bleiben.“
Er sieht Ivonne besorgt an. Diese Traurigkeit in ihren großen braunen Augen, macht ihm zu schaffen und er denkt:
„Sie ist ganz blass geworden und ihr rollen die Tränen über die Wangen. Diese tolle, hübsche Frau reagiert ganz anders als die Chefin heute Morgen!“, und sagt besorgt:
„Kommen Sie, Ivonne, setzen Sie sich erst mal! Tut mir leid, Ihnen diese Nachricht überbringen zu müssen! Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“
„Ja, sagen Sie mir bitte, wo genau ich Friedhelm besuchen kann!“, flüstert Ivonne unter Tränen,
„Ich muss zu Friedhelm! Er braucht mich jetzt!“
Sie hält sich an ihrem Taschentuch fest, so scheint es und schaut Werner mit ihren verweinten Augen bittend an.
„Wow“, denkt dieser, „sie ist nicht nur hübsch! Selbst in ihrem Kummer um den Chef ist sie wunderschön!“, und schreibt ihr alles genau auf.
„Danke“, sagt Ivonne leise, drückt seine Hand, sagt dann noch:
„Und bitte, das muss unter uns bleiben, nicht wegen mir, sondern wegen Friedhelms Familie, die sind doch bestimmt auch sehr erschüttert und wenn sie nun erfahren würden, wer ich bin…!“
„Na, bei der Chefin hielten sich die Tränen heute morgen in Grenzen, hat gleich gefragt, was nun mit der Firma wird, dass ja nun kaum Geld rein käme!“, platzt es aus Werner heraus und,
„als ich gesagt habe, ich übernehme das vorerst, war sie sehr erleichtert!“
Ivonne sieht ihn erstaunt und fragend an. Werner sagt schnell:
„Klar bleibt das unter uns!“, und weiter,
„aber eins muss ich trotzdem loswerden, Ivonne, mein Chef hat einen
Supergeschmack, echt! Wie alt sind Sie, wenn ich fragen darf?“, gleichzeitig denkt er: „Oh man, was rede ich hier?“
Ein bisschen lächelt Ivonne nun, schaut ihn an und antwortet fast automatisch:
„55 warum? Und danke für´s Kompliment!“
„Oh, sorry, ich staune, dachte Sie sind 6,7 Jahre jünger als mein Chef mit seinen 53 Lenzen. Ich bin auch etwas verwirrt, ganz ehrlich darüber, was sich hinter Firma Schmidt verbirgt! Aber ich kann meinen Chef voll verstehen! Zu dieser Firma hätte ich auch keinen Anderen geschickt!“
Nun müssen beide doch ein wenig kichern und beschließen in Verbindung zu bleiben, tauschen noch ihre Handynummern und verabschieden sich.
Wie in Trance fährt Ivonne heim.
Seit drei Jahren, ca. ein Jahr nach der offiziellen Trennung von Ulf, lebt sie in einer kleinen Doppelhaushälfte. Sie hat es sehr genossen, ihre erste eigene Wohnung einzurichten.
In dieser Zeit hat Friedhelm immer wieder gestaunt, wenn sie wieder was Neues fertig hatte. Er konnte sie ja nun jederzeit besuchen.
Dann fällt ihr plötzlich ein, wie aufregend das alles am Anfang mit Friedhelm war und wie es zu der endgültigen Trennung von Ulf kam.
„Warum fällt mir das jetzt ein?“, fragt sie sich verwundert unter Tränen.
Aber sie lässt die Erinnerung zu, weil das natürlich auch in die Anfangszeit mit Friedhelm gehört.
Die Trennung von Ulf
Am Anfang kam die Entfernung von Ulf schleichend. Sie sprachen kaum noch miteinander und wenn Ulf auf Montage war, rief er kaum an.
„Das kostet zu viel Geld über Handy zu telefonieren!“, war seine lapidare Erklärung.
Viel später erst hat sie erfahren, dass er sich an den Montageorten schon mit anderen Frauen traf, während sie noch an der Ehe festhielt.
Auch wenn es schwierig war, Ivonne glaubte an das Versprechen, das man sich zur Hochzeit gibt: „In guten, wie in schlechten Zeiten!“.
Nach diesem Motto handelte sie während ihrer Ehe ganz lange. Egal ob es mal Schwierigkeiten gab, sei es Probleme mit den Kindern oder finanziell, weil Ulf mal wieder einen Autounfall verursacht hatte. Sie war immer froh, dass kein Mensch zu Schaden kam.
Immerhin hatten sie ja auch schöne Jahre, zwei wunderbare Kinder, ein Haus gebaut, gute Jobs.
Und so lange Ivonne mit ihrem Laden selbstständig erfolgreich war, schien auch noch alles gut.
Doch dann bekam ihr kleines Landkaufhaus direkte Konkurrenz.
Ivonne musste sich eine andere Tätigkeit suchen. All das interessierte Ulf nicht mehr. Und trotzdem hielt sie noch an der Ehe mit Ulf fest. Dachte an das Eheversprechen, das in ihrer Ehe mit Ulf offensichtlich nur von ihrer Seite eingehalten wurde.
Bis Ulf eines Tages, im Herbst vor viereinhalb Jahren, von einer Montage nach Hause kam und sie mit den Worten begrüßte:
„Du schnarchst, da ziehe ich mal besser aus dem Schlafzimmer aus!“
Sie war damals vollkommen perplex! Sprachlos beobachtete sie ihren
Noch-Ehemann bei seinem Auszug aus dem gemeinsamen Schlafzimmer, zwei Jahre nach ihrer Silberhochzeit.
„Da ahnte ich ja noch nicht, dass es richtig schlimm wird“, denkt Ivonne jetzt.
Sie hat auf einem kleinen Parkplatz angehalten.
Ihr schwirren so viele Gedanken gleichzeitig im Kopf herum. Es ist die wechselnde Erinnerung, an die Zeit, in der alles mit Friedhelm begann und wie es zu der endgültigen Trennung von Ulf kam. Gleichzeitig die Sorge um Friedhelm und die Fragen nach der Zukunft.
Wie geht es weiter mit ihr und Friedhelm, kann es überhaupt noch eine gemeinsame Zukunft geben?
Dabei kommen ihr immer wieder die Tränen. Sie schaut auf den Zettel, den Werner Meyer ihr gegeben hat.
„Ich muss zu ihm, zu Friedhelm!“, denkt sie und weiter, „ich muss jetzt für ihn da sein! In guten, wie in schlechten Zeiten!“
Und ihr fällt ein, wie sehr er sich um sie gesorgt hatte, als sie in ihrem kleinen Laden überfallen wurde. Ganz anders als Ulf.
Sie hatte diesen kleinen Laden ein paar Dörfer weiter auf gemacht, nach dem sie das Landkaufhaus schließen musste, um Zeit zu gewinnen und in Ruhe überlegen konnte, was sie nun in Zukunft beruflich machen könnte.
Im Verkauf Arbeit zu finden, entpuppte sich als schwierig. Mal war sie zu alt, mal überqualifiziert.
Aber dann hatte sie eine Idee, die sich bis heute als genialer Schachzug bewährt hat.
Sie beschloss noch mal zur Schule zu gehen, um dann Menschen zu unterrichten, die als Erwachsene im Einzelhandel eine Ausbildung oder Weiterbildung machten. Also auf die schulische Seite der Ausbildung zu wechseln. Sie hoffte damals, dass ihre Erfahrungen als Ausbilderin, ihr sicher im Beruf helfen würden. Was auch genauso gekommen ist.
Aber all das interessierte Ulf damals nicht mehr. Er glaubte auch nicht, dass sie wirklich versuchte eine Alternative zu finden. Und trotzdem, irgendwie dachte Ivonne zu dem Zeitpunkt noch, die Ehe muss erhalten bleiben.
Selbst als sie Friedhelm kennen lernte war für beide klar, dass sie ihre gemeinsame Zeit genießen, aber nie mehr daraus werden würde.
Der Überfall
Aber als der Überfall auf sie geschah, hatte Ulf es übertrieben.
Ein Junkie hatte sie damals am hellerlichten Tag, es war ein Donnerstag, mit einem Messer überfallen. Sie hatte richtig reagiert und alles getan, was er wollte. Ihm das Geld aus der Kasse gegeben und sich dann auf dem Bauch in ihrer kleinen Fotostudioecke gelegt. Als er den Laden