Ralf Real Shock

Der Anti-Koch (Die Gesellenjahre - Teil 1)


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Rumgeheule ernst genommen wird. In der gemütlich beisammensitzenden Runde wurde es achtlos als Trotzigkeit abgetan.

      „Und? Was ist? Hast Du?“

      „Nein!“, kam meine störrische Antwort.

      „Macht doch nichts. Ich zeig Dir das gleich“, erwiderte Micha gönnerhaft.

      Vollbepackt wie ein kleiner neugieriger Wanderesel mit unbestimmtem Ziel kehrte ich mit Micha wieder in den Umkleideraum zurück. Nach wenigen Momenten hatte ich mich, mit der Hilfe von Michas geschickten Händen beim Halstuch binden, in einen blitzsauberen Gesellendebütanten verwandelt.

      „Die Umkleide und die Kleiderkammer kennst Du ja jetzt. Ich führe Dich jetzt noch ein wenig rum.“

      „Ah. Gut.“

      „Hier hinter der Tür sind die sanitären Anlagen, Toiletten. Und Dusche.“

      „Nur für uns?“

      „Ja! Für wen denn sonst?“

      „Keine Ahnung.“

      „Also! Jetzt zeig ich Dir noch unseren Personalraum.“

      Wir gingen eine Etage höher. Micha stieß direkt die erste Türe auf und ich blickte in einen großen hellen Raum, in dem in der Mitte ein runder Tisch mit allerhand Stühlen ringsherum stand. Aus dem Fenster hatte man zudem einen wunderschönen Blick auf den angrenzenden Park! Meine Augen wurden immer größer. So sieht also ein Personalraum mit allen Schikanen aus.

      Micha brabbelte unverdrossen weiter: „Die Frühschicht geht von 8:30 Uhr bis 16:30 Uhr. Pause ist eine halbe Stunde. Spätschicht ist von 15:00 Uhr bis 23:00 Uhr. Zigarettenpause können wir zwischendurch machen. Dann einfach vorne beim Service abmelden. Damit die Bescheid wissen, wo wir stecken. Rauchst Du?“

      „Nein.“

      „Spielst Du gerne?“

      „Geht so.“

      „Also, wir spielen gerne.“ Dabei deutete er geheimnisvoll auf eine Ecke im Raum, wo alle erdenklichen Brettspiele dieser Welt schön sorgfältig aufgetürmt in ihren Verpackungen lagen.

      „Kennst Du Denk Fix?“

      „Ja?“

      „Das spielen wir im Moment. Wir machen auch Strichlisten. Also, wer gewinnt, wer verliert. Im Moment liegt Döpke ganz knapp vor Breuer. Man sollte es nicht meinen.“

      „Wieso?“

      „Ach, das ist eine lange Geschichte. Heute Nachmittag beim Schichtwechsel lernst Du unsere anderen beiden Köche ja kennen. So! Mineralwasser gibt es umsonst. Eine große Limo oder Cola, also die 0,4-Gläser, kosten 50 Pfennig. Alkohol ist natürlich verboten. Personalessen ist frei.“

      Ich nickte eifrig. Hier würde ich bestimmt nicht vor gaffenden Kunden aus der Frittenbude, wie bei den Heinrichs, unter Beoachtung stehen, wenn ich mein Essen einnehme.

      „Hast Du schon Deinen Vertrag unterschrieben?“

      „Nee, der Herr Nienhaus wollte das mit mir heute Vormittag machen.“

      „Alles klar. So! Hier die Tür, da geht es zum Restaurant. Aber ich zeig Dir schnell noch die Zentralküche. Die ist ein Stock höher. Vergessen hab ich jetzt unser Kühlhaus und Gefrierhaus, unten im Keller. Ist nur ein paar Schritte von der Umkleide entfernt. Da müssen wir gleich sowieso noch hin. So! Dienstpläne werden Anfang der Woche geschrieben. Wir Köche haben eineinhalb Tage frei. Der Küchenchef ist eigentlich immer da. Wenn mal überhaupt nichts los ist unter der Woche, dann macht er auch schon mal einen Tag frei. Wenn Du Wünsche hast, wann Du freihaben willst, musst Du das rechtzeitig sagen. Am besten ein, zwei Wochen vorher. Dann kann man am besten planen. So! Das ist hier die Zentralküche.“

      Dieser Ort war für einen wie mich, der gerade seiner Lehre bis auf wenige Blessuren unversehrt entkommen war und dreieinhalb Jahre nur die provinzielle Pusemuckelküche von den Heinrichs vor Augen hatte, unglaublich beeindruckend. Alles war so gigantisch. Angefangen von den Herdplatten über die Pfannen bis hin zu den Kochtöpfen. Hier müssen Riesen kochen!

      „Die Küche wird nur benutzt, wenn in der Halle Veranstaltungen mit Verzehr laufen.“

      „Verzehr?“

      „Mit Essen mein ich damit natürlich. Das kann alles sein, ob Gulaschkanone oder richtig festlich angelegte Menüs. Haben wir alle schon gehabt. Aber normalerweise läuft das Haupt unten im Restaurant ab. Wettest Du gerne?“

      „Wetten? Nee, eigentlich nicht.“

      „Geht immer nur um Kleckerbeträge. Nichts Großes, Heinemann.“

      Spielen? Wetten? Wo war ich hier eigentlich gelandet? In einer Küche oder in einem Kasino?

      „Was haben Sie denn so alles Schönes gelernt, in Ihrer Lehre?“, wollte Herr Pätzold direkt von mir wissen, als ich mit Micha die Küche betrat, wo es nach frisch aufgebrühten Kaffee duftete. Micha ging bei der Frage sofort in Lauerstellung. Er schaute mich mit verschränkten Armen und verkniffenen Augen fordernd an. Darauf war ich jetzt nicht vorbereitet und so stammelte ich unbeholfen: „Was, was meinen Sie jetzt genau?“

      „Na, ob Sie in den drei Jahren nur Zwiebeln und Kartoffeln geschält haben oder auch mal einen Herd aus nächster Nähe gesehen haben.“

      „Ja, aber es waren ja nicht drei Jahre, ich musste ja noch ein halbes Jahr dranhängen……“

      „…..Stimmt, die Ehrenrunde. Hab ich ganz vergessen. Entschuldigung. Reden Sie weiter, Herr Heinemann, ich bin ganz Ohr.“

      „Also, mein Chef….“

      „….Sie meinen Ihren Küchenchef jetzt?“

      „Ja?“

      „Gut. Ja, weiter.“

      „Ich war für die Beilagen während der Ausgabe zuständig. Suppen, Soßen, ich hab jeden Morgen die Hollandaise aufgeschlagen.“

      „Auf einem Wasserbad oder auf dem Herd?“

      „Auf dem Herd.“

      „Ah, die harte Schule. Das können Sie, Herr Heinemann?“

      „Ja?“

      „Schön. Gut. Weiter. Halt. Suppen, Soßen, haben Sie auch angesetzt?“

      „Nein.“

      „Warum nicht?“

      „Das hat alles mein Chef gemacht. Ich musste ja morgens immer die Tageskarte tippen.“

      „Das müssen Sie hier nicht. Sie stehen in der Küche. Die ganze Zeit. Wir sind Köche. Für alles andere haben wir unsere Leute. Nicht wahr, Herr Flöck?“

      Micha nickte zustimmend.

      „Und was ist mit Süßspeisen. Tüte auf?“

      „Ja. Tüte auf.“

      Also Schokopudding und Vanillepudding, was?“

      „Ja. Und Quark….“

      …..lassen Sie mich Raten. Mit Erdbeeren?“

      „Richtig.“

      „Und auch mal mit Bananen?“

      „Ja, klar.“

      „Schon mal ein Frikassee zubereitet? Oder einen einfachen Braten?“

      „Nein.“

      „Hat Ihr Küchenchef Ihnen nichts weiter übers Kochen beigebracht?“

      „Nein.“

      „Also, ich fasse zusammen: Ihr Küchenchef hat also alles gekocht und Sie haben während der Ausgabe die Beilagen verwaltet und morgens die Karte geschrieben.“

      „Ja?“

      Herr Pätzold winkte ab: „Kenn ich alles. Habe ich schon dutzende Male gehört. Mir ist es in meiner Lehre auch nicht