Irene Dorfner

Der Heinrich-Plan


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der den Bericht mit dem falschen Bestattungsunternehmen verfasst hatte und er war ihm gegenüber sehr ungehalten.

      „Dieser Bericht ist von Ihnen?“

      „Ja. Stimmt etwas nicht?“

      „Allerdings. Und zwar die Adresse des Bestattungsunternehmens.“

      „Die hat mir Albert, also Herr Steinberger genannt und deshalb habe ich das so in den Bericht geschrieben.“

      Also hatte hier Steinberger auch seine Finger im Spiel. Unfassbar.

      Christine trat auf den Gang, Leo und Georg sahen sie erwartungsvoll an.

      „Zyankali, habe ich mir schon fast gedacht. In seinem Mageninhalt befanden sich Speisereste von Putenfleisch, Kartoffeln und Salat. Und von einem Isotonischen Getränk. Ich vermute, dass ihm das Gift mit dem Getränk verabreicht wurde. Und Zyankali hat mit einem plötzlichen Herzstillstand, wie er hier in dem Totenschein als Todesursache steht, so viel zu tun wie ich mit einer Primaballerina.“ Sie übergab Leo den Totenschein. „Find heraus, welcher Stümper diesen Totenschein ausgestellt hat. Mein junger Kollege hier wird den Bericht schreiben und wird ihn euch zukommen lassen. Keine Sorge,“ fügte sie hinzu, als sie die entsetzten Gesichter der beiden sah, „natürlich nicht ohne meine Überprüfung.“ Letzteres sagte sie so laut, dass der Kollege sie hören musste. „Und bevor ihr beiden euch wieder an die Arbeit macht,“ sie sah auf ihre Uhr, „wäre es jetzt höchste Zeit, etwas zu essen. Ich habe einen Bärenhunger. Und euch beiden würde eine warme Mahlzeit auch nicht schaden. Machen Sie den Jungen wieder zu?“, rief sie in den Autopsie-Raum. Der Kollege sagte sofort zu und Leo hatte den Eindruck, dass er sich sogar freute.

      „Also, Georg,“ sagte Christine, als sie ein Stück ihres Steaks abschnitt, das ziemlich blutig war, „wie sagt man jetzt politisch korrekt? Schwarzer oder Neger? Wie sagt man?“

      „Christine! Reiß dich doch zusammen,“ sagte Leo ärgerlich, denn nicht jeder kam mit der offenen und direkten Art seiner Freundin zurecht.

      „Ach komm, so erschrocken sieht er gar nicht aus. Er ist nun mal schwarz. Oder soll ich jetzt so tun, als würde ich das nicht sehen? Ich habe ja auch gesehen, dass er ein ziemlich hübscher Kerl ist. Oder darf ich das auch nicht sagen?“

      Leo wollte gerade etwas erwidern, als Georg laut loslachte.

      „Sie sind ja eine Marke. Ich glaub, ich spinne,“ rief er aus und einige der anderen Restaurantbesucher sahen verstohlen zu den dreien rüber. „Hören Sie, Lady“, fuhr er fort und wischte sich mit der Serviette eine Träne weg, „Sie können zu mir sagen, was Sie wollen, Sie sind in Ordnung.“

      „Na also. Ich bin Christine und weil ich die Ältere bin, kann ich bestimmen, dass wir das SIE weglassen. Das hätten wir geklärt. Wäre Georg nicht etwas für unsere Anna?“ Sie musterte ihn von oben bis unten. „Oder bist du verheiratet?“

      „Ich bin verheiratet.“

      „Wenn sich der Zustand ändert, ruf mich an. Vielleicht kann ich dann was mit unserer Anna arrangieren. Sie ist ein wirklich nettes, intelligentes und außerordentlich hübsches Mädchen.“

      „Christine! Jetzt hör aber auf!“, sagte Leo peinlich berührt. „Anna ist mit Stefan Feldmann zusammen, das weißt du genau.“

      „Ja und? Das plätschert nun geraume Zeit so dahin und ich denke mir ja nur, es wäre doch schade, wenn so ein hübscher Junge an die Falsche geraten würde. Woher kommen deine Vorfahren?“, bohrte Christine weiter.

      „Ich wurde im Alter von zwei Jahren adoptiert, meine Vorfahren kommen aus Kenia. Meine Adoptiveltern waren wirklich tolle Eltern. Sie konnten selbst keine Kinder bekommen und ich bin sehr behütet aufgewachsen. Meine leiblichen Eltern habe ich nie kennengelernt und ich habe auch keine Ahnung, was aus denen geworden ist. Sie gaben mich in einem Krankenhaus ab und haben mich dort nicht mehr abgeholt. Dann kam ich in ein Waisenhaus, von wo aus ich zur Adoption freigegeben wurde. Das zumindest steht in meinen Unterlagen. Ob das der Wahrheit entspricht, weiß ich natürlich nicht. Vor Jahren habe ich versucht, meine Eltern ausfindig zu machen, aber das war reine Zeitverschwendung. Die Kenianischen Behörden sind nicht sehr kooperativ und haben über mich nur die Unterlagen gefunden, die ich sowieso schon hatte. Entgegen vieler anderer Schilderungen von adoptierten Kindern in ähnlicher Situation hatte ich niemals Probleme wegen meiner Hautfarbe. Auch im sozialen Umfeld gab es nie irgendwelche Anfeindungen. Klar gibt es immer irgendwelche Idioten, die blöd schauen oder Witze machen, aber meine Eltern haben mir schon von klein auf beigebracht, darüber wegzusehen.“

      „Die schauen auch blöd, wenn ich ein kurzes Kleid anhabe, was mich aber auch nicht davon abhält.“ Christine sagte das mit einem witzigen Unterton und alle mussten bei der Vorstellung herzlich lachen.

      Sie aßen zu Ende, gingen wieder zurück in die Pathologie, wo Christine von ihrem Kollegen der fertige Bericht freudestrahlend überreicht wurde. Sie las ihn durch und nickte. „Sehr schön gemacht, junger Freund. Wie heißen Sie eigentlich?“

      „Mein Name ist Daniel Rauscher,“ sagte er strahlend und strich sich mit seinen Händen durch die kurzen, blonden Haare. Eilig zog er seinen Kittel aus, unter dem ein brauner Anzug zum Vorschein kam, der zu Christines Überraschung sehr modern und wohl auch sehr teuer war. Für seine 42 Jahre hatte er noch ein sehr jugendliches Aussehen, wozu auch die 1,64 Meter kleine, sehr schlanke Figur beitrug.

      „Darf ich Ihnen meinen Wirkungskreis zeigen, Frau Kollegin? Außer diesem Autopsie-Raum hat meine Pathologie noch so einiges zu bieten,“ fragte er stolz und Christine konnte wegen ihres schlechten Gewissens nicht ablehnen. Sie gab Leo den Bericht und sagte: „Wenn ich hier fertig bin, fahre ich wieder nach Hause. Also los, Kollege Rauscher, dann zeigen Sie mal, was Sie haben.“

      Daniel Rauscher führte Christine durch sein Reich. Sie musste zugeben, dass das, was sie hier in der Pathologie Passau zu sehen bekam, ziemlich beeindruckend war.

      „Sehr schön, junger Freund, aber meine Pathologie in Ulm ist auch nicht übel. Wenn Sie irgendwann mal in der Nähe sind, kommen Sie doch bei mir vorbei, ich würde mich freuen.“

      Sie gab ihm ihre Karte und Daniel freute sich wie ein kleines Kind. Er hatte sich inzwischen über Dr. Christine Künstle informiert und war beeindruckt. Neben ihren zahlreichen Vorträgen veröffentlichte sie in Fachzeitschriften immer wieder Artikel, die in Fachkreisen großen Anklang fanden und von denen er selbst schon einige gelesen hatte. Er ärgerte sich, dass ihm ihr Name nicht sofort ein Begriff war.

      Leo und Georg suchten den zuständigen Arzt auf, der in der Nacht den Totenschein ausgestellt und unterzeichnet hatte. Es stellte sich heraus, dass der Arzt „unbekannte Todesursache“ eingetragen hatte, und zeigte den beiden die Kopie in seinen Unterlagen. Also hatte Steinberger auch noch den Totenschein gefälscht. Nur er konnte veranlasst haben, dass Tim so schnell wie möglich verbrannt werden sollte. Steinberger konnte nicht damit rechnen, dass der angebliche Selbstmord untersucht würde.

      Als Nächstes wollten sie Julius Bernrieder und Benjamin Aschenbrenner wegen des Fotos der Vermissten Nadine Siebert aufsuchen. Leider trafen Sie Julius Bernrieder nicht an, hinterließen aber eine Nachricht.

      Benjamin Aschenbrenner war zuhause. Sie zeigten ihm das Foto von Nadine.

      „Ich habe das Foto bereits per Post bekommen. Nein, tut mir leid, ich kann mich an dieses Mädchen nicht erinnern. Das ganze Hotel war voll von diesen Mädchen, die nur auf das eine aus waren,“ sagte er sichtlich angewidert.

      „Stehen Sie nicht auf Frauen?“, fragte Georg unverblümt, der diesen arroganten Kerl von Anfang an nicht leiden konnte.

      „Natürlich stehe ich auf Frauen,“ schrie Benjamin empört. „Allerdings bevorzuge ich die Sorte Frauen, die anständig sind und einen gewissen Intellekt haben. Ich habe aufgrund der gesellschaftlichen Stellung meiner Eltern eine gewisse Verantwortung, der ich mir bewusst bin. An leichten Mädchen habe ich keinerlei Interesse.“

      „Können Sie uns sagen, wo wir Julius Bernrieder finden können?“, warf Leo ein. Auch um den Redeschwall, der kaum zu ertragen war, zu unterbrechen.

      „Nein,