Ralf Real Shock

Der Anti-Koch (Die Gesellenjahre - Teil 1)


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Freddie!“

      „Darf ich dich denn noch mal besuchen kommen?“

      „Kann ich es verhindern, Freddie?“

      „Nö!“

      „Also…..“

      Ich drehte mich um. Zufrieden kuschelte sich Freddie in meinen Arm. Da lag er also, ein schnarchender Gewürzgurkenturm, der mir während meiner Lehrzeit irgendwann, als ich von Albträumen heimgesucht wurde, zugelaufen war. Als ich am Morgen erwachte, roch mein Kopfkissen nach Essig.

      Willkommen, Geselle Paarfett!

      Bei meinem ersten Arbeitstag als Geselle wollte ich auf Nummer sicher gehen und fuhr mit dem Rad rechtzeitig von zuhause los. Somit war ich zehn Minuten zu früh da und wartete nervös an diesem verregneten und äußerst stürmischen Morgen vor dem verschlossenen Personaleingang. Ich blieb nicht lange ohne Gesellschaft.

      „Ah, guten Morgen Herr Heinemann. Schön, Sie zu sehen.“

      Ich drehte mich ruckartig um, und sah in das freudestrahlende rundliche Sommersprossengesicht meines neuen Küchenchefs, Herrn Pätzold.

      „Und? Alles fit?“

      „Ja?“

      „Na, dann wollen wir mal.“

      Er kramte aus seiner linken Hosentasche einen riesigen Bund mit Schlüsseln hervor. Ohne hinzuschauen, fand er auf Anhieb sofort den Richtigen, steckte ihn in die Tür und schloss auf. Wie ein Zirkusdirektor, der am Eingang seines Zelts vor der Vorstellung höchstpersönlich seine Gäste begrüßte, hielt er mir die Tür auf und rief vergnügt: „Hereinspaziert. Immer hereinspaziert in die Manege.“

      Zaghaft lächelnd huschte ich an ihm vorbei.

      „Herr Flöck müsste eigentlich auch jede Minute kommen. Wir gehen schon mal nach unten zum Umziehen. Ach, Sie haben ja noch keine Klamotten. Das macht der Herr Flöck gleich mit Ihnen. Einen kleinen Rundgang durch die Gemeinde. Sie wissen schon. Er zeigt Ihnen hier alles. Und? Wie haben Sie denn geschlafen?“

      „Eigentlich ganz gut.“

      „Keine Albträume gehabt vor dem ersten Tag als Geselle?“

      „Äh, nein?“

      „Was da alles auf Sie zukommt. Ob der Küchenchef Sie fressen will, ins Gefrierhaus einschließt oder in die Pfanne haut. Ach, ich mach nur Spaß, Herr Heinemann. Sie sind hier herzlich willkommen. Wir freuen uns auf Sie.“

      „Danke.“

      Unsicher stand ich in der Mitte des Umkleideraums, während Herr Pätzold sich an seinem Spind umständlich aus seiner Jeans schälte.

      „Wir haben Ihnen natürlich auch schon einen Spind freigemacht. Sehen Sie. Den da.“

      „Echt??? Wo???“

      „Na, da müssen Sie sich schon ein wenig umdrehen. Der ist es!“

      Ich neigte meinen Kopf ganz leicht nach rechts und dann war er auch schon in meinem Blickfeld. Mein erster eigener Spind! Nur für mich! Ganz allein! Und sogar zum Abschließen! „Da steht ja mein Name drauf!“, sprudelte es aufgeregt aus meinem Mund.

      „Ja klar, was denken Sie denn? Sieht doch gut aus, oder?“

      „Jaja, alles bestens“, beeilte ich mich zu sagen.

      „Jaja? Sie wissen, was das bedeutet?“

      „Nein?“

      „Das heißt bei uns in der Küche „Leck mich am Arsch“. Werden Sie noch früh genug mitbekommen. Wir nehmen nicht alles so ernst. Also Herr Heinemann, immer schön locker bleiben.“

      Verlegen schaute ich auf den Boden.

      „Herr Flöck, immer hereinspaziert in die gute Stube. Wie ist das werte Befinden? Ich hoffe gut, weil schlecht, wäre nicht so gut, was?“

      „Guten Morgen, Herr Pätzold. Alles gut.“

      „Schön. Freut mich zu hören. Sie gehen jetzt, wenn Sie sich umgezogen haben, direkt mit Herrn Heinemann in die Kleiderkammer und besorgen ihm einen Schwung anständiger Wäsche. Ja? Machen Sie das?“

      „Jaja.“

      „Sehen Sie, Herr Heinemann, bisschen Spaß, muss sein. Nicht wahr Herr Flöck? Ich gehe schon mal in die Küche und koche Kaffee.“

      „Jaja.“

      Ohne zu zögern, lief Herr Pätzold zu Micha rüber, nahm ihn mit einem geübten Griff in den Schwitzkisten und verpasste ihm ein paar Kopfnüsse.

      Irritiert schaute ich dem Treiben zu. Dann fing er an, ihn zu kitzeln. Am ganzen Körper. Nach einiger Zeit ließ er von Micha ab und stiefelte mit breiten Grinsen an mir vorbei: „Sie kommen auch noch dran. Warten Sie es nur ab. Ich hoffe, Sie sind kitzelig.“ Mit offenem Mund schaute ich dem fröhlich pfeifenden Rotschopf hinterher. Micha lag noch auf dem Boden und kringelte sich vor Lachen.

      „Passiert das öfters, Micha?“

      Mit einem Satz war Micha auf den Beinen: „Wie? Michaaa??? Was hab ich Dir gesagt? Ich hab Dir gesagt, wir sprechen uns auf der Arbeit nur mit Nachnamen an. Schon wieder vergessen, oder was?“

      „Nee, Entschuldigung. Äh Flöck. Also macht er das öfter?“

      „Kommt drauf an Heinemann.“

      „Wo drauf?“

      „Wirst Du schon sehen.“

      „Wenn Du meinst.“

      „Ja, das mein ich! So! Und jetzt ab zur Wäschekammer. Wir sind schon spät dran.“

      „Welche Schuhgröße hast Du?“, fragte mich Micha, als wir auf dem Weg zur Kleiderkammer waren.

      „Schuhgröße? Wieso Schuhgröße?“

      „Du bekommst natürlich auch Arbeitsschuhe. Clogs. Die hinten offen sind. Kennst Du doch? Mit rutschfester Sohle.“

      „Echt? Das wusste ich ja gar nicht.“

      „Ja. Und?“

      „Und was?“

      „Deine Schuhgröße!“

      „Ach so, äh, also ich glaub 43 oder 44, aber eher 44.“

      Meine Mutter konnte ihr Glück kaum fassen und hätte wohl am liebsten einen dreifachen Salto geschlagen, als ich ihr davon berichtete, dass die komplette Kochgarnitur vom Hause aus gestellt wurde. Ein für alle Mal war es vorbei mit dem mühsamen und lästigen Einweichen der verdreckten Kochgarnituren am späten Abend und der anschließenden Wäsche am Morgen. Und nun bekam ich auch noch das Schuhwerk gratis dazu.

      An der Kammer angekommen konnte ich mir jeweils drei Hosen und drei Jacken in meiner Größe aussuchen. Micha warf auf meinen Wäscheberg noch als Zugabe Vorbinder, Touchons, Kochmützen, Dreieckstücher und zum Schluss ein Paar Clogs.

      „Was sind das denn für Tücher?“

      „Du meinst die Dreieckstücher?“

      „Ja?“

      „Das sind Deine Halstücher?“

      „Halstücher?“

      „Ja. Hast Du vorher keine getragen?“

      „Nein?“

      „Aber eine Krawatte hast Du schon mal gebunden?“

      Ich sinnierte. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte ich bisher noch nie eine Krawatte getragen, außer bei meiner Erstkommunion. Das würde im Nachhinein auch vielleicht erklären, warum mein Hals nach den Feierlichkeiten so rot und angeschwollen war. Mein Vater hatte die Krawatte am frühen Morgen mit den Worten „Stell Dich