es mir besser. Ich lernte zu der Zeit schon viel über die Tiere und die Bewirtschaftung unserer Ranch. Es war eher mein Großvater gewesen, der mich mitnahm und mir zeigte, was wichtig war. Er erklärte mir, was ich wissen musste, um später die Ranch leiten zu können. Diese Dinge speicherte ich alle in meinem Kopf. Als ich dann mein Studium in Chicago begann, war mir vieles schon aus der Praxis bekannt. Und die zugehörige Theorie zu lernen, fiel mir nicht schwer.

      Dort lernte ich Frank