Thomas Hoffmann

Schatten der Anderwelt


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      Thomas Hoffmann

      Schatten der Anderwelt

      Die Fahrten des Norbert Lederer 2

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       I. Teil

       1.

       2.

       3.

       4.

       5.

       II. Teil

       6.

       7.

       8.

       9.

       10.

       11.

       III. Teil

       12.

       13.

       14.

       15.

       IV. Teil

       16.

       17.

       18.

       Impressum neobooks

      I. Teil

       Der Abenteurerjunge

      1.

      Am Frühjahrsfest des Jahres 816 ereignete sich in der Markgrafenstadt Altenweil eine Brandkatastrophe. Es war das katastrophalste Ereignis seit dem Horgarensturm im Jahr 214, welcher einst die Stadt in Schutt und Asche gelegt hatte. Das Feuer brach gegen Mitternacht im Turm des stadtbekannten Dämonologen Anton Dreyfuß aus. Die Brände breiteten sich schnell aus. Weite Teile der Unterstadt standen in Flammen.

      Inmitten der Panik auf den Gassen um den Bereich brennender Häuserzeilen, zwischen den Schreien Verbrannter, die sich aus den Flammen herausschleppten, dem verzweifelten Kreischen von Müttern, die ihre Kinder in den Flammen verloren hatten, verbrennen sehen hatten, dem Entsetzen derer, die innerhalb einer Viertelstunde alles verloren hatten, versuchten Torwachen und Kriegsknechte des Markgrafen, Brandschneisen zu schlagen. Sie brachen Haustüren ein, zerschlugen Mobiliar, zertrümmerten alles Brennbare, sogar die Fensterläden brachen sie heraus und warfen die Trümmer zur dem Feuer abgewandten Seite in die Hinterhöfe. Mit Eimerketten versuchten sie im beißenden Qualm, Fußbodendielen und Dachstühle unter Wasser zu setzen im Wettlauf mit den von der gegenüberliegenden Seite der Gasse herüberstiebenden Brandfunken.

      Unter dem nachtschwarzen Himmel färbte die lodernde Feuersbrunst den Burgfelsen inmitten der Stadt glühend rot. Im flackernden Feuerschein tauchten hoch über der Stadt immer wieder für Augenblicke die abweisenden Mauern der Grafenburg aus der Dunkelheit auf. Die ganze Nacht über und bis in den vom Rauch verdunkelten Morgen hinein läuteten die Klosterglocken Sturm. Unablässig verbrannten die Mönche kostbaren Weihrauch auf den Klosteraltären und beteten auf Knien zur heiligen Mutter von Altenweil um Erbarmen für die Stadt.

      Und tatsächlich erinnerten sich später nicht wenige daran, dass das Feuer eine Häuserzeile vor den Klostermauern Halt gemacht hatte und sich dann nicht einen Schritt mehr weiterfraß - genau dort, wo die Knechte des Markgrafen unter dem Jammer- und Protestgeschrei der Anwohner die Brandschneisen geschlagen hatten. Allen Frommen war es offensichtlich: Die Gebete der Mönche hatten die Stadt gerettet.

      Den ganzen Tag über wollte das Feuer in den niedergebrannten Teilen der Unterstadt nicht erlöschen. Immer wieder schossen Flammengarben aus den rauchenden Trümmerhaufen, aus denen rußgeschwärzte Kaminschlote aufragten wie abgebrochene Armstümpfe einer verzweifelt gegen den abweisenden Himmel krallenden, glühenden Hölle. Die erschöpften, vom giftigen Rauch hustenden Kriegsknechte und wer nur immer mithelfen konnte, ließen die Eimerketten nicht abreißen, um das Überspringen der Flammen in die noch stehenden Reihen von Fachwerkhäusern jenseits der glühend heißen Zerstörungszone zu verhindern. Inmitten der rauchenden Trümmer ragte die ausgebrannte Ruine des Zaubererturms auf. Blaue Flammen loderten aus den rußgeschwärzten Mauern. Sie wollten nicht erlöschen, allen Gebeten der Mönche und allem Glockenläuten zum Trotz.

      Noch am Abend kämpften die Altenweiler gegen das Überspringen des Feuers auf die Häuser nahe der Brandzone. Im Geschrei auf den Gassen, zwischen den heiser gebellten Befehlen der Hauptleute, die ihren Männern unter Flüchen und Drohungen das Äußerste abverlangten, dem überall kauernden und die Löschketten behindernden Stadtvolk – Frauen, Männer und Kinder, die sich weinend über sterbende, nach Wasser schreiende Verbrannte beugten - zwischen umher wankenden Traumatisierten, die über Tote stolperten, in Eimerketten hineintaumelten oder vor sich hinstarrend im Weg saßen - in dem überall herrschenden Chaos fiel der Junge in Ledermontur niemandem auf, der reglos am Rand der Brandzone stand und über das rauchende Trümmerfeld zu der von blauen Flammen eingehüllten Turmruine hinüberstarrte.

      Der Junge mochte zwischen sechzehn und siebzehn Jahren alt sein. Er trug ein Schwert in einer Lederscheide an der Seite. Seine Stiefel waren schlammverkrustet. Sein dunkles, schulterlanges Haar unterschied sich in nichts von dem anderer junger Männer, wenn sie nicht gerade Adelige waren oder auf Brautschau: es war lange nicht gekämmt worden und die einzige Wäsche, die ihm seit Wochen zuteil geworden war, war der Regen. Den dunklen Flecken auf seiner Ledermontur war nicht anzusehen, ob sie vom Regen stammten, oder ob es Blutflecken waren aus einem durchgestandenen Kampf auf Leben und Tod.

      Kriegsknechte und Stadtvolk in seiner Nähe hielten ihn für einen fahrenden Abenteurer, einen Gesetzlosen. Sie vermieden es, ihm nahe zu kommen. Den Ausdruck bitterer Entschlossenheit, den seine Gesichtszüge annahmen, sah niemand. Der Junge umschloss den Schwertgriff mit der Faust, als blickte er einem Feind entgegen. Niemand hörte die gemurmelte Zauberformel, die über seine Lippen kam. Erst als er langsam, Schritt für Schritt die vor ihm liegende, von glühenden Schlacken und rauchenden Trümmern verschüttete Gasse entlang in die Brandzone hineinstieg, richteten