Bridget Sabeth

Am Ende siegt die Wahrheit


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verschenkt, in denen ich mich rar gemacht habe!«

      Als Andreas den Hof erreichte, lehnte Onkel Alfons an der Tür und paffte genüsslich seine Pfeife, musterte den Neffen und dessen erdige Stiefel. »Gab’s was zu richten?«

      »Die Quelle war verschüttet«, erwiderte Andreas. »Ein paar Minuten aufdrehen, dann kommt die braune Brühe aus den Rohren. Sie ist stark, es wird nicht lange dauern, bis wir das Wasser nutzen können.«

      »Es freut mich, dass du so umsichtig warst, und es gleich erledigt hast. Die Knechte kommen erst am Abend heim, wenn es schon dunkel ist.«

      »Keine Ursache.« Feind zum Freund machen! Andreas atmete tief durch. »Ich möchte ohnehin mit dir reden.« Er fixierte den Blick seines Onkels. Alfons hatte von vornherein darauf bestanden, dass er in der vertraulichen Du-Form angesprochen wurde. Von althergebrachten Sitten hielt er wenig, was wohl auch daran lag, dass sein Verhalten durch das Stadtleben geprägt wurde.

      »Bitte, lass uns ins Büro gehen.« Alfons marschierte voraus, der süßliche Duft seines Pfeifentabaks zog durch die Gemäuer.

      Andreas klopfte die Erde von den Schuhsohlen, ehe er folgte. Er schluckte seinen Ekel hinunter, der unweigerlich in ihm hoch quoll. War er neidisch auf Alfons, weil der Onkel es verstand, das Geld gewinnbringend einzusetzen? Aber zu welchem Preis? Vater agierte schon kalt und hart, doch Alfons wirkte noch kühler und kalkulierter. Wie im Zeitraffer zogen die Monate vorüber, in der das alte Haus abgetragen worden war und durch das neue ersetzt wurde.

      Andreas blickte zu der Holzstiege mit den feinen Schnitzereien. Links gelangte man in die Essküche und einer angrenzenden Speisekammer. Rechts lag die Stube, geradeaus befand sich eine Waschmöglichkeit und daneben schloss das Büro an. Erst im oberen Stock waren vier Schlafzimmer und ein Bad, von einer Größe, das Andreas mehr als protzig empfand. Eine weitere Treppe führte hinauf zum Dachboden, den man ausbauen konnte. Dafür bestand im Augenblick keine Notwendigkeit. Im ganzen Gebäude gab es fließend Wasser und eine benutzbare Toilette. Zig Bäume mussten deswegen gefällt und verkauft werden, um alles finanziell zu berappen. Und damit sein Onkel sich zusätzlich bereichern konnte. Andreas verdrängte den aufsteigenden Groll.

      »Setz dich«, bot Alfons an und nahm selbst Platz.

      Andreas schloss die Bürotür und ließ sich auf den freien Stuhl nieder, der direkt vor dem Schreibtisch stand. An der rechten Seite befand sich ein offener Kamin, in dem Holzscheite aufgeschichtet lagen. Erst bei kühleren Temperaturen würden diese angezündet werden.

      »Maria wirkt ein wenig durcheinander. Habt ihr gestritten? Außerdem hat sie fleißig Wasser vom Brunnen geschleppt. Es wird sie freuen, wenn wieder alles gerichtet ist«, fing Alfons leichthin an.

      Du hättest beim Wasser schleppen helfen können. Andreas verbiss sich den Gedanken, sondern antwortete: »Manchmal soll ein Streit reinigend wirken. Mir hat er zumindest die Augen geöffnet.«

      »So?« Alfons wirkte erstaunt.

      »Ich wollte mich bei dir für all die Unannehmlichkeiten entschuldigen, die ich an den Tag gelegt habe.« Andreas kratzte sich an seinem stoppeligen Kinn. Die weicheren Züge im Gesicht waren in den letzten Monaten kantigen gewichen. Mit seinen neunzehn Jahren fühlte er sich wie ein richtiger Mann, obwohl er nach wie vor nicht frei über sein Leben entscheiden durfte. »Es gefällt mir nicht, dass du alleine über die Wirtschaft bestimmst, die mir gehören sollte. Das ist nicht neu für dich. Aber ich hadere damit, dass nichts mehr so ist, wie es einmal war.«

      Alfons zog an seiner Pfeife. »Für uns alle hat sich das Leben verändert. Jahrelang war ich kaum hier, und nun pendle ich häufig den weiten Weg zwischen Wien und Mauterndorf. Aber es stimmt schon, ich hätte dich mehr einbeziehen müssen. Einerseits wollte ich dich nicht neben der harten Arbeit im Sägewerk belasten, und andererseits zeigst du mir jetzt zum ersten Mal, dass du zu einem Mann herangereift bist. Das gefällt mir. Doch auch ohne der Geldleihgabe an deinen Vater wäre ich bis zu eurem einundzwanzigsten Lebensjahr euer Vormund.«

      »Dessen bin ich mir bewusst.«

      »Nun gut.« Alfons entließ eine weitere Rauchwolke aus dem Mund, versuchte, im Gesicht des Neffen zu lesen. Was hatte Andreas vor? Geläutert und reuig? Das konnte er kaum glauben. Er wollte mehr erfahren. »Was erwartest du von mir?«

      »Nichts, ich erwarte nichts, sondern wollte es einmal ausgesprochen haben.« Andreas erhob sich. »Unser Verhältnis war von Anfang an nicht das beste, weil ich dir keine Chance gegeben habe. Das will ich ändern und ab nun respektvoller sein. Ob du mich in die Geschäfte miteinbeziehst, obliegt dir, auch wenn ich es mir wünschen würde.«

      »Ich werde darüber nachdenken.« Alfons lehnte sich zurück.

      »Danke.«

      Die Männer nickten einander zu, und Andreas verließ das Büro.

      *

      Maria wirkte abgekämpft. Auch die Katzenwäsche und das frische Kleid konnten ihre Sorgen und das Gedankenkarussell in ihrem Kopf nicht stoppen. Zum Abendessen hatte sie ein Gulasch gekocht. Sie stellte den großen Topf in der Mitte des Tisches ab, dazu gab es frischgebackenes Sauerteigbrot.

      Andreas schickte ihr ein fröhliches »Danke« zu.

      »Gern geschehen.« Sie musterte erstaunt ihren Bruder in seinem adretten Gewand. Er trug einen eleganten dunkelgrauen Anzug, dazu ein weißes Hemd. Bloß der erste Knopf war offen, wodurch sein Erscheinungsbild weniger streng wirkte. Wieso war ihm heute die alberne Zurschaustellung, wie er sonst Onkels berechtigte Forderung nannte, sauber und ordentlich gekleidet am Tisch zu erscheinen, egal?

      »Es freut mich, dass wir heute gemeinsam essen.« Alfons lächelte zufrieden.

      »Dem stimme ich zu. Ich werde versuchen, es in Zukunft beizubehalten.« Andreas ignorierte den verdutzten Seitenblick der Schwester.

      »Dann wünsche ich uns einen gesegneten Appetit.« Alfons schöpfte Gulasch in den vorgesehenen Teller. »Übrigens, ich habe über unser heutiges Gespräch nachgedacht«, wandte er sich an den Neffen und schob ihm den Topf zu.

      Andreas nahm den Schöpfer, füllte seinen Teller.

      »Ihr habt heute miteinander gesprochen?«, warf Maria ein.

      Andreas nickte zustimmend, während er das Essen an seine Schwester weiterreichte.

      »Ja. Ich habe eine Entscheidung gefällt«, fuhr Alfons zwischen zwei Bissen fort. »Ich werde einen Teil der landwirtschaftlichen Führung in deine Hände legen, da ich in letzter Zeit meine Geschäfte in Wien mehr vernachlässigt habe, als mir lieb ist. Obwohl Mirko einige Dinge übernehmen kann, fehlt ihm in gewissen Bereichen der nötige Verstand, doch hart anpacken und die Leute antreiben, das kann er gut.«

      »Das bedeutet?«

      »In den nächsten Tagen sollte die Rechnung für die Verlegung des Baches eintrudeln. Da weise ich dich genauer in die Bankgeschäfte ein. Ob das gefällte Holz zum Abgelten dafür reicht, werde ich erst dann wissen. Ansonsten begleiche ich den überfälligen Betrag aus meinem Privatvermögen.«

      »Wie sieht es mit einer Bezahlung meinerseits aus?«, meinte Andreas ruhig.

      Alfons brach in schallendes Gelächter aus. »Du bist gerissener, als ich dachte.« Amüsiert schüttelte er den Kopf. »Natürlich musst du nicht unentgeltlich für mich arbeiten, auch wenn es eigentlich dein Hof ist. Nicht wahr?«

      Vielleicht schaffe ich es, zumindest ein Stück davon zu erhalten! Andreas verkniff sich eine zynische Antwort, zwang sich zu einem Lächeln. Er wollte Haltung bewahren, und vor allem herausfinden, in welche dubiosen Geschäfte Alfons verwickelt war.

      »Wenn ich zufrieden bin, erhältst du achthundert Schillinge im Monat. Wir werden es jedoch so regeln, dass ich fünfhundert davon zur Tilgung des Schuldenberges heranziehe. Falls du damit einverstanden bist. Somit hast du dreihundert zur freien Verfügung. Ob du deiner Arbeit im Sägewerk weiter nachgehen möchtest, bleibt dir überlassen. Allerdings fürchte ich, dass deine Freizeit dadurch um einiges kürzer ausfallen wird.«

      »Danke,