Karl-Heinz Biermann

Fördegeheimnisse


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ihre Wohnung eintreten.

      „Lebte Ihr Nachbar allein?“

      „So genau kann ich das nicht sagen, auf jeden Fall war er nicht verheiratet“, antwortete die Frau.

      „Das wissen Sie sicher?“ Die Stimme des Kommissars klang etwas bitter, aber dann nahm er sich vor, der Frau höflich zu begegnen, schließlich sollte sie ihm ja etwas sagen können. „Aber es kam schon jemand manchmal zu Besuch, oder nicht?“

      „Schon“, sagte die Nachbarin, „Damen.“

      „Damen?“ Der Kommissar zog seinen Mund breit.

      „Sie wissen ja, wie es bei diesen alleinstehenden Männern zugeht.“

      „So? Wie geht es denn da zu?“ Der Kommissar unterdrückte ein aufkommendes Grinsen.

      „Na ja, Sie wissen schon“, sagte sie.

      „Es waren also immer wieder andere Frauen. Können Sie mir sagen, wer sie waren? Vielleicht ein paar Namen?“

      Die Nachbarin schüttelte mit dem Kopf. „Da fällt mir gerade ein“, sagte sie dann doch, „eine war häufiger bei ihm.“

      „Wer diese Frau ist, wissen Sie aber bestimmt.“

      „Nein, nicht“, sagte sie. „Aber sie fiel mir auf, weil sie entschieden älter war als er.“

      „Entschieden älter? Was meinen Sie damit?“, hakte der Kommissar nach.

      „Dass sie eben gar nicht zu ihm passte. Die war mindestens zwanzig Jahre älter als er. Und teure Kleidung hatte sie an.“

      „So, so“, brummelte Kommissar Brandt. „Hatte er sonst noch Besuch, von Verwandten vielleicht?“

      „Ich weiß gar nicht, ob er Verwandte hat.“

      „Aber vielleicht wissen Sie, wo er gearbeitet hat.“

      Die Frau schüttelte wieder mit dem Kopf. „Nein, da kann ich Ihnen auch nichts zu sagen.“

      Als Kommissar Brandt sich draußen vor der Wohnungstür von der Nachbarin des Mordopfers verabschiedete, sah er noch einmal kurz zur Tür gegenüber. Für einen Augenblick dachte er daran, sie zu fragen, ob sie vielleicht Zugang zu dieser Wohnung hätte, die Möglichkeit dazu traute er ihr zu. Es schien ihm überhaupt nicht skrupellos, ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss die Wohnung zu betreten. Er nahm sich vor wiederzukommen.

      Spät am Nachmittag suchte er dieses Café auf, wollte dort schon Platz genommen haben, bevor die Bekannte des Mordopfers eintraf. Er wollte sie vorher in Augenschein nehmen, so etwas konnte Aufschlüsse bringen.

      Bald bemerkte er eine junge Frau, die mit einer

      Zeitung in der Hand das Café betrat. Nach einer Weile, in der er sie beobachtet hatte, kam er dahin, dass sie die Bekannte des Toten sein konnte, die sich am Telefon mit Franzi Harms vorgestellt hatte. Die junge Frau hatte ihm gesagt, dass sie eine aufgeschlagene Zeitung mit dem Foto des Ermordeten vor sich auf dem Tisch liegen haben würde. Ihr Vorschlag war ihm überaus konspirativ erschienen. Er trat an ihren Tisch.

      „In welcher Beziehung standen Sie zu ihm“, fragte er sie, nachdem sich seine Vermutung bestätigte, er sich vorgestellt und sich zu ihr gesetzt hatte.

      „Wir waren bis vor Kurzem noch befreundet“,.

      „Heißt das, bis zu seiner Ermordung?“ Der Kommissar fand es etwas zu schroff ausgedrückt. „Es tut mir leid.“

      „Schon in Ordnung“, sagte die junge Frau. „Es war sowieso nicht die große Liebe.“

      Ihre Offenheit überraschte ihn.

      „Vor ungefähr zwei Monaten haben wir uns aus den Augen verloren“, sagte sie.

      „Dann waren Sie also schon lange nicht mehr mit ihm zusammen.“ Sein Fauxpas war also egal gewesen, dachte der Kommissar etwas ärgerlich. „Sie können mir trotzdem etwas über ihn erzählen.“

      „Was wollen Sie wissen?“ Franzi Harms sah ihn auffordernd an.

      „Nun, Name, Alter, vor allem was er so gemacht hat, auch beruflich.“

      „Bernd“, sagte die junge Frau, „Bernd Mosbacher, mit einem o. Er war im Schiffbau bei einer Firma angestellt, ich glaube in Friedrichsort.“

      „Name der Firma? Adresse?“

      Franzi Harms beantwortete die Fragen, ohne lange nachzudenken.

      „Können Sie sich vorstellen, warum er umgebracht worden ist?“

      „Nein“, sagte sie.

      „Kennen Sie andere Personen aus seinem Umfeld?“

      Die junge Frau schüttelte ihren Kopf, jetzt schien sie länger zu überlegen. „Da gab es niemanden“, sagte sie dann.

      „Vater, Mutter, Geschwister“, forschte der Kommissar weiter, „irgendjemanden muss es doch geben.“

      Wieder schüttelte sie mit dem Kopf.

      „Vielleicht kennen Sie seine Arbeitskollegen?“

      „Er hat nie über seinen Beruf gesprochen.“

      „Aber Sie wissen doch, wo er gearbeitet hat. Sie haben es mir vorhin gesagt“, beharrte der Kommissar.

      „Er hat mir nur einmal zu verstehen gegeben, dass es sehr merkwürdig in seiner Firma zuginge.“

      „Was meinte er denn damit?“

      Franzi Harms zog ihre Schultern hoch. „Vielleicht stand er sehr unter Druck?“

      „Ist das eine Spekulation von Ihnen, oder wissen Sie das genau?“ Der Kommissar rief sich in Gedanken zu, nicht schroff zu reagieren, bis jetzt war die Frau außerordentlich gesprächsbereit.

      „Ich hatte den Eindruck, dass er Schwierigkeiten mit Kollegen hatte“, antwortete sie.

      „Das war Ihr Eindruck. Genau wissen Sie es aber nicht.“ Seiner Vermutung fügte der Kommissar seine Verabschiedung von der jungen Frau an. „Vielen Dank, dass Sie Zeit für mich hatten, für heute reicht es erst einmal. Das heißt, eins habe ich noch: Sie haben sich doch bestimmt oft in seiner Wohnung getroffen, ich meine, als Sie noch mit ihm zusammen waren.“

      „Ja, auch“, sagte Franzi Harms.

      Auf der Fahrt nach Hause dachte er noch einmal über das ungezwungene Auftreten der Frau nach und dann fiel ihm etwas – wie er glaubte – Entscheidendes ein: die Kollegen des Mordopfers! Warum hatten sich seine Kollegen nicht auf den Aufruf in den Zeitungen hin bei der Kripo gemeldet? Sie müssten doch zumindest über das lange Fernbleiben ihres Mitarbeiters verwundert sein. Irgendetwas stimmte da nicht. Aber immerhin kannte er jetzt die Adresse der Arbeitsstätte des Toten.

      5

      Vor dem Gelände des Betriebes angekommen, sprang ihm der englisch geschriebene Namenszug ins Auge, hoch an einem Gebäude angebracht. Soll wohl eine Art Globalismus der Firma hervorheben, spöttelte er. Der Name sagte ihm allerdings nichts, obwohl er in Friedrichsort einige Industrieunternehmen ansässig wusste.

      Im Empfangsbereich nannte er dem Pförtner den Namen des Mordopfers und verlangte die Kollegen des Toten zu sprechen, dabei hielt er dem Mann hinter dem Tresen seinen Dienstausweis hin. Der schaute ungerührt, verpasste dem Kommissar sogleich selbst einen Ausweis, einen Tagespassierschein. Danach griff er zum Telefonhörer, offenbar um den Kieler Kripobeamten bei irgendjemanden anzumelden.

      Kommissar Brandt sah sich in dem großzügigen Empfangsgebäude um, sah nach draußen, so weit es möglich war; das Betriebsgelände schien sich tatsächlich zumindest räumlich als groß zu erweisen.

      „Ich darf Sie bitten mir zu folgen“, hörte er eine weibliche Stimme hinter sich.

      Er sah sich einer adretten Frau gegenüber, als er sich umdrehte. Ihre folgenden Gebaren, die ihn