Peter Bergmann

Schüchterne Gestalten


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wir uns hier nicht gebrauchen. Wo wir doch auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, gerade im wirtschaftlichen Bereich, angewiesen sind. Wenn rauskommt, dass eine Ausländerin hier ermordet wurde, fragen nicht nur die Medien ganz genau nach.“

      „Bei allem Respekt Chef, das kann uns nicht interessieren. Wir haben zwei Tote, die gewaltsam um die Ecke gebracht wurden. Etwas stümperhaft wie es aussieht, aber effektiv.“

      Dietering und Kundoban sahen ihren Kollegen leicht entsetzt an.

      „Na ja, wenn man das Ergebnis betrachtet war es ganz sicher effektiv – oder nicht?“ Remsen musste was sagen.

      „Herr Remsen, einen Mord mit effektiv zu beschreiben würde ja bedeuten, man könnte ihn in ein Lehrbuch für Nachahmer aufnehmen. Ist das nicht etwas sarkastisch?“

      Der Ermittlungsleiter ging nicht weiter darauf ein und resümierte weiter: „Der alte Weilham, einer der beiden Chefs von CodeWriter, hat bis vorhin ein Spielchen mit uns gespielt und uns angelogen. Angeblich wäre sein Sohn bei einem Kunden in Berlin und nicht in der Ukraine gewesen. Dass die schöne Larissa neben dem saß, aus der Ukraine stammte und jetzt auch tot ist, konnte oder wollte er uns nicht erklären. Erst als wir ihm ein Beweisfoto vorgelegt haben, fing er an zu erzählen.“

      „Was für ein Beweisfoto?“, wollte Dietering wissen.

      „Grenzübertritt gestern Abend, exakt 21:07 Uhr. Mit dem Audi der CodeWriter VES CW 500 und mit der Beifahrerin. Weilham wusste ganz genau, wo sein Sohn die letzten Tage war. Nur wir sollten es möglichst nicht erfahren.“

      „Danke Frau Kundoban für die Informationen. Haben wir noch etwas, was wir in der PK erzählen können?“

      „Heute Nacht gab es einen Brandanschlag auf das Haus der Weilham's. Es ist aber nicht viel passiert, Cordula Weilham informierte sehr schnell die Feuerwehr und dann uns. Den Weilham behielten wir im Gewahrsam. Ulrich war heute Morgen rausgefahren und bisher aber noch nicht zurück. Vielleicht findet er Anhaltspunkte, wer das gewesen sein könnte. Die Medien fragen bestimmt danach, kann ich mir gut vorstellen.“

      Dietering war klar, worauf Remsen hinaus holte: „Trotzdem; Sie kommen mit in die PK. Lassen Sie sich vorher von Ulrich alles erzählen; wir legen dann fest, was wir rauslassen.“

      Es entstand eine Pause, in der alle drei so taten, als waren sie mit den Unterlagen beschäftigt, die sie jeweils vor sich hatten.

      „Noch was?“

      Remsen war jetzt wieder dran: „Weilham traf sich am Freitagabend mit einem Menschen, namens Abtowiz zum Essen...“

      „Abto... wer?“

      „Igor Abtowiz, Inhaber der Firma „Safety Objects. Eine Überwachungsfirma: Gebäude allgemein, Büros und Gewerbeparks, Parkhäuser und so weiter. Klingt etwas abenteuerlich, aber Abtowiz ist Pole und kein Russe. Und er hat aktuell zumindest eine weiße Weste. Safety Objects ist Kunde der CodeWriter und nutzt deren Software. Für Abtowiz haben die anscheinend jede Menge besondere Wünsche eingearbeitet, was wohl nicht reibungslos geklappt hat.“

      Jetzt war Jutta Kundoban etwas konsterniert, denn die letzte Information kannte sie bislang nicht.

      „War das die Ursache des angeblichen Streits zwischen den beiden?“

      Remsen sah ein, dass er etwas aufklären musste: „Ich hatte gestern Abend Abtowiz angerufen und ihn ins Red Rooster bestellt. Natürlich musste ich mir eine Geschichte ausdenken, damit er neugierig wird und wirklich erscheint. Der Trick mit der Gegenüberstellung hat funktioniert.“

      „Und das war dann diese Softwaregeschichte?“ Kriminalrat Dietering fand noch immer nicht den Anfang des Fadens, den Remsen schon eine gewisse Zeit spann.

      „Nein, nein. Abrechnungsbetrug bei Spesen und vor allem Restaurantrechnungen mussten herhalten. Weil die beiden einen Tag vorher zusammen beim Italiener waren, hat Abtowiz offensichtlich kalte Füße bekommen und sich gleich über Weilham und CodeWriter ausgelassen.“

      „Frau Kundoban, kümmern Sie sich doch bitte mal darum, was an dem Streit zwischen diesen beiden Unternehmen dran ist. Vielleicht hilft uns das weiter.“ Kriminalrat Dietering war in seinem Büro ganz der Chef und verteilte munter Aufträge.

      „Das bringt uns heute in der PK keine Punkte. Noch nicht.“ Remsen empfand keinerlei Lust, sich auf dieses dünne Eis zu begeben und auf messerscharf gestellte Fragen der Journalisten keine brauchbaren Antworten parat zu haben.

      „Das weiß ich Remsen. Was haben wir noch an Informationen, die wir ohne Probleme weitergeben können?“

      Da beide Ermittler schwiegen und nicht den Eindruck vermittelten, weitere Fakten beisteuern zu können, richtete sich Dietering auf eine kurze PK ein. Sofern nicht Ulrich noch etwas Brauchbares bis dahin liefert.

      „Okay, schaffen Sie mir den Ulrich herbei. Ich möchte Sie beide gegen halb vier hier in meinem Büro haben. Um 16:00 Uhr gehen wir vor die Presse. Und Remsen: Eine Rasur wäre bis dahin nicht schlecht. Vielleicht finden Sie noch eine vorzeigbare Krawatte.“

      Ja Sepp, dachte sich Remsen, als er gemeinsam mit seiner Kollegin das Weite suchte. Ohne sich vorher nicht noch einmal zu seinem Chef umzudrehen: „Mein Typberater hat mich eindringlich davor gewarnt, Krawatten zu tragen. Wollen Sie seine Telefonnummer haben?“

      Nachdem Dietering allein war, überlegte er, was noch tun könnte. Da er nun einmal schon im Büro war, sollten seiner Meinung nach auch andere keinen ruhigen Sonntag haben. Er suchte auf seinem Smartphone den Eintrag vom zuständigen Staatsanwalt, um ihn prophylaktisch zu informieren oder schlicht dem die Sonntagsruhe zu nehmen. Melden macht frei und belastet andere. Ein probates Mittel, um mögliche Angriffsflächen gar nicht erst anzubieten.

      Nach einigem Klingeln nahm jemand auf der Gegenseite den Anruf entgegen: „Stiegermann hier.“

      „Hallo Torsten, Karl Dietering. Muss dich leider stören, auch wenn es Sonntag ist. Vielleicht hast du schon gehört; wir haben einen Mordfall an der Backe: Internationale organisierte Kriminalität. Hier in Vesberg.“

      „Davon habe ich noch nichts gehört Karl. Was ist genau passiert? Erzähl.“ Stiegermann schien wirklich noch überhaupt nichts zu wissen. Davon war Dietering überzeugt. Also erzählte er dem Staatsanwalt die wenigen Dinge, von denen er bisher erfuhr.

      „Seit wann wisst Ihr, dass es Mord war, Karl?“

      „Um ehrlich zu sein, schon bald nach der Besichtigung des Tatorts am Freitagabend. Zumindest äußerte Dr. Ansbaum recht schnell die Vermutung, die sich gestern dann bestätigte.“

      „Sag mal, du willst mir erklären, dass Ihr seit gestern wisst, dass wir einen Mord mit zwei Toten haben und Ihr habt mich davon nicht unterrichtet.“ Was ganz ruhig begann, entwickelte sich bei Stiegermann zu einem echten Schreianfall. Trotz Sonntagnachmittag.

      „Karl, kann ich mich überhaupt nicht mehr auf dich verlassen?“

      Dietering brachte kein Interesse auf, ein Kräftemessen an einem Sonntag und am Telefon zu veranstalten. „Wenn du aufhören würdest so rumzuschreien und deinen Arsch hierher bewegen könntest, wären wir schon weiter. Die PK mit der Meute steigt nicht ohne dich. Um 16 Uhr, um ganz genau zu sein.“ Dietering drückte das Gespräch weg und warf sein Telefon auf das Sofa in seinem Büro.

      Er selbst plumpste hinterher und fühlte sich genervt.

      In Delft war die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Diese Dilettanten sind noch nicht einmal in der Lage, ein Haus nebst Bewohner abzufackeln. Einfach nur einen Auftrag auszuführen; ist das zu viel verlangt?

      Der Plan war gestern Nacht gründlich schief gegangen. Dabei bestand er immer darauf, nur echten Profis den Auftrag zu geben. Aber nein, er ließ sich breitschlagen und griff schlussendlich auf unbekanntes Personal zurück.

      Wird er alt und weich?

      Auf einmal?

      Oder kommt das schleichend?

      Das kennt er nicht von sich. Seine Pläne zieht er in der