Bridget Sabeth

Alsuna Jasmin - Sonnenblume


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Doktor mich anblickte, erstarb jedes Wort in meiner Kehle. Ich sackte auf den Boden zurück, las die Antwort an seinen Augen ab. Ich war zu spät gekommen!

      Ein heiseres Schluchzen vermischte sich mit einem Hustenanfall. Tränen schossen aus meinen Augen.

      Der Arzt trat an mich heran. »Sie gehören ins Krankenhaus, haben Sie Schmerzen?«

      Ich schüttelte abwehrend den Kopf, obwohl es keinen Millimeter an mir gab, der mich nicht quälte. Der Rücken brannte wie Feuer und der Druck in meiner Brust verstärkte sich zusehends.

      »Ihre Wunde gehört versorgt, und mit einer Rauchgasvergiftung ist erst recht nicht zu spaßen. Ich helfe Ihnen in den Wagen«, sprach ein Rettungssanitäter, der hinzugekommen war und mir auf die schwankenden Beine half.

      »Ich muss Mama noch einmal sehen«, flüsterte ich, schaffte es gerade so mit meiner Stimme, das Tosen des Wassers und das Knistern des Feuers zu überdecken.

      »Das ist keine gute Idee«, entgegnete der Sanitäter.

      »Jasmin, besser nicht.« Paul stellte sich mir in den Weg.

      Wieso? In meinem Beruf hatte ich schon viele Tote gesehen! Ich brauchte diesen letzten Blick, um es zu begreifen! Stur drückte ich mich an ihm vorbei, schwankte mit zittrigen Beinen auf meine Mutter zu. Ich zog den Stoff herunter! Mein entsetzter Schrei klang unnatürlich rau. Irritiert blickte ich auf eine klaffende Wunde, einen gespaltenen Schädel! An den Wangenseiten gab es getrocknetes Blut. Das … diese Verletzung musste ihr vor dem Feuer zugefügt worden sein!

      Will … will mich umbringen!, schoss es durch meine Gedanken, das hatte Mama am Telefon gesagt. Derjenige hatte es geschafft! Ermordet!

      Meine Finger krallten sich in den Stoff, den ich nach wie vor hielt. Ich keuchte. Da zog mich jemand zurück und drückte mir eine Maske ins Gesicht. »Das ist Sauerstoff. Tief durchatmen, ganz tief durchatmen!«

      Das Rauschen in meinen Ohren nahm zu. Ich spürte, wie mir schwindlig wurde, sich die grauen Punkte um mich herum dunkler färbten und mit dem hellen Schein des Feuers vermischten. Bald darauf war es schwarz.

      Mara bremste ihren VW abrupt ab. Sie war ganz nach vorne bis zur Absperrung gefahren, sprang heraus. »Paul! Paul?! Paul!«, schrie sie. »Wie furchtbar!« Wasserschläuche wurden auf das Haus gehalten, von dem Rauchsäulen aufstiegen. Qualm hing in der Luft. Obwohl die Außenmauern emporragten, erkannte sie, dass es kaum noch eine Rettung für das Gebäude gab. All das, was das Feuer verschont hatte, wurde nun mittels Wasser ertränkt.

      »Paul?«, klagte sie jämmerlich.

      Endlich löste sich jemand aus der Gruppe der Feuerwehrmänner. »He, Süße, warte bitte, du darfst hier nicht weiter«, stoppte er Mara ab, und drückte seiner Frau rasch einen Kuss auf den Mund. »Ich musste dir einfach Bescheid geben.«

      »Ja, sicher! Wenn du es nicht getan hättest, würde ich kein Wort mehr mit dir sprechen!«, entgegnete Mara impulsiver als beabsichtigt. Hektisch schaute sie sich um. »Sag, wo ist Suni? Geht es ihr gut? Und ihrer Mutter?«

      Paul wusste als Maras Ehemann, dass sie ihre Freundin stets mit ihrem Kosenamen Suni ansprach, außer, wenn sie sauer war, dann wechselte Mara ebenso auf Jasmin. »Deine Freundin ist auf den Weg ins Krankenhaus. Sie sind erst wenige Minuten fort. Hast du den Rettungswagen nicht gesehen?«

      Mara schüttelte den Kopf. »Suni hat heute Nachtdienst. Was machte sie dann hier?«

      »Ich denke, sie ist direkt von ihrer Arbeitsstelle losgefahren, zumindest trug sie noch die Schwesternuniform.«

      »Oh! – Und … und ist sie schlimm verletzt?«

      »Soweit ich mitbekommen habe, hat sie eine Wunde am Rücken und mit Sicherheit eine Rauchgasvergiftung. Ich habe den Sanitätern deine Telefonnummer mitgegeben. Du bist ja quasi ihre nächste Angehörige.«

      »Dann … dann …« Mara wagte nicht, es laut auszusprechen. Das konnte nur bedeuten …

      »Natascha ist tot«, hörte sie Paul sagen.

      »Oh Gott!« Mara presste sich schluchzend an Pauls Körper. Er roch nach ätzendem Rauch. Nicht so wie sonst nach dem feinen Tabakgeruch seiner Pfeife, den sie an ihm liebte. Sie blickte in sein kantiges Gesicht empor, bemerkte, dass er mit den Emotionen kämpfte.

      »Wie … wie?«

      »Ich weiß es nicht. Es ist alles ziemlich mysteriös.«

      »Mysteriös?«

      Da räusperte sich jemand hinter ihr. »Entschuldigen Sie, sind Sie Mara Gruber?«

      »Ja«, bestätigte sie, als sie sich umgewandt hatte und einen Polizisten erblickte.

      »Inspektor Berger. Ich würde gerne unter vier Augen mit Ihnen reden. Hubert Grabner, der Nachbar, hat mich grad auf Sie hingewiesen, Sie sollen eine sehr enge Freundin der Familie sein.«

      »Das stimmt.«

      »Ich muss eh hinüber zu meinen Jungs und helfen. Bis bald. Ruf mich am Handy an, wenn du etwas brauchst. Ich komm heim, so rasch es geht.« Paul gab ihr einen Kuss auf die Wange und drückte noch einmal zärtlich ihre Hand.

      Mara sah ihm nicht hinterher, sondern visierte den Beamten an. »Wie kann ich helfen?«

      Berger schöpfte nach Atem. »Offenbar wurde Natascha Winzer bedroht. Ihre Freundin hat sich telefonisch bei mir gemeldet, wir waren im Gespräch, als sie hierhergefahren ist.«

      »Ich verstehe gar nichts mehr. Paul, mein Mann hat mir erzählt, dass Suni noch ihre Schwesternuniform trug. Sie muss von ihrer Arbeit direkt losgefahren sein.«

      »Suni?«

      »Jasmin – Alsuna Jasmin, meine Freundin.«

      »Können Sie mir sagen, wo Ihre Freundin normalerweise arbeitet?«

      »Ganz in der Nähe. Im Seniorenheim in Knittelfeld.«

      »Gut, dem werde ich nachgehen. Gibt es sonst noch eine Verwandtschaft? Herr Grabner hat einen Willibald Winzer erwähnt.«

      »Ja Willi, Sunis Onkel. Er wohnt etwa einen halben Kilometer entfernt, in einer Mini-Wohnung. Nun … er ist arbeitslos, schon ewig, zumindest, seit Suni und ich befreundet sind. Das sind mittlerweile auch schon dreizehn Jahre. Natascha hat ihm häufig etwas Geld zugesteckt und zum Essen gegeben, oder mal neue Kleidung gekauft. Er ist … war … der Bruder.« Mara hielt inne. Sie plapperte immer gerne und zu viel, das gehörte zu ihren Angewohnheiten. Wenn sie aufgeregt war, verstärkte sich diese Eigenart.

      »Hat Ihre Freundin in letzter Zeit irgendetwas Ungewöhnliches erwähnt? Dass die Mutter in Gefahr wäre, oder Ähnliches?«

      Mara verneinte. In ihrem Kopf ratterte es. Paul hatte auch so herumgedruckst! »Sie denken also, dass das Feuer kein Unfall war?«

      Berger kratzte sich am Kinn. »Wir stehen erst am Anfang unserer Ermittlungen.«

      »Bitte, weichen Sie mir nicht aus.«

      »Ein Unfall, liebe Frau Gruber, ist ausgeschlossen.«

      Mara entließ ein keuchendes Geräusch. Brandstiftung? Das war noch schlimmer! Wer, bitteschön, wollte Sunis Mama etwas antun? Sie konnte es sich nicht erklären. Niemals hier in der Pampa!

      »Ein Kollege wird den Wagen ihrer Freundin an die Wohnadresse bringen.« Er zog einen Notizblock heraus. »Sandgasse 4a.«

      »Das ist richtig.«

      »Im Fußraum lag ein Handy, ich denke, dass es Ihrer Freundin gehört.« Er zog es aus seiner Tasche, war inzwischen von einem Plastikbeutel umschlossen.

      Mara erkannte es sogleich an der schwarz-goldenen Hülle. »Kann ich es mitnehmen? Ich möchte Suni so schnell wie möglich besuchen. Wissen Sie, wo sie hingebracht wurde?«

      »Das Handy, leider nein. Wir werden es sicherheitshalber überprüfen, aber ich denke, bis gegen Mittag sind wir damit fertig, und Sie können es bei mir am Revier abholen.«

      Mara